Anwender wollen feste Preise

07.02.2005
Erfolgsabhängige Bezahlmodelle sollen IT-Berater in die Pflicht nehmen und für Qualität sorgen. In der Praxis haben sie sich als untauglich erwiesen. Festpreis und aufwandsabhängige Vergütungen sind die Regel.

Was die Beraterbranche von erfolgsabhängigen Bezahlmodellen hält, machte ein Teilnehmer des jährlichen Treffens des Bundes deutscher Unternehmensberater (BDU) im November 2002 in München deutlich: "Bieten Sie Ihrem Kunden ruhig einen erfolgsabhängigen Vergütungsvertrag an. Wenn er sieht, was so ein Abkommen ihn im ungünstigsten Fall kostet, unterschreibt er garantiert nicht", unkte der Consultant. Damals wurden derartige Bezahlmodelle in der gesamten strauchelnden Wirtschaft häufig diskutiert, aber selten vereinbart. Etablieren konnten sie sich nie.

"Für erfolgsabhängige Bezahlmodelle sind stabile ökonomische Verhältnisse erforderlich. Man benötigt Messgrößen, die auch in zwei Jahren noch gelten. Wir haben danach gesucht und nichts gefunden", begründete Peter Kailing, IT Global Applications Manager bei der Basell Polyolefine GmbH, seine Ablehnung. Basell ist weltgrößter Kunststoffhersteller von Polypropylen und Polyethylen. "In der chemischen Industrie", so Kailing, "gibt es derzeit ein Hauen und Stechen." Fusionen, Ausstiege, Portfoliobereinung so- wie Strategieänderungen sorgen dafür, dass laufende Projekte ständig den neuen Rahmenbedingungen angepasst werden müssen.

Konzepte wechseln ständig

Selbst die vermeintlich einfachen Bonus-Malus-Regelungen, in denen die Projektvergütung beispielsweise je nach früh- zeitiger beziehungsweise verspäteter Fertigstellung steigt oder sinkt, stößt bei deutschen Anwendern auf wenig Gegenliebe. "Um solche Vereinbarungen eingehen zu können, müssen die Partner im Fehlerfall eine klare Schuldzuweisung treffen können", warnt Thorsten Wichmann, Geschäftsführer bei Berlecon Research GmbH. Weil an umfangreichen IT-Vorhaben meistens interne IT- und fachliche Mitarbeiter beteiligt sind, fällt dies in der Praxis oftmals schwer. Basell-Manager Kaling ergänzt: "Oftmals scheitert es daran, da man kein präzises Fachkonzept bekommen, weil sich die Organisationsstrukturen dauernd ändern."

Wo möglich, drängen die Anwender heute auf Festpreisprojekte: Die Aufwendungen sind transparent, unerwartete Kostensteigerungen gibt es nicht, und das finanzielle Risiko bei unvorhersehbaren Problemen trägt der Dienstleister. Um so etwas zu verhindern, achten Auftragnehmer, aber auch Auftraggeber sehr genau darauf, nur überschaubare und klar definierte Projekte zu festen Preisen abzuwickeln. Der Berater scheut das genannte Risiko, der Anwender die Verbindlichkeit einer solchen Vereinbarung. Denn fallen nach Vertragsabschluss eines Festpreisprojektes noch Änderungen oder Erweiterungen an, wird es für den Auftraggeber sehr teuer.

Festpreis bedeutet aber nicht, keine Kontrolle mehr über den Fortgang der Arbeiten ausüben zu dürfen und jeglichen Einfluss abzugeben. Projekt-Management durch den Auftraggeber, Kontrolle der Zeitpläne und Services-Levels, Qualitäts-Management und Dokumentation, sowie eine ausführliche Abnahme und kostenlose Nachbesserung bei funktionalen Mängeln sollten obligatorisch sein.

Flexibilität kostet mehr

"Die Herausforderung bei Festpreisprojekten besteht darin, bereits zum Start das gewünschte Ergebnis und die Qualität sehr genau beschreiben zu können", erläutert Kailing. "Gelingt dies, kann man sich den Wettbewerb unter den Anbietern zunutze machen."

Die Berlecon-Untersuchung stützt diese Einschätzung. Die große Bedeutung der Festpreisprojekte im derzeitigen IT-Dienstleistungsgeschäft, so das Marktforschungshaus in seiner Studie "IT Services 2005", sei Ausdruck einer höheren Transparenz und eines verstärkten Preiswettbewerbs. Davon profitierten die IT-nutzenden Unternehmen. Gewählt wird diese Abrechnungsart überwiegend in Softwareentwicklungs- und Integrationsvorhaben. Das liege daran, so Berlecon-Chef Wichmann, dass es in der Branche häufig Integrationsprojekte mit Standardprodukten gebe, mit deren Einführung die Anbieter große Erfahrungen haben. Beratungsaufträge werden dagegen vornehmlich nach Zeit und Aufwand bezahlt. Sie zielen häufig auf Prozessverbesserungen und sind daher typischerweise darauf ausgerichtet, unternehmensspezifische Probleme oder Aufgaben zu lösen.

Aufwandsbezogene Bezahlmodelle bieten weitaus höhere Flexibilität, denn Änderungen und Erweiterungen sind ohne weiteres möglich. Die Beratungshäuser nehmen die Vorschläge gerne an, denn je umfangreicher das Vorhaben wird, desto besser verdienen sie, das finanzielle Risiko trägt der Kunde. "Die Abrechnung ist sehr kompliziert. Sie müssen Tagessätze plus Überstunden plus Zuschläge etc. bezahlen. Das zieht einen riesigen bürokratischen Aufwand nach sich", warnt Kailing.

Basell zog vor geraumer Zeit die Notbremse und entrichtet nur noch einen pauschalen Zuschlag von derzeit elf Prozent. Damit sind für alle europaweit betriebenen Projekte die Kosten für Unterbringung, Verpflegung, Überstunden sowie An- und Abreise abgegolten, mit Aus- nahme der Flüge. Die zahlt Basell lieber selbst, um meisten von den günstigeren Unternehmenskonditionen zu profitieren. "Wir haben zeitweilig 200 Berater beschäftigt. Mit der Umstellung auf Pauschalbeträge haben wir im administrativen Bereich zwei Mitarbeiter einsparen können, die zuvor damit beschäf- tigt waren, die Belegabrechnungen zu kontrollieren", schildert Kailing.

Projektleitung bleibt im Haus

Kleine Aufträge vergibt Basell als Festpreispakete, das Gros wird nach Zeit und Aufwand bezahlt, weil sich die Rahmenbedingen ständig ändern. Das Projekt- Management übernehmen immer die eigenen Leute. Je nach Erfahrung steuern sie Teams von vier bis 20 und mehr externen Beratern. In jedem Fall sind die Basell-Experten verantwort- lich dafür, dass inhaltliche oder qualitative Ziele erreicht, Dokumentionsstandards befolgt und die externen Berater in die Arbeiten eingebunden werden. "Wir wollen nicht für die Ausbildung junger Berater zahlen", sagte Kailing. "Daher sind unsere Mitarbeiter auch gefordert, die Arbeit der externen Kräfte zu kontrollieren."