Anwender lassen RoI-Tools links liegen

24.10.2005
Von 
Daniela Hoffmann ist freie IT-Fachjournalistin in Berlin.
Die einen vertrauen den Beratern, die anderen setzen auf Excel.

Die Wirtschaftlichkeitsberechnung von IT-Vorhaben ist - um mit Theodor Fontane zu sprechen - "ein weites Feld": Da bauen Unternehmen die notwendigen Werkzeuge selbst, oder sie behelfen sich mit einfachen Excel-Listen; RoI-Kalkulatoren im Internet werden lieber gemieden, und so manch einer stellt den Sinn von detaillierten Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen per se in Frage. Unüberschaubar wird die Materie auch dadurch, dass für nahezu jedes Anwendungsgebiet - sei es nun ERP, Customer-Relationship- oder Content-Management - sowie für Hardware und Infrastruktur jeweils getrennt gerechnet wird.

Hier lesen Sie …

• seit wann die ROI-Berechnung und gäbe ist;

• welche kommerziellen Tools am Markt sind;

• warum sie hierzulande wenig genutzt werden;

• wie die Dienstleister mit dem RoI-Thema umgehen.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/go/

*81560: Report: Großteil der IT-Budgets läuft ins Leere;

*65345: Die IT - unverstanden und ungeliebt?;

*64219: Wertorientierung spart 30 Prozent Kosten.

Weiterführende Links

Web-Adressen der Anbieter von kommerziellen ROI-Tools:

www.glomark.com;

www.cioview.com;

Odellion Research Online Community

www.odellion.com;

Übersicht über kostenlose ROI-Tools:

www.nucleusresearch.com;

Consulting-Unternehmen, die sich auf ROI-Berechnungen verstehen:

www.gartner.com;

www.cscploenzke.de;

www.inditango.de;

www.ids-scheer.de;

www.de.solutionmatrix.com.

Return on Investment

Dieser Fachbegriff bezeichnet eine Kennzahl, die Aufschluss über das Verhältnis von Investition und Gewinn gibt. Dabei werden die Kosten in Beziehung zu der Höhe des erwarteten Gewinns gesetzt. Der RoI gibt den prozentualen Anteil des Gewinns an einer Investition an, also den Wert, der aus einer Investition zurückfließen wird. Es sind unterschiedliche Formeln im Umlauf, eine davon lautet:

Einfacher RoI in Prozent =

(Gewinn - Investitionskosten) / Investitionskosten.

Sie reicht aus, wenn sich Kosten und Nutzen einander schlüssig zuordnen lassen.

Fundierte Betrachtungen zum Return on Investment (RoI) entstehen häufig in Zusammenarbeit mit Beratungshäusern, die eigene Tools im Portfolio haben, oder - seltener - mit Werkzeugen, die der zur Wahl stehende Hersteller anbietet. State-of-the-Art ist die Tabellenkalkulations-Software Excel, manchmal wird eine Datenbank, sprich: Access, zu Rate gezogen.

Im Kopf berechenbar

Nun gibt es IT-Gebiete, wo sich eine Wirtschaftlichkeitsrechnung schon mit wenigen Zahlen zu Papier bringen lässt. Dazu zählt die Entscheidung des Bekleidungsunternehmens Falke für den Einsatz eines Dokumenten-Management-Systems.

Karl-Heinz Hennecke, Projektleiter Rechnungswesen, erinnert sich: "Der Vergleich mit dem Mikrofiche-System, das wir bis dato im Einsatz hatten, erbrachte klare Vorteile. Früher konnten wir rund eine Woche nicht auf aktuelle Dokumente wie Rechnungen und Lieferscheine zugreifen, während die Daten vom externen Dienstleister verarbeitet wurden. Rund 15 Minuten waren für eine Belegsuche inklusive Gang zum Lesegerät notwendig, pro Tag kam ein Ordner an neuen Belegen dazu. Das waren jährlich 25 Meter Akten, die nun wegfallen."

Dem gegenüber standen Investitionskosten von rund 35 000 Euro - etwa dieselbe Summe, die das Unternehmen pro Jahr für Dienstleistungen im Mikrofiche-Umfeld gezahlt hatte. Einen solchen RoI können Grundschüler im Kopf berechnen. Doch so eindeutig liegt der Fall nicht immer.

Ein Kind der Rezession

Die Frage nach dem Wert einer IT-Investition wird erst seit kurzem regelmäßig gestellt. "Es ist verblüffend, dass Rentabilitätsbetrachtungen im IT-Bereich lange Zeit keine Rolle spielten", konstatiert Jens Redenius, Director IT-Value-Management bei Inditango, einem der wenigen deutschen RoI-Spezialisten. Erst seit etwa 2002 spürten die IT-Abteilungen - als Folge der Rezession - den Druck, mit bestehenden oder gekürzten Budgets mehr Nutzen generieren zu müssen.

Rund 70 Prozent der Unternehmen, die sich mit Rentabilitätsrechnungen befassen, arbeiten mit selbst entwickelten Tools und Excel-Sheets, schätzt Redenius. Weitere 20 Prozent nutzen nach seiner Erfahrung standardisierte Lösungen, die häufig mit Consulting-Unterstützung eingeführt würden.

Von den Prozessen aus

So setzt beispielsweise der IT-Dienstleister CSC auf eigene Tools, wenn er in Sachen Wirtschaftlichkeit eines Projekts berät. Im Bereich Human Resources (HR) ist dies das Excel-basierende Werkzeug "HR ROI", mit dem sich unter anderem der Nutzen von Self-Service-Lösungen im Personalbereich quantifizieren lässt. "Wir gehen bei der RoI-Ermittlung prozessorientiert vor und stellen Kennzahlen aus Best-Practice-Prozessen den aktuellen Abläufen gegenüber", erläutert Dorothea Höinghaus, Projekt-Managerin bei CSC Ploenzke. Das Unternehmen habe einige marktgängige RoI-Tools evaluiert. Doch die meisten seien zu grob und vor allem nicht ausreichend auf Prozesse fokussiert.

"RoI-Betrachtung ist Prozess-Betrachtung", bekräftigt Dirk Spannaus, Manager im Bereich Business Development bei der IBM. Außerdem dürfe sie nicht zu kurzfristig angelegt sein. Viele Projekte ständen heutzutage unter dem Druck, innerhalb eines Jahres einen deutlichen RoI ausweisen zu müssen. Bei manchen Themen sei es jedoch notwendig, weiter in die Zukunft zu blicken - "auf fünf oder sogar zehn Jahre hinaus".

Unter dieser Prämisse lohnt sich eine klare Kosten-Nutzen-Erwägung nach Ansicht des IBM-Managers auch für neue Technologien wie die Radio Frequency Identification (RFID) - obwohl die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung in solchen Fällen immer erst negative Ergebnisse zu liefern scheint: "Am Anfang sind neue Technologien teurer, wenn aber alle auf den Tag warten, an dem es preiswerter wird, passiert wenig", mahnt Spannaus. Das "strategische Potenzial" könnten nur die "Early Adopters" ausschöpfen.

Deshalb entwickelt IBM hier - in Zusammenarbeit mit dem "neutralen Dritten" GS1 (vormals CCG), einem Dienstleistungszentrum der deutschen Konsumgüterwirtschaft - einen speziell auf RFID-Projekt zugeschnittenen "Business Case Calculator", der Erfahrungen aus vielen Projekten berücksichtigt. Das Excel-basierende Tool soll den Einsatz der RFID-Technik entlang der gesamten Lieferkette bewerten und die Frage beantworten: "Was bringt es uns strategisch gesehen?" Auch zum Thema drahtlose Infrastruktur bietet IBM ein RoI-Tool an, den "Wireless Calculator". Er eignet sich aber nur für eine grobe Abschätzung und Potenzialermittlung, schränkt Spannaus ein.

Standardisiertes Herangehen

Kommerzielle Allzweckwerkzeuge für die RoI-Berechnung sind hierzulande kaum zu finden. Viel gebräuchlicher sind sie in den USA. Dort werden neben einem breiten Spektrum an Web-Kalkulatoren für Einzelbereiche auch themenübergreifende Applikationsprogramme wie "Genius System" von Glomark oder "ROInow" von CIOview angeboten. "Der Markt für RoI-Tools ist ein Nischenmarkt", räumt Ruben Melendez, President und CEO der Glomark Corp. ein, "aber er ist im Wachsen begriffen."

Der wichtigste Vorteil kommerzieller Tools ist ihre Eignung für themenunabhängige Berechnungen. So ermöglichen sie eine unternehmensweit standardisierte Herangehensweise an alle IT-Investitionsüberlegungen. Zudem werben die Hersteller damit, dass ihre Produkte die Kosten und den Nutzen objektiver quantifizieren als eine Berechnung im Do-it-yourself-Verfahren. Diese könnte leicht einseitig ausfallen, wenn sie beispielsweise von einer IT-Abteilung aufgestellt wird, die an dem betreffenden Projekt ein Eigeninteresse hat

Mit den Anwendungen lassen sich verschiedene Szenarien simulieren; Grundlage dafür sind Benchmarking-Ergebnisse und heuristisches Material. Mit Tools wie ROInow ist beispielsweise berechenbar, welche Auswirkungen ein internationaler Rollout zu einem Stichtag oder auch über einen längeren Zeitraum verteilt hat. Der Anbieter CIOview bezeichnet den RoI als ein Instrument, mit dessen Hilfe sich die Auswirkungen unterschiedlich gelagerter Entscheidungen nachvollziehen lassen.

Inditango verkauft seine Software auch an Unternehmen wie Citrix oder Sun Microsystems, damit diese ihren eigenen Kunden - explizit mit einem "neutralen" Tool von dritter Seite - die Rentabilität ihrer Lösungen vermitteln können. Die Toolbox des in Hamburg ansässigen RoI-Spezialisten basiert auf einem Referenzdatenmodell, das rund 6000 Kostenobjekte in Beziehung zu den vorhandenen Assets setzt. In einer Matrix können dann sämtliche Kostenmöglichkeiten mit Bezug zur IT abgebildet werden. Daraus lassen sich die Elemente für das jeweilige Teilgebiet, zum Beispiel ERP oder Server-based Computing, auswählen, so dass sich der individuelle Analyseaufwand auf die Erhebung der jeweiligen Unternehmensparameter beschränkt.

Glomark kann bereits einen deutschen Kunden präsentieren: Siemens Communications. "Wir haben uns nach einem Standardwerkzeug umgesehen, um die Antwortzeiten gegenüber unseren Kunden zu reduzieren", verrät Martin Kürzinger, Leiter Portfolio-Management für Mobile Networks bei Siemens Communications. "Es erleichtert die Arbeit beträchtlich, wenn alle Business Cases - unabhängig, um welches Produkt es sich handelt - über die gleiche Benutzeroberfläche abgewickelt werden können." Dazu erstelle Siemens Communications einen generischen Business Case, der weltweit übernommen und ohne großen Aufwand an die jeweils speziellen Anforderungen angepasst werden könne.

Transparenz schafft Vertrauen

Glomark-Chef Melendez ergänzt einen weiteren Aspekt: "In den meisten Excel-Berechnungen ist nicht auf einen Blick ersichtlich, wie die Ergebnisse berechnet wurden", sagt er; für seinen Kunden Siemens sei jedoch eines der Anschaffungsskriterien gewesen, dass Rechenformeln und Annahmen für jede Berechnung offen liegen sollten.

Dieses Vertrauen können die kostenlos im Web zirkulierenden RoI-Kalkulatoren den Anwendern offenbar nicht einflößen. Zum einen spucken sie auch dann ein positives Ergebnis aus, wenn die eingegebenen Daten völlig unrealistisch sind, so die Experten. Zum anderen handelt es sich hierbei auch um ein "Kulturthema", wie Inditango-Manager Redenius betont: Die Akzeptanz der deutschen Anwender sinke, wenn Transparenz und Nachvollziehbarkeit fehlten.

With a little help

Die meisten Kunden suchen in Sachen RoI-Betrachtung denn auch Hilfe beim Hersteller, so die Beobachtung von Glomark-CEO Melendez. Hierin bestätigt wird er von Christian Stöcklmayer, Director IT bei der SupplyOn AG: "Wir hatten auf den Vorschlag von SAP die Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit Gartner eine sehr detaillierte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung vorzunehmen", berichtet er. "Für uns war es interessant, dass unsere Annahmen bezüglich der Einsparungspotenziale in dieser Form quantifiziert wurden."

Für den 65 Mitarbeiter starken mittelständischen Anbieter von Internet-Services für die Automobilindustrie wurde in Zusammenarbeit mit Gartner Consulting ein - wohl auch für andere Interessenten aufschlussreicher - exemplarischer Business Case auf Basis des Gartner-eigenen TVO-Modells (Total Value of Opportunity) erstellt. Auf den Prüfstand kam der Einsatz der "Netweaver"-Plattform. Das Ergebnis für SupplyOn in harten Fakten: Der Einsparungswert bei den Betriebskosten (Total Cost of Ownership, kurz TCO) liegt bei 17 Prozent in den nächsten zehn Jahren, die Gesamtersparnis bei 11,5 Millionen Euro, der RoI bei 88 Prozent und die Amortisationszeit bei knapp über fünf Jahren.

Was darf die Berechnung kosten?

Eine so umfassende Wirtschaftlichkeitsanalyse würde sich für ein Unternehmen dieser Größe normalerweise nicht auszahlen. Darüber, wie viel eine solche Untersuchung kosten darf, gibt es allerdings unterschiedliche Meinungen. "Drei bis vier Prozent der Investitionskosten ist bereits zu teuer", konstatiert Gabriele Braun, zuständig für Value Engineering im Bereich Emea Central bei der SAP AG. Redenius hingegen hält drei bis fünf Prozent für einen vertretbaren Rahmen.

Die Frage nach Benchmark- und Vergleichszahlen wird laut SAP-Managerin Braun immer häufiger gestellt. Das bei SupplyOn praktizierte Verfahren ist allerdings eher die Ausnahme. Die Walldorfer nutzen eine eigene Methode, die die wirtschaftlichen und technologischen Leistungen ihrer Lösungen quantifiziert und sich von den Kunden als Entscheidungsgrundlage für Investitionen nutzen lässt. Betrachtet werden dabei strategische und prozessbezogene Kennzahlen sowie die damit verbundenen Kostensenkungspotenziale, aber auch die TCO mit den möglichen Einsparungen bei den IT-Kosten.

Entscheidend sind die Daten

Die Werkzeuge sind laut Braun allerdings nicht der ausschlaggebende Faktor. Die Aussagekraft der Ergebnisse hänge vielmehr davon ab, wie der Berater oder der Kunde damit umgehe: "Den meisten RoI-Tools liegen nur Grundrechenarten zugrunde - entscheidend ist, welche Daten einfließen." Bei zwei Kunden gleicher Größe und Branche gebe es unter Umständen ganz unterschiedliche Resultate.

Dass es nicht unbedingt eines Software-Tools bedarf, um aufschlussreiche Business Cases zu erstellen, zeigt das Beispiel des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport AG. Grundlage für sämtliche IT-Projekte ist die Projekt-Management-Methode Prince 2. Sie fußt auf einem anfänglich erstellten Business Case, Projekt- und Betriebskosten werden dem Nutzen gegenübergestellt. "Hinzu kommen Risiko-Erwägungen und eine Cashflow-Betrachtung, die den Nettobarwert liefert", erläutert Oliver Buhr, Senior-Projekt-Manager Informations- und Kommunikationsdienstleistungen bei Fraport. "Ohne Business Case, also eine klare Aussage, ob der Nutzen die Kosten überwiegt, gibt es kein Projekt."

Korsett und Overkill

Beim Tool-Einsatz ist Fraport eher zurückhaltend. Buhr begründet das damit, dass sich viele Projekte nicht in ein Softwarekorsett zwängen ließen. Außerdem sei der Tool-Einsatz bisweilen Overkill: "Für meine bisherigen Projekte gab es keine Notwendigkeit, eine noch differenziertere Bewertung vorzunehmen; die Berechnung im Excel-Spreadsheet reichte immer aus, um über die Rentabilität zu entscheiden."

Der Erfolg der Methode hängt laut Buhr allerdings von einer Voraussetzung ab: Die Business Cases dürfen nicht in die Schublade wandern, sondern müssen hergenommen werden, um regelmäßig die Projektrealität abzugleichen und im Problemfall gegensteuern zu können. (qua)