Interview

"Anwender suchen nach Architekturen"

05.02.1999
Mit Uwe Lehr und Barry O´Reilly, Iona Technologies, sprach CW-Redakteur Hermann Gfaller anläßlich der OOP ´99.

CW: Wie weit sind die Anwender beim Einsatz objektorientierter Architekturen?

Lehr: Natürlich sind die US-Firmen hier ein Stück voraus. In Europa führen England und die Schweiz.

CW: Warum?

O´Reilly: In England gibt es keine Sprachbarrieren gegenüber neuer erklärungsbedürftiger Technik. Die Schweizer sind vielleicht aufgrund ihrer Situation, von einem geografisch kleinem Gebiet aus weltweit mitspielen und ihre führende Rolle im Bankengeschäft verteidigen zu müssen, mehr zur Innovation gezwungen. Es ist aber auch richtig, daß die Deutschen schlicht konservativer sind. Ohne Java im Angebot kann man sich jedoch auch hier nicht mehr sehen lassen.

CW: Der Java-Boom hält also an?

Lehr: Im Silicon Valley ist das extrem. Hierzulande dagegen interessiert sich zwar jeder dafür, C++ spielt aber noch eine große Rolle.

CW: Verdrängt Java C++?

Lehr: Wenn es um bestehende Infrastrukturen geht oder um unternehmenskritische Anwendungen und Performance, dann ist C++ oft noch die erste Wahl. Ein Grund, Java nicht einzusetzen, ist auch, daß die Sprache noch ständig verändert wird. Für langfristige Projekte ist es sinnvoll, zu warten, bis Java und die dazugehörigen Tools etwas reifer sind.

CW: Was machen die deutschen Anwender mit Java?

Lehr: Bei Komponenten auf Basis von Enterprise Javabeans sind deutsche Entwickler noch ganz am Anfang - das gilt aber auch für die anderen Länder.

O´Reilly: Einspruch: Die Probleme der Unternehmen liegen nicht bei der Entwicklung toller Komponenten. Sie müssen mit Cobol- oder PL1-Code leben. Es geht darum, diese alten, aber unternehmenswichtigen Anwendungen auch im Internet-Zeitalter produktiv zu halten.

CW: Das klingt nach einer Aufgabe für Applikations-Server...

O´Reilly: Applikations-Server ist ein Marketing-Begriff, der momentan gut zieht. Was derzeit unter dieser Bezeichnung angeboten wird, bietet aber meist nur eine rudimentäre Anbindung des Web an die Unternehmensdatenbanken. Mein Verständnis von Applikations-Servern geht dahin, daß sich alle Unternehmensanwendungen und Prozesse integrieren lassen.

CW: Sagen das nicht alle?

O´Reilly: Ja, aber es gibt unterschiedliche Komponentenmodelle, die vereint werden müssen: COM-Objekte, erste Enterprise Javabeans, aber auch eine ganze Reihe von Corba-Objekten, um die allerdings kaum Aufhebens gemacht wird.

CW: Sie spielen auf Ionas COM-Kooperation mit Microsoft an?

Lehr: Unserer Meinung nach ist Corba die geeignete Technik, um die anderen Komponentenmodelle zu integrieren. Aus dieser Sicht sind COM-Komponenten ebenso gut wie andere Techniken.

CW: Iona galt immer als einer der engagiertesten Microsoft-Kritiker. Ist das anders geworden?

Lehr: Wir sind weder auf Unix noch auf Windows festgelegt. Unser Ziel ist es, möglichst viele Infrastrukturen zu unterstützen. Dabei geht es weniger um Betriebssysteme als um Transaktionsmonitore, Datenbanken und Programmiersprachen. Unser Kunde soll verwenden können, was ihm für seine Aufgaben am sinnvollsten erscheint.

CW: Applikations-Server sollen plattformunabhängig sein. Ist das ein realistischer Anspruch?

O´Reilly: Ja. Plattformunabhängigkeit ist eine Kerneigenschaft insbesondere von Corba.

CW: Nun raten jedoch die Analysten, nur einen Hersteller zu nehmen, weil die Produkte gerade nicht untereinander kompatibel sind.

O´Reilly: Da ist was dran. Hier sind die Kunden gefragt. Sie müssen die Hersteller zwingen, nur mit offenen Standards zu arbeiten, wie sie von X/Open und der OMG spezifiziert werden.

CW: Um diese Konsortien ist es still geworden. Heute werden Standards von Marktgrößen wie Microsoft etabliert.

O´Reilly: Für uns ist das kein Problem. Wir haben Brücken zu allen Techniken und stehen zur Plattformunabhängigkeit.

CW: Nehmen wir eine typische DV-Landschaft mit Windows- Systemen am Client, NT-Abteilungs-Servern, Unix-Servern für die Datenbanken und im Hintergrund ein paar Großrechnern. Wenn Sie diese DV mit Ihren Applikations-Servern integrieren, müssen dann nicht die meisten von ihnen auf NT laufen?

O´Reilly: In der von Ihnen geschilderten Konfiguration: ja.