R/3-Nachfolger ist auf dem Weg

Anwender zögern mit dem Wechsel auf Mysap ERP

16.07.2004
MÜNCHEN (fn) - SAP vermarktet "Mysap ERP" als Nachfolger von R/3. Die Kernfunktionen des Altprodukts gehen in der "ERP Central Component" auf, die mit der Edition 2004 von Mysap ERP ausgeliefert wird. Die neue Technik und das Lizenzmodell halten jedoch manchen Kunden ab, seine R/3-Installation zu modernisieren.

Den Produktnamen "Mysap ERP" trägt SAP schon seit dem Frühjahr 2003 in den Markt. Bisher handelte es sich um eine Kombination aus "R/3 Enterprise", dem letzten R/3-Release, und einiger zusätzlicher Softwarekomponenten aus den Anwendungen "Mysap Financials" und "Mysap Human Resources". Das etwa ab Dezember dieses Jahres verfügbare "Mysap ERP 2004" enthält dagegen die "ERP Central Component"(ECC), den Nachfolger von R/3. In ECC unternimmt SAP erste Schritte in Richtung Enterprise Services Architecture (ESA). Ziel dabei ist es, das bisherige Client-Server-Konzept zugunsten einer serviceorientierten Softwarearchitektur abzulösen. Statt mit umfänglichen Funktionsbausteinen arbeitet ESA mit kleinen Modulen, die mit Web-Services-Schnittstellen versehen sind.

Bei ECC handelt es sich um eine neue ERP-Engine, die über die Funktionen von R/3 Enterprise verfügt, jedoch stärker modularisiert ist als der Vorgänger. Umfangreiche Module wie etwa das von den meisten R/3-Kunden verwendete FI (Finanzbuchhaltung) haben die Entwickler in kleinere Einheiten zerlegt. So gibt es nun eine abgekapselte Komponente für die Anlagenbuchhaltung. Gleichzeitig liefert SAP das FI-Modul in seiner ursprünglichen Form aus.

Allerdings hat aus Sicht des Herstellers Mysap ERP 2004 mehr zu bieten als nur eine technische Weiterentwicklung des betagten R/3-Systems. Zu den Neuerungen zählt die Ablaufumgebung. Nutzte R/3 noch "SAP Basis" als Plattform, läuft ECC auf dem "Web Application Server 6.40", mit dem sich Java- und Abap-Module auf einem Applikations-Server betreiben lassen. Ferner wurde die ERP Central Component mit dem "Enterprise Portal" sowie der Software "SAP Business Intelligence" (SAP BI) integriert. Damit sollen Anwendern die Analyse von Geschäftsdaten sowie das Erstellen von Berichten leichter fallen. Zu den BI-Bausteinen gehören unter anderem "Strategic Enterprise Management" (strategische Planung von Geschäftszielen, Messung der Unternehmensleistung mit Balanced Scorecards) und "Financial Analytics" (Analyse von direkten und indirekten Kosten, Vergleich der Kostenstruktur mit dem Geschäftsplan).

Investitionen werden angerechnet

Der Applikations-Server, das Portal und auch die Business-Intelligence-Funktionen sind Teil von SAPs Integrations- und Ablaufumgebung "Netweaver". Da die Kopplung mit Netweaver sowie die neuen betriebswirtschaftlichen Funktionen nach Angaben von SAP weit mehr bieten als R/3 Enterprise, verkauft der Hersteller Mysap ERP 2004 wie ein neues Produkt. R/3-Kunden müssen somit neue Lizenzen erwerben, getätigte Investitionen werden ihnen jedoch angerechnet - in welchem Umfang die R/3-Lizenzen berücksichtigt werden, hängt stark von der Größe des Kunden und dessen Verhandlungsgeschick ab. Firmen mit einem Lizenzvertrag für Mysap ERP oder der "Mysap Business Suite", in der SAP alle Softwareprodukte bis auf die Branchenlösungen zusammenfasst, müssen keine neuen Verträge abschließen.

Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Forrester Research aus Cambridge, Massachusetts, sind die neuen Lizenzverträge ein triftiger Grund für R/3-Kunden, nicht auf Mysap ERP umzusteigen. "Das ERP-Paket liefert zwar neue Funktionen, doch viele Firmen sehen nicht die Notwendigkeit für deren Einsatz und sind auch nicht gewillt, dafür zu zahlen", kommentiert ein Forrester-Analyst. Zudem beklagten sich viele Kunden, dass SAP ihre R/3-Investionen nicht ausreichend anrechnet. Forrester zufolge nutzen derzeit etwa vier Prozent aller SAP-Anwender Mysap ERP. R/3-Kunden mussten bei einem Release-Wechsel bisher keine neuen Lizenzen kaufen. Updates erhielten sie im Rahmen ihrer Wartungsverträge. Einige von ihnen sehen trotz der zahlreichen Neuerungen, die Mysap ERP ohne Zweifel bietet, nicht ein, warum sie für das Produkt zusätzlich zahlen sollen.

Neue Technik schreckt ab

Manche Firmen schrecken jedoch auch vor der neuen Technik zurück. So wird die Ablaufplattform Web Application Server als komplett neues System für den Betrieb der ERP-Software empfunden. Dies trifft allerdings nur zum Teil zu, denn der eingebundene Abap-Server funktioniert nicht anders als die mit R/3 ausgelieferte SAP Basis.

Wie auch immer die Firmen zu Mysap ERP stehen: Wollen sie weiterhin ERP-Software von SAP nutzen, müssen sie sich mit dem Produkt beschäftigen. Der Grund: Die Walldorfer haben die Wartung von R/3 zeitlich begrenzt (siehe Grafik).

Forrester empfiehlt

- Viele R/3-Anwender arbeiten noch mit einem Release-Stand ihres ERP-Pakets unterhalb von 4.6C. Diesen SAP-Kunden wird es leichter fallen, im Rahmen einer Migration zunächst über Version 4.6C zu gehen, anstatt diese zu überspringen und gleich auf ein höheres Release zu setzen.

- Anderen SAP-Migrationswilligen, die noch in diesem Jahr ihr System in Betrieb nehmen wollen, wird R/3 Enterprise empfohlen. ERP-Neukunden rät Forrester, gleich das heute verfügbare Mysap ERP zu erwerben.

Abb: Fahrplan für SAP-Produkte

SAP hat ein einheitliches Wartungskonzept für seine Produkte aufgelegt: Demnach umfasst die Standardwartung fünf Jahre (17 Prozent vom Lizenzpreis), dazu kommt ein Jahr erweiterte Wartungsleistung (19 Prozent) sowie weitere zwei Jahre (21 Prozent). Quelle: SAP