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Anwender zeigen WAP die kalte Schulter

05.07.2000
Carrier und Hersteller können Versprechen bislang nicht einlösen

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Als Revolution in Sachen mobiles Internet von Herstellern und Carriern gefeiert, lockt WAP kaum einen Benutzer zum drahtlosen Surfen.

Auf der GSM-World in Cannes zu Beginn des Jahres wurde das Wireless Application Protocol (WAP) noch als Wundermittel gefeiert. So sollte die neue Technik den Carriern, die angesichts sinkender Gesprächspreise über Umsatzverluste klagten, wieder mehr Geld in die Kassen spülen. Dank neuer, interessanter Applikationen, so die Idee, telefonieren die Kunden zwar billiger, geben dafür aber mehr Geld beim Surfen aus.

Jupiter Communications aber hat in einer aktuellen Umfrage herausgefunden, dass 39 Prozent aller WAP-Handy-Besitzer keinen Nutzen in ihren interaktiven mobilen Geräten erkennen; 17 Prozent klagten über zu hohe Kosten für den Internet-Zugang von unterwegs. Auch das "Wall Street Journal" zog kürzlich eine ernüchternde Bilanz: WAP, so schreibt das Blatt, sei allzu häufig eine Geschichte überlasteter Rechner, einiger weniger uninspirierter Dienste und von ein paar Zeilen Text, der quälend langsam über ein Display krieche, das gerade halb so groß wie eine Kreditkarte ist.

Industrie und Netzbetreiber scheinen ihre Rechnung ohne die Benutzer gemacht zu haben. Diese zeigen nämlich der schönen neuen WAP-Welt unisono die kalte Schulter. So besitzen lediglich 250 000 der 13 Millionen T-Mobil-Kunden ein WAP-fähiges Handy - nicht zuletzt wegen der Hersteller, die ihre Lieferversprechen nicht einhalten konnten. Und von diesen Anwendern nutzt nur die Hälfte (175 000) das WAP-Angebot. Damit hätte T-Mobil trotz intensiver Werbung - so konzentrierte sich die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in TV-Spots mehr auf ihre WAP-Handys als auf die EM - lediglich 1,3 Prozent seiner Kunden für WAP gewonnen. Ein im Vergleich zu Japan mageres Ergebnis. Dort überzeugte der Mobilfunkanbieter NTT Docomo innerhalb von sechs Monaten vier Prozent der Kundschaft von den Vorzügen der Wireless-Internet-Dienste.

Ernüchternd ist auch die Zahl der täglichen WAP-Sessions: Lediglich 35 000-mal am Tag wird der drahtlose Dienst genutzt. Umgerechnet auf die wöchentliche Nutzung bedeutet dies, dass jeder Nutzer nur 1,4-mal in der Woche WAP verwendet. Analysten interpretieren diese Zahlen dahingehend, dass die angebotenen Services die Benutzer nicht überzeugen.

Ein Vorwurf, den die Anbieter von WAP-Diensten nicht auf sich sitzen lassen. Sie schieben die Schuld zum Teil den Netzbetreibern in die Schuhe. So beschuldigt etwa Antoine Duboscq, Mitbegründer des französischen WAP-Portals "Wapup.com", Carrier wie die France Télécom, Kunden auf die eigenen Portalangebote festzulegen. Ähnliche Fälle beschäftigen auch in Großbritannien die Gerichte. Gerade die freie Wahl der Zugangsportale, so die Meinung der Analysten, dürfte mit darüber entscheiden, ob WAP doch noch ein Erfolg wird.

Ungeachtet dieser Frage haben die Carrier bereits einen anderen Schuldigen für den WAP-Misserfolg ausgemacht: die geringe Bandbreite. Unisono propagieren die Netzbetreiber europaweit mittlerweile GPRS (General Packet Radio System) als die Enabling-Technology für WAP. Versprechen doch Bandbreiten von 40 und später bis zu 150 Kbit/s schnellere Verbindungen als die heute üblichen 9600 Bit/s und der erforderliche Austausch der Handys klingelnde Kassen.

Unbeeindruckt von aller Kritik hofft die Werbebranche bereits auf WAP als Plattform der Zukunft. 24/7 Media beispielsweise hat bereits ein Netz von Inhalteanbietern etabliert, über das Marketing-Experten WAP-Kampagnen lostreten können. Mit an Bord sind bereits Firmen wie Dressmart.com, das Portal WAPTOO und der Sportkanal MatchOn.com. Bis Ende dieses Jahres soll das Netzwerk laut "Wall Street Journal" bereits 31 Provider aus neun europäischen Ländern umfassen.

Staffan Endgard, Analyst bei Jupiter, hält WAP-Werbung vorerst für ein Experiment. Anwender seien beim Telefon an persönliche Eins-zu-eins-Kommunikation gewöhnt und würden deshalb (unerwünschte) Werbung nur schwerlich akzeptieren - vor allem, wenn sie für die Verbindung auch noch zahlen müssten. "In den nächsten zwei Jahren werden WAP-Kampagnen nichts als ´Trial and Error´ sein und wohl so gut wie keine Umsätze generieren", prophezeit der Analyst.

Für alle WAP-Unverdrossenen noch ein kleiner Tipp am Rande: Die Deutsche Börse Frankfurt offeriert seit dieser Woche unter der Adresse "wap.exchange.de" den Handy-Zugriff auf Börsenkurse (3500 Aktien, 11 000 Optionsscheine) - allerdings zeitversetzt mit 15 Minuten Verzögerung.