Anwender im Abseits

19.10.1984

Die Control Data Corp. (CDC) zieht sich aus dem Endbenutzer-Geschäft mit IBM-kompatiblen Peripheriegeräten zurück (CW Nr. 41 vom 5. Oktober 1984). Davon betroffen sind 3380-, 3370- und 3350-kompatible Plattenlaufwerke. Vieles deutet jetzt auch darauf hin, daß sich Memorex und Storage Technology, Weggefährten von CDC, in ernsthaften Schwierigkeiten befinden (Seite 1).

Der Grund ist in allen drei Fällen leicht auszumachen: Der ungezügelte Drang der IBM nach Marktbeherrschung auf sämtlichen DV-Gebieten - immer kürzere Produktlebenszyklen, enorme Aufwendungen für Forschung und Entwicklung sind Indizien dafür -schüchtert die Konkurrenten ein. Die Steckerkompatiblen sind ja systembedingt immer in der Rolle des Nachziehenden, müssen die Technologiesprünge des Marktführers mitmachen. Dazu fehlt es eben an Geld - und an Zeit.

Falls noch jemand ernsthaft geglaubt haben sollte, die IBM würde sich hie und da Selbstbeschränkungen auferlegen, etwa einmal auf einen Markt (und eine Mark) verzichten, so sieht er sich spätestens seit der Reagan-Entscheidung, die Antitrustklage gegen Big Blue fallenzulassen, eines Besseren belehrt: Der Rechnerriese tanzt auf allen Hochzeiten, legt eine Aggressivität an den Tag, die man bisher an Mother Blue nicht kannte. "Marketing total" ist denn auch das erklärte Ziel des designierten Opel-Nachfolgers John F. Akers.

Es lohnt nicht, die Schuldfrage zu stellen. Versuche, der IBM Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht nachzuweisen, hat es seit jeher schon gegeben. Control Data hatte sogar einmal Erfolg. Das war Ende der sechziger Jahre, als sich die IBM zur Abstinenz im Timesharing-Bereich verpflichten mußte. Ein Klacks für den Mainframe-Giganten, der bekanntlich auch ohne das Call-Geschäft immer fetter wurde.

Größe kann man der IBM nicht vorwerfen. Sie hat sich keiner unerlaubten Mittel bedient, wie sie immer wieder betont. Indirekt hat sie doch. Wenn die IBM-Benutzer-Vereinigungen ihren Lieferanten, so im Falle der EG-Anklage, nur ungern angekratzt sähen - und dies in einem offenen Brief an die Wettbewerbshüter auch kundtun - dann macht dies das Dilemma der Anwender deutlich (CW 29 vom 13. Juli 1984).

Daß ihnen mehrere Produkt-Alternativen, beispielsweise im Plattenbereich, genehm sein müssen, ist mehr als verständlich: Sie wären nicht von der IBM abhängig. Und doch reden sie der IBM das Wort: "Große" Datenverarbeitung scheint nur mit Unterstützung der "großen" IBM zu machen. Wenn das kein Eingeständnis von Abhängigkeit ist. Man kennt die Macht der IBM, einen unbequemen DV-Chef bei der Unternehmensleitung zu diskriminieren. Doch darüber spricht man nicht. Den Beamten der EG-Kommission fehlt wohl auch das Verständnis für derartig heikle Themen.

Von dem einzelnen Anwender kann freilich nicht verlangt werden, daß er die Kompatiblen finanziert. Sympathie für die Schwächeren: ja -Hintanstellen der eigenen Interessen: nein. Und darauf liefe es hinaus, wenn die Nicht-lBM-Anbieter auch ohne Produktvorteile gestützt würden

Diese Erkenntnis ist wahrlich nicht neu. Wenn freilich in einem innovativen Feld ein einzelnes Unternehmen die Macht hat, Quasi-Monopole zu bilden, dann sind die Gesetze des Marktes außer Kraft gesetzt, dann ist etwas faul im Staate Dänemark. Kurz: Es stinkt gewaltig. Bleibt zu hoffen, daß die Kartellbehörden, ob nun in der Bundesrepublik, in Brüssel oder in den USA, etwas unternehmen. Die Anwender können, wie gesagt, an einer ."Nulloption" nicht interessiert sein. Sie gerieten unweigerlich, weil auf IBM fixiert, ins Abseits.