Bestehende Transaktionen werden Web-fähig

Anwender wollen SAP R/3 über das Internet bedienen

05.12.1997

Oft sind die Anwender im eigenen Haus oder von Kunden die treibende Kraft bei der Web-Integration von R/3-Systemen. So zumindest äußerten sich die Teilnehmer eines Seminars zum Thema "SAP im Internet" des Konferenz- und Seminarveranstalters Management Circle in Unterhaching bei München. Beispielsweise wünschen sich Händler, die Lagerbestände eines Herstellers über das Internet abzufragen. Andere Firmen liebäugeln mit der Verknüpfung ihrer Niederlassungen über das Internet, um auf diese Weise einen Datenaustausch zwischen den dort installierten SAP-R/3-Systemen abzuwickeln. Einen weiteren Vorteil der Web-Integration sieht Nils Landmann, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Heid Landmann & Partner, bei Gelegenheitsnutzern, die mit einem Browser besser umgehen können als mit der komplexeren Windows-Benutzerschnittstelle des R/3-Systems (Sapgui). Landmanns Unternehmen berät Firmen bei der Internet-Anbindung von SAP R/3 und realisiert Projekte im Abap/4-Umfeld (Abap/4 ist die Programmierumgebung für R/3-Anwendungen). Weltweit, so der IT-Berater, gebe es erst zwölf SAP-R/3-Installationen, die live im Internet vertreten sind, auch wenn das Marketing der SAP anderes suggeriere.

Um ein R/3-System dem Internet zu öffnen, haben die Walldorfer die Architektur der Business-Software entsprechend erweitert. Dabei unterscheidet die Softwareschmiede zwei Ansätze: "Inside-Out" und "Outside-In".

Bei der Inside-Out-Philosophie werden bereits existierende Transaktionen im R/3-System auch für Web-Benutzer zugänglich. Hierbei spielt der "Internet Transaction Server" (ITS) die Hauptrolle. Abbildung 1 zeigt den Aufbau einer solchen Lösung. SAP liefert diese Software mit dem R/3-Release 3.1g aus. Da die Anwendungslogik in der Business-Software verbleibt, entstehen laut Oliver Heß, technischer Consultant bei Heid Landmann & Partner, keine Datenredundanzen.

Alternativ zum Internet Transaction Server erlaubt die R/3-Architektur auch die Integration externer Transaktionssysteme von Drittanbietern, um etwa den Internet-Zahlungsverkehr abzuwickeln. Entsprechend bezeichnet die Softwareschmiede diese Vorgehensweise als Outside-In. Allerdings muß ein Unternehmen bei diesem Ansatz die gesamte Transaktionslogik selbst programmieren.

Beide Ansätze haben eine Gemeinsamkeit: Sowohl das externe Transaktionssystem als auch der ITS greifen über Business Application Programming Interfaces (BAPIs) auf ein R/3-System zu.

Beim Inside-Out-Ansatz schlägt der ITS eine Brücke zwischen den Applikations-Servern auf der einen und den Web-Servern auf der anderen Seite. Gleichzeitig koppelt diese Software das zustandslose Hypertext Transfer Protocol (HTTP) mit den zustandsbehafteten Transaktionen des R/3-Systems. Dementsprechend verfügt die Software über zwei Schnittstellen, das Wgate (Web-Gateway) und das Agate (Application Gateway).

Brückenschlag zwischen Servern

Irreführend ist der Name Internet Transaction Server insofern, als zwischen Web-Server und Anwendungssystem kein Transaktions-Management stattfindet. Das Wgate stößt lediglich Web-Sessions an, wenn Internet-Anwender Daten vom R/3-System anfordern. Das Agate interpretiert die in HTML-Business, einer SAP-spezifischen Erweiterung der Hypertext Markup Language, abgesetzten Befehle und baut eine Sitzung zum R/3-System auf. Die dabei erhaltenen Daten stellt die Software in Form von HTML-Seiten in den Web-Server. Browser-Anwender rufen von dort die Web-Seiten per HTTP ab. Den Ablauf einer Transaktion über das Internet zeigt Abbildung 2.

Bisher laufen die Komponenten Wgate und Agate lediglich auf Windows NT 4.0. Diese Microsoft-Lastigkeit gedenkt SAP aufzuheben: Das Wgate soll zukünftig auch unter Unix-Derivaten funktionieren. HP hat nach eigenen Angaben diese Portierung für HP-UX bereits vollzogen.

Damit Web-Anwender eine SAP-R/3-Transaktion anstoßen können, muß eine entsprechende "Internet Application Component" (IAC) existieren. Unter diesem Begriff faßt der Hersteller eine Abap/4-Transaktionslogik inklusive HTML und HTML-Business-Templates zusammen. Über HTMP-Schablonen (Templates) legt der Programmierer fest, wie die Informationen dem Web-User präsentiert werden sollen. Gleichzeitig beinhalten die IACs HTML-Business-Templates, das sind Platzhalter für Felder, die der Internet Transaction Server bei Bedarf mit Daten aus der Business-Software ersetzt. Mit dem Tool "SAPWeb- Studio" entwirft der Web-Designer die entsprechenden Internet-Seiten.

Mittlerweile 38 Internet Application Components liefert SAP mit dem R/3-Release 3.1g aus. Dazu gehört zum Beispiel "Track Your Order", mit dem Web-Anwender sich beim R/3-Modul SD nach dem Bearbeitungsstand einer bereits eingegebenen Bestellung erkundigen können. Im wesentlichen besteht die Entwicklungsarbeit für einen Anwender bei einer Standard-IAC im Erstellen des Web-Interface. Dazu gehört zum Beispiel, Subscreens des Sapgui als sogenannte "Frames" im Web darzustellen. Dritthersteller entwickelten auf der Basis dieser mitgelieferten IACs eigene Softwarekomponenten, beispielsweise die Aspri Trading aus Hamburg mit ihrem Order-Processing-System "Sapweb" (siehe CW Nr. 36 vom 5. September 1997, Seite 30).

Anpassung durch Applikationen

Zwar decken diese Standard-IACs viele Anwendungsbereiche ab, trotzdem müssen einige Firmen zusätzliche Web-Transaktionen entwickeln. Der dafür notwendige Aufwand läßt sich nur schätzen. Heid-Landmann-Consultant Heß veranschlagt für die Entwicklung einer neuen Internet-Transaktion zwei Mannwochen. Diese Erfahrung machte der Wirtschaftsinformatiker während eines Projekts bei FAG Kugelfischer in Schweinfurt. Das Unternehmen stellt zum 1. Januar 1998 nicht nur von R/2 auf R/3 um, sondern bindet gleichzeitig seine Händler über das Internet an die zentralen Applikations-Server an. Bisher bestand diese Vernetzung aus herkömmlichen ISDN-Leitungen.

Alternativ zum Sapgui sollen die Partnerunternehmen auch über den Web-Browser arbeiten können. Für die Web-Anbindung wurde der Internet-Service-Provider (ISP) Nacamar beauftragt. Im Rechenzentrum des Diensteanbieters steht sowohl der Internet Transaction Server als auch der Web-Server, nur der Applikations-Server läuft beim Auftraggeber. Zwischen ISP und Kugelfischer wurde eine Standleitung eingerichtet, um Web- und R/3-Systeme zu verknüpfen. Über die bundesweit verfügbaren Points of Presence von Nacamar wählen sich die Händler ein.

FAG Kugelfischer will auf diese Weise Kosten bei der Hardware einsparen, da die Firma für den Rechner beim Händler sowie für die Sapgui-Lizenz bezahlen muß. Ferner fallen Leitungsgebühren an. Durch den Internet-Zugriff wird sowohl der Rechner als auch die dedizierte Leitung obsolet. Lizenzgebühren ließen sich allerdings auf diesem Wege kaum einsparen, erklärt Heß. Zwar können die Systemverwalter auf die Sapgui-Lizenzen verzichten, statt dessen müssen sie aber für "Concurrent User" (gleichzeitige Sitzungen) bezahlen. Da hier die SAP nach den Worten von Heß kräftig zulangt, kann von einer großen Kosteneinsparung nicht mehr die Rede sein. So erheben die Walldorfer für fünf "Concurrent User" eine Lizenzgebühr von rund 61000 Mark pro Jahr, wenn der Kunde zusätzlich eine Datenbanklizenz erworben hat. Es gebe Unternehmen, so der Consultant weiter, für die sich dieser Betrag als K.o.-Kriterium herausstelle. Offenbar habe aber SAP inzwischen eingesehen, daß die Forderungen zu hoch gegriffen seien.

Mit fünf parallelen Sitzungen können maximal fünf Transaktionen gleichzeitig ausgeführt werden, dies beschränkt nicht die Anzahl der möglichen Web-User. Letztere wird nur durch die zugrundeliegende Hardware limitiert.

Wieviel ein Unternehmen für eine Integration der Web-Technik in eine R/3-Umgebung einkalkulieren muß, läßt sich nur schwer schätzen. Nach den Worten des Beraters Nils Landmann kostet die zusätzlich erforderliche Hardware für eine mittelständische Firma rund 50000 Mark. Die Einstellgebühr beim Internet-Service-Provider beträgt 1000 bis 2000 Mark im Monat. Außerdem fallen pro Monat Kosten für die Pflege der Web-Seiten an.

Zusätzlich zu diesen Investitionen muß der DV-Verantwortliche noch den finanziellen Aufwand für eine entsprechende Sicherheitsarchitektur einkalkulieren. So belaufen sich die Anschaffungskosten einer Firewall nach Angaben des Beraters Landmann auf 40000 bis 80000 Mark. Pro Monat rechnet Landmann mit weiteren 5000 bis 10000 Mark, die das Unternehmen für Patches und Updates der Firewall-Software ausgeben muß. Dienstleistungen schlagen mit zusätzlichen 500 bis 2000 Mark monatlich zu Buche. Viele Internet-Service-Provider bieten allerdings ein Outsourcing von Sicherheitstechnik an, so daß sich die Kosten für die Ausstattung sowie für qualifiziertes Personal begrenzen lassen.

Bandbreite als Kriterium

Mit den verfügbaren Bandbreiten im Internet steht und fällt die Web-Anbindung der Business-Software. Insbesondere bei der R/3-Anbindung von Außendienstmitarbeitern eines Unternehmens über das Internet kommt es auf kurze Anwortzeiten an. Diese Anwender sollen in der Lage sein, während eines Kundengesprächs einen Auftrag zu erfassen und gleichzeitig die erforderliche Bestandsbestätigung über das Web vom Applikations-Server zu erhalten. Hängt dabei die Antwortzeit vom aktuellen Verkehrsaufkommen im Internet ab, verwendet der Anwender besser dedizierte Dial-in-Zugänge statt eines Web-Zugriffs. Nach den Worten von Erich Zimmermann, Marketing- und Vertriebsleiter bei dem SAP-Outsourcer Orga in Karlsruhe, hänge dies vom Angebot des Internet-Diensteanbieters ab. Falls der Provider entsprechende Bandbreiten für seine Geschäftskunden garantieren könne, stehe der Web-Anbindung des Außendienstes nichts mehr im Wege. Dem komme zugute, daß die Business-Software für Transaktionen nur geringe Bandbreiten benötige.