Anwender geben Beispiele fuer Notes-Applikationen Groupware-Einsatz bringt mehr Transparenz und Kundenbezug

01.12.1995

CW-Bericht, Karin Quack

HANNOVER - Groessere Naehe zu den eigenen Mitarbeitern und den Kunden durch funktionsuebergreifende Geschaeftsprozesse - in dieses Schema passen die meisten Gruende fuer die Einfuehrung des Groupware- Produkts "Lotus Notes". Belege dafuer lieferte die Tagung der Deutschen Notes User Group (DNUG), zu der sich kuerzlich 150 Notes- Interessierte in Hannover zusammenfanden.

Das Reizthema der Veranstaltung war die neue Notes-Version 4.0, die spaetestens im Maerz kommenden Jahres fuer alle angekuendigten Betriebssysteme lieferbar sein soll. Den Schwerpunkt bildeten jedoch die Berichte aus der Praxis der Anwenderunternehmen. Sie machten deutlich, dass die Entscheidung fuer den Groupware-Einsatz zumeist ein Plus an Transparenz und Kundennaehe mit sich bringt.

Die Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main, sammelte ihre ersten Notes-Erfahrungen mit einer Loesung fuer Bankauskuenfte, die sie auch vermarkten will. In einem zweiten Projekt entwickelte der von Alois Kernwein geleitete Bereich Anwenderbetreuung ein Notes- basiertes Service- und Qualitaets-Management-System. Es ist bereits seit 15 Monaten im Einsatz. Als Rohmaterial fuer diese massgeschneiderte Anwendung nutzte die Deutsche Bank eine Notes- Applikation der Gedys Software Consulting GmbH, Braunschweig.

Rund 20 000 PCs stehen in der Zentrale und den knapp 2500 Niederlassungen des Finanzdienstleisters. Hinzu kommen noch einmal soviel 3270-Terminals, die demnaechst ebenfalls durch Mikrocomputer ersetzt werden sollen. Fuer die Betreuung dieser Maschinen beziehungsweise ihrer Benutzer stehen 18 geografisch verteilte Supportzentren bereit. Ein Notes-Netz verbindet diese Dependancen mit der Informatikzentrale in Eschborn.

Frueher wurden die Fehlermeldungen der PC-Benutzer auch bei der Deutschen Bank telefonisch an den User-Support gemeldet. Der Betreuer hielt schriftlich fest, wo den User der Schuh drueckte, und sorgte bei Gelegenheit fuer Abhilfe. Dabei blieb es nicht aus, so Kernwein, dass die Aufzeichnungen ab und an verlorengingen und der Mangel unbehoben blieb. Die Folge waren frustrierte und unproduktive Mitarbeiter. Heute haben die Benutzer die Moeglichkeit, Fehlfunktionen in ein elektronisches Formular einzutragen und via E-Mail direkt an den User-Support weiterzuleiten - auch wenn erst die Haelfte der Mitarbeiter davon Gebrauch macht.

Die Betreuer hoffen, ueber ihre Feuerwehrfunktion hinaus kuenftig auch praeventiv eingreifen zu koennen. Indem sie Daten ueber Art und Haeufigkeit der Fehler auswerten, wollen sie die Schwachstellen von Hard- und Software analysieren beziehungsweise herausfinden, welche Bedienfehler eine zusaetzliche Anwenderschulung erfordern. Da Notes keine handlichen Werkzeuge fuer derartige Reports bietet, kommen dabei die Microsoft-Produkte "Excel" und "Powerpoint" zum Einsatz. Mit den gesammelten Eintraegen ueber die Fehler und deren Behebungsmoeglichkeiten laesst sich ueberdies eine Know-how-Datenbank erstellen und pflegen, die den Supportmitarbeitern als Ad-hoc- Informationsmedium zur Verfuegung steht.

Das juengste Notes-Vorhaben der Deutschen Bank hat zum Ziel, die gesamte Buerokommunikation umzukrempeln. Wie Reinhard Kreft, Abteilungsdirektor Small Systems, erlaeuterte, sind im Unternehmensverbund derzeit mindestens fuenf unterschiedliche Buerokommunikationssysteme im Einsatz: IBMs "Profs", Banyans "Vines", "cc:Mail" von Lotus, "MS-Mail" von Microsoft und "Wang Office". Da Notes auf unterschiedlichen Betriebssystemen ablaufen kann, soll das Lotus-Produkt die Applikationsvielfalt ersetzen, ohne aber die heterogene Systemwelt zu vereinheitlichen (vgl. CW Nr. 32 vom 11. August 1995, Seite 1: "Fuer Deutsche Bank wird Notes zum Buerostandard").

Neben diesen unmittelbar evidenten Gruenden fuer die Notes- Entscheidung wies Kreft auch auf die strategische Bedeutung des Groupware-Einsatzes hin: "Wir haben nicht verglichen, was Notes im Unterschied zu Office kostet, sondern gefragt, ob die Bank ohne ein solches Informationsverteilungs-System auskommen kann, wenn sie mehr Kundennaehe will." Mit den vorhandenen Werkzeugen sei eine ganzheitliche Bearbeitung von Prozessen nicht moeglich gewesen.

Alle Informationen auf einen Blick

Auch die Nissan Motor Deutschland GmbH, Neuss, setzt Notes ein, um ihre Kunden besser unterstuetzen zu koennen. Gemeinsam mit dem Leverkusener Beratungsunternehmen Kasten Consulting hat die deutsche Niederlassung des japanischen Fahrzeugherstellers ihr Groupware-orientiertes "Nissan Customer Care System" (NCCS) auf die Beine gestellt.

"Wir wollen Kundenbeziehungen pflegen, nicht nur Briefe beantworten", beschrieb Bodo Vollmeier, Leiter des Customer-Care- Bereichs, sein Selbstverstaendnis. Trotzdem dient die Abteilung zunaechst einmal als Auffangbecken fuer Hilferufe und Beschwerden der Nissan-Kunden. Allein ueber die 24-Stunden-Hotline treffen, so Vollmeier, jaehrlich etwa 4000 Notrufe dort ein. Insgesamt seien im vergangenen Jahr rund 10000 Briefe und mehr als 30000 Anrufe eingegangen.

Bis vor kurzem mussten sich die Sachbearbeiter fuer jeden Fall die Informationen ueber Kunden, Fahrzeuge, Garantieabwicklung etc. aus unterschiedlichen Programmen zusammenklauben. Seit dem vergangenen September koennen die Mitarbeiter alle fuer den jeweiligen Vorgang relevanten Daten auf einem einzigen Blatt ueberblicken. Das Notes- basierte NCCS versetzt sie in die Lage, jeden Kundenbrief von ihren Arbeitsplaetzen aus zu beantworten. Wie Vollmeier berichtet, hat sich der Umfang der zu diktierenden Schriftstuecke seither fast um ein Drittel verringert.

Fuer die nahe Zukunft sei geplant, jedes eingegangene Schreiben einzuscannen und die darin enthaltenen Informationen statistisch aufzubereiten. So lasse sich beispielsweise nachweisen, welcher Haendler "eventuell ein bisschen was aendern muss".

Dem fuer die Realisierung des NCCS verantwortlichen Beratungsunternehmen hatte Nissan ein paar harte Nuesse zu knacken gegeben. Zu den Anforderungen zaehlten ein integrierter Editor mit "Wordperfect"-analogen Eigenschaften sowie Datenzugriff und - aufbereitung via 3270-Terminal. Ein Workflow-Mechanismus und Fax- Gateway waren die eher alltaeglichen Wuensche. Die Entwicklungszeit betrug rund vier Monate.

Neuer Vorsitzender

Nicht nur der neue Lotus-CEO Michael Zisman hatte in Hannover seinen ersten Auftritt vor den deutschen Kunden. Auch der neue DNUG-Vorsitzende stellte sich dort vor: Es ist Martin Herzog, der im Hauptberuf fuer das Informations-Management der deutschen Compaq-Niederlassung sorgt. Er ersetzt den ins Novell-Lager gewechselten Christian Christof, teilt sich die organisatorischen Aufgaben jedoch mit dem an der Fachhochschule Jena lehrenden Wirtschaftsinformatiker Wolfgang Finke.

Vorschlaege fuer Arbeitsgruppen

In der auf 117 Mitglieder angewachsenen DNUG tummeln sich mittlerweile Unternehmen unterschiedlichster Groesse und Ausrichtung. Um die Interessen zu kanalisieren, sollen demnaechst einige Arbeitsgruppen eingerichtet werden. Fuer moegliche Themen gibt es bereits eine Handvoll Vorschlaege:

- Anwendungsentwicklung und Standards,

- System-Management und Deployment-Planung,

- die von Lotus Consulting propagierte "Accelerated Value Method" beziehungsweise ihre Alternativen,

- Business-Partner und

- Hochschulen.

Aus dem Plenum kam die mit breiter Zustimmung bedachte Anregung, das Thema API aus der Gruppe fuer Anwendungsentwicklung herauszunehmen. Weitere Vorschlaege aus den Reihen der Mitglieder sind willkommen.