IDC Forum 1997 zeigt Aufbruchstimmung für E-Commerce

Anwender haben keine Favoriten unter den Web-Anbietern

26.09.1997

Zirka elf Prozent entschieden sich für Microsoft - eine geringe Zahl, aber immer noch ein deutlicher Vertrauensvorschuß gegenüber anderen Anbietern. IBM folgt mit klarem Abstand (sechs Prozent) vor Netscape, Intel und Hewlett-Packard (jeweils zwischen zwei und drei Prozent).

Frank Gens, Senior Vice-President Internet Research bei IDC, wies auf starke regionale Schwankungen hin: So habe in Japan Fujitsu ein gewichtiges Wörtchen mitzureden, in den USA liege Microsoft mit 14 Prozent deutlich besser im Rennen als in Westeuropa (sieben Prozent). Viele Anwender wollen sich offenbar nicht festlegen, weil Start-up-Companies wie Netscape oder Yahoo bewiesen haben, daß es möglich ist, binnen kürzester Zeit eine führende Position im Internet-Markt einzunehmen.

Japan hat die meisten Homepages

Unerwartete Ergebnisse förderten auch die IDC-Untersuchungen über die Homepage-Aktivitäten von Unternehmen zutage. Wer glaubte, US-Companies präsentierten sich weltweit am häufigsten im Internet, wurde eines Besseren belehrt: Firmen aus dem asiatisch-pazifischen Raum (Japan nicht eingeschlossen) besitzen zu 52 Prozent eine Homepage oder eröffnen sie noch in diesem Jahr. Nur zirka 30 Prozent der japanischen und US-amerikanischen Firmen sind 1997 fit für den Internet-Auftritt, und lediglich 16 Prozent der Westeuropäer haben diesbezüglich mehr als nur Pläne vorzuweisen.

Andere Verhältnisse herrschen jedoch, wenn es darum geht, wie viele Unternehmen ihren Mitarbeitern Anschluß an ein Intranet bieten. In 23 Prozent der befragten US-Firmen ist das der Fall, während die Asiaten bisher nur zu neun Prozent, die Japaner zu sieben und die Westeuropäer zu sechs Prozent entsprechende Zugriffsmöglichkeiten eröffnen.

Die Pariser IDC-Veranstaltung war insgesamt geprägt von Marktaussagen und strategischen Erläuterungen zum Thema Internet. Zwar blieben hartnäckige Wortgefechte unter Herstellern, wie es sie in den vergangenen Jahren zwischen den PC- und NC-Befürwortern gegeben hatte, aus, doch die Marketing-Trommeln tönten wieder einmal mächtig. Ciscos Technologiechef Ed Kozel beschwor die schöne neue IP-Welt, in der das Netz mit Cisco-Hilfe zur "virtuellen IT-Ressource" mutiere und nicht mehr - wie im überwundenen Client-Server-Zeitalter legitim - als bloßes Stück Draht bezeichnet werden könne, das die Verbindung zwischen Server und Endgerät herstelle.

Der Abwesenheit so eloquenter Persönlichkeiten wie Oracle-Boß Larry Ellison oder Sun-Chef Scott McNealy war es wohl zu verdanken, daß sich Compaqs Europa-Chef Andreas Barth weit aus dem Fenster lehnte und über angebliche Mängel der konkurrierenden Network Computer (NCs) herzog. Vom leistungsschwachen, Windows-untauglichen NC war die Rede - Zufall oder nicht, Barth nannte synonym stets die "Javastation" von Sun. Der Wintel-Gemeinde verhieß er das goldene Net-PC-Zeitalter, in dem das Problem der Total Cost of Ownership (TCO) in den Griff zu bekommen sei. Daß sich Anbieter wie IBM und HP längst von der "Marketing-Initiative" Net-PC distanziert haben, verschwieg Barth wohlweislich.

Web als Computing-Plattform der Zukunft

Robert Palmer, Chairman und CEO von Digital Equipment, identifizierte das World Wide Web als die Computing-Plattform der Zukunft. Auf Basis des Webs würden künftig auch die wichtigsten Mission-critical-Anwendungen entwickelt. Das Schreiben, Implementieren und Verteilen von Programmen im Unternehmen werde durch Web-Technologien wie Browser, Java und Standardprotokolle einfacher.

Intern setzt Digital vor allem auf ein Extranet, den Web-basierten "Business Link", über den rund 40 000 Kunden und Partner in 87 Ländern Preislisten, Konfigurations- und Bestellmöglichkeiten erhalten. Palmer behauptet, bereits im ersten Jahr habe man Einsparungen von 15 Millionen Dollar erzielt. Allerdings warnte er davor, den organisatorischen Aufwand und die Folgen einer solchen Restrukturierung zu unterschätzen.

Der Marktplatz Internet, so zeigten auch weitere Vorträge von SNI-Chef Gerhard Schulmeyer oder IBMs General Manager Irving Wladawsky-Berger, ist eröffnet - und vom großen Kuchen können alle satt werden. Hatten 1996 noch sechs Millionen westeuropäische User einen Web-Zugang, so sollen es im Jahr 2001 rund 32 Millionen sein. Robert Masiero, President von IDC Europe, erwartet in Westeuropa im Jahr 2001 für den Internet-Commerce-Sektor ein Geschäftsvolumen von 26 Milliarden Dollar. 1996 waren es gerademal 350 Millionen Dollar.