DV-Personal: Einstellungen brennen auf Sparflamme

Anwender schielen nur auf die Profis als Mehrzweckwaffe

13.12.1991

Es begann sich bereits in diesem Jahr abzuzeichnen: Anwender stellen in Zukunft weniger DV-Personal ein. Und wenn sie es tun, dann suchen sie gestandene Profis - auch aus dem Ausland. Der hochqualifizierte Spezialist für alle Fälle wird gesucht. Personalkosten zu reduzieren ist das alles beherrschende Thema der D V-Leiter und Personalchefs. Die Ressourcenverschwendung in der Datenverarbeitung soll der Vergangenheit angehören.

Das Jahr 1991 war ein gutes Jahr, und das soll es auch 1992 werden. Davon ist Wolfgang Struwe überzeugt. Der Geschäftsführer der renommierten Personalberatung Baumgartner & Partner versicherte jüngst auf dem Beratertag in Bonn, daß seine Auftragsbücher voll seien. Der Sindelfinger Headhunter verbreitet Optimismus: "Wenn sich eine Rezession ankündigt, merke ich das bereits ein halbes Jahr vorher an der schlechten Auftragslage." Dies treffe für ihn jedoch nicht zu.

Nicht ganz so rosig beurteilen einige von Struwes Kollegen die Lage, erst recht nicht die Praktiker in den Unternehmen. Auf die Frage der COMPUTERWOCHE, wie denn die Pesonalplanungen für das nächste Jahr aussehen, hielten sich viele Personalchefs und DV-Leiter zurück oder wollten erst gar nicht zitiert werden.

Wer den Stellenmarkt der letzten Wochen in den Zeitungen beobachtete, mußte zu der Schlußfolgerung kommen, daß sich eine Rezession ankündigt.

"DV-Profis sind verunsichert und wechselwillig"

Wolfgang Tautz, Kienbaum-Beratung, München

Denn Ökonomen halten einen Rückgang der Anzeigen als erstes deutliches Indiz für eine Verschlechterung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage.

Und obwohl die Anwender zu denen zählten, die dieses Jahr noch DV-Personal suchten, schätzen diese, aber auch Personalberater die Zukunft wenig hoffnungsvoll ein. Kienbaum-Berater Wolfgang Tautz nennt ein Beispiel aus seiner aktuellen Beratungspraxis, das für ihn repräsentativen Charakter hat: Ein Münchner Konzern ist gerade dabei, auf Standardsoftware umzustellen, um langfristig mit weniger Personal auszukommen. Aus seiner Sicht sind die Zeiten vorbei, "in denen viel Geld und Manpower in Computerei investiert wurde". In den DV-Abteilungen heiße die Devise jetzt: sparen, sparen und nochmals sparen.

Auch der Hamburger PU-Berater Heiner Pössnecker glaubt, daß sich die Industrie in Zukunft bei Personaleinstellungen zurückhalten wird. Allerdings erinnert er daran, daß "der technische Fortschritt schwer einzuschätzen ist und daß es einen Innovationssprung geben kann", der dann Personal erfordere.

Der neue Direktor der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) in Frankfurt, Peter Jacobi, stellt ebenfalls einen Rückgang bei der Vermittlung von Führungskräften fest. Wurden im vorigen Jahr von der Management-Vermittlung der Bundesanstalt für Arbeit über 3000 Manager mit einem Job versorgt, rechnet er bereits dieses Jahr mit einem Rückgang. Jacobi hält aber weiter an der Prognose fest, die die ZAV zusammen mit "Management Wissen" erarbeitet hat, daß langfristig Führungskräfte gebraucht werden. So hätten in einer Umfrage bei fast 800 Personalchefs ein Drittel - allen voran die Banker -, geantwortet, daß der Bedarf an Managern im Bereich Datenverarbeitung, Organisation und Planung steigen oder sogar stark steigen wird.

Schlumberger-Personalchef Dietmar Eidens ist erst einmal vorsichtig geworden, was die Einstellung von neuem Personal angeht. Der Vertreter des Münchner Meßgeräte-Herstellers stellt fest, daß "es vom Markt einen Rückgang der Nachfrage gibt und daß die Konkurrenz aus Asien, insbesondere aus Japan, größer geworden ist".

Klaus Neher macht die Einstellung von Neupersonal nicht von Entwicklungen am Markt abhängig. Allerdings könne es sein, daß die Colonia Versicherung, wo er als Personalchef das Sagen hat, durch die Integration in eine europäische Unternehmensgruppe "enger zusammenrückt", und daß man ein Jahr mit Einstellungen aussetze.

Bisher hätte die Kölner Versicherungsgesellschaft jährlich etwa zehn bis 15 MTAs (Mathematisch-Technische Assistenten) eingestellt. Diese seien dann nach einer Grundausbildung in unterschiedlichen Abteilungen eingesetzt worden.

Bei einem multinationalen Konzern im Raum Köln/Düsseldorf stehen die Zeichen ebenfalls auf Konsolidierung. Hatte man bisher jährlich etwa 20 Mitarbeiter für die Systementwicklung eingestellt, sollen es im nächsten Jahr nur noch sechs sein. Interessant bei diesem Unternehmen ist aber, daß der Manager, der seinen Arbeitgeber und sich nicht zitiert wissen will, zunehmend ausländische Mitarbeiter einstellt, weil "in Deutschland schwer DV-Spezialisten zu finden sind".

Er hat auch gleich ein Beispiel parat: Auf seine letzte Anzeige für einen DV-Profi mit Adabas- und Natural-Kenntnissen erhielt er 150 Zuschriften, von denen aber nur zwei brauchbar waren.

"Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage in allen europäischen Ländern, in erster Linie in England, ist es viel leichter, Mitarbeiter für Deutschland zu rekrutieren", frohlockt der DV-Manager. Er zählt als Vorzüge der Ausländer auf. Innerhalb eines Monats seien sie einsatzfähig - "bei einem deutschen DV-Spezialisten muß ich drei bis vier Monate warten" - sie seien jung und hätten schon einige Jahre Berufserfahrung, wenn die hiesigen Techniker gerade die Universität verließen.

Daß die Unternehmen zahlreiche Wünsche an die Uni vorzubringen haben, ist nichts Neues. Aber gerade durch die schnellen Veränderungen in der Berufswelt müßten sich die Universitäten umstellen, wollten sie sich nicht vollständig von der technischen Entwicklung abkapseln, meint Eidens.

Er fordert eine größere Anzahl von Englisch- und Betriebswirtschaftskursen für Ingenieure und Informatiker an den Hochschulen: "Wir haben noch immer Schwierigkeiten, Techniker mit entsprechenden Englischkenntnissen zu finden." Im übrigen hätte sich die Arbeit der Ingenieure und Informatiker dahingehend verändert, daß die Technik-Anteile abnähmen und zunehmend mehr Logistik- und Organisations-Know-how gefragt sei, was die Wissenschaftler nicht zur Kenntnis nehmen würden.

Der Kölner DV-Manager wiederum ist überzeugt, daß in der Personalpolitik künftig das europäische Element stärker zum Tragen kommt. "Es ist ein Fehler, daß deutsche Unternehmen im Hinblick auf 1993 so wenig ausländische Arbeitnehmer beschäftigen", so der Manager. Er weiß aber auch, daß in den anderen Ländern die Situation nicht viel besser ist.

Bernd Wolf sieht die Beschäftigung von Ausländern etwas nüchterner. Auch sein Unternehmen hätte damit Erfahrungen gemacht, allerdings träten Sprachschwierigkeiten auf und die Mentalitätsunterschiede seien recht groß, so daß man nur im Notfall auf Bewerber aus anderen Ländern zurückgreife.

Interessant ist für den Personalchef der DEM und Zinkeisen GmbH in Dreieich eine andere Entwicklung: Es sei unverkennbar, daß Betriebe auf Nachwuchsförderung verzichteten. Kienbaum-Berater Tautz bestätigt: "Unternehmen haben vor allem DV-Profis gesucht, Absolventen sind wenig gefragt."

Tautz hat die Erfahrung gemacht, daß aufgrund der schlechten Situation der Hersteller die Computerbeschäftigten verunsichert und wechselwillig seien. Dies verleite Profis dazu, sich als Berater selbständig zu machen. Vor allem im boomenden SAP-Markt versprechen sich Berater eine goldene Nase zu verdienen. Tautz warnt aber: "Die One-man-shows sind nicht stabil."

Vorbehalte anderer Natur gegenüber Beschäftigten von großen Hardwareherstellern hat dagegen Berater Pössnecker. Er unterstellt ihnen eine gewisse Trägheit, deshalb "Sind sie schwer vermittelbar".

Bei keinem Gespräch zum Thema Personal fehlt das Stichwort Kosten. Wolf befindet sich sicherlich in bester Gesellschaft, wenn er jammert: "Lohn- und Lohnnebenkosten sind in Deutschland besonders hoch", deshalb überlege sein Unternehmen, Produktionsstätten zu verlagern.

Weil mit Hardware kaum noch etwas zu verdienen sei, sollten sich die Unternehmen auf Service und Support konzentrieren, empfiehlt der Hamburger Pössnecker. Auch Eidens glaubt, sein Heil ins Dienstleistungsbereich zu finden. Die Rentabilität voll westeuropäischen Unternehmen sei im gleich zu japanischen so gering, daß nur eine Verlagerung der Produktion in Frage komme. Betriebe müßten sich deshalb weg von der Hardwareherstellung, hin zu Service und Support orientieren. In Zukunft werde es dadurch zu Personalumschichtungen in den Unternehmen kommen. Dies beinhalte auch eine zusätzlich Weiterbildung der Mitarbeiter.

Zur Entspannung auf dem Arbeitsmarkt haben zweifellos die Mitarbeiter aus den neuen Bundesländern beigetragen. Allerdings ist das Urteil über ihre Qualifikationen und Fähigkeiten recht unterschiedlich. Während man im Süden der Republik eher reservierter ist, meldet der Norden Zugänge aus dem Osten. Pössnecker meint zum Beispiel, daß viele Unternehmen DV-Spezialisten aus der Ex-DDR eingestellt hätten.

Der Kölner DV-Manager hatte zwar zahlreiche Bewerbungen aus denn Osten erhalten, war allerdings der Auffassung, daß keinen, der Computerspezialisten ausreichende Kenntnisse besitze. Auch Tautz, der von München aus berät, hat eine gewisse Zurückhaltung der Unternehmen gegenüber Ost-Mitarbeitern festgestellt. Es werde ihnen unterstellt, daß sie nicht ausreichend selbständig sind, "weil sie im alten System nur unter Anleitung zu arbeiten gewöhnt waren".