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Anwender favorisieren Data Warehouses ihrer ERP-Anbieter

05.02.2001
Unternehmen nutzen zunehmend Daten aus ihrem ERP-System als wichtigste Quelle für ihr Management-Informationssystem. Auffällig ist dabei, dass die Mehrheit der Anwender auf die Lösungen der ERP-Hersteller und Eigenentwicklungen setzt.

Von CW-Redakteur Robert Gammel

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Unternehmen nutzen einer Studie der Meta Group zufolge zunehmend Daten aus ihrem ERP-System als wichtigste Quelle für ihr Management-Informationssystem. Auffällig ist dabei, dass die Mehrheit der Anwender auf die Lösungen der ERP-Hersteller und Eigenentwicklungen setzt, statt die technisch ausgereifteren Systeme von spezialisierten Drittanbietern zu nutzen.

Während Anwender in der Vergangenheit ihre ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning) in erster Linie nutzten, um ihre internen Geschäftsprozesse effizienter zu gestalten, erkennen sie zunehmend deren Wert als strategische Informationsquelle. Insbesondere die Verknüpfung mit Front-Office-Anwendungen, beispielsweise Customer Relationship Management (CRM) und Supply Chain Management (SCM), erhöhen den Bedarf an unternehmensweiten Informations-Management- und Analyselösungen.

Die von der Meta Group vorgestellte Studie "Major Warehouse Issues for ERP Systems" bestätigt diesen Trend: 89 Prozent der befragten Firmen gaben an, ihr ERP-System mit einem Data Warehouse (DW) zu integrieren, um dadurch einen durchgängigen Blick auf Daten und das Unternehmen insgesamt zu erhalten. Fast ebenso viele wollen damit die Leistungsfähigkeit ihres Managements erhöhen (82 Prozent). An dritter Stelle - noch vor der Zusammenführung unterschiedlicher Datenquellen - wurde die bessere Darstellbarkeit von Geschäftsprozessen genannt.

An der Web-Umfrage der Meta Group nahmen

1200 Unternehmen teil. Die Autoren der Untersuchung verwenden meist den Sammelbegriff Data Warehouse (DW), außer sie gehen explizit auf bestimmte Funktionen wie die Datenextraktion und -aufbereitung oder Analyse-Tools ein. 600 der befragten Firmen machten Angaben zum Fortschritt ihrer DW/ERP-Integration: Während 81 Prozent der Anwender noch in der Evaluierungs-, Planungs- oder Implementierungsphase stecken, gaben nur sieben Prozent an, die Integration bereits abgeschlossen zu haben. Diese Zahlen variieren jedoch stark nach Branchen. Die IT-Industrie liegt erwartungsgemäß mit 26,7 Prozent weit in Führung, wogegen im Gesundheitsbereich kein einziges Unternehmen sein Projekt zum Zeitpunkt der Umfrage abgeschlossen hatte.

Zentralismus zahlt sich aus

Die abgeschlossenen Projekte haben durchschnittlich 1,4 Jahre gedauert, die derzeit noch nicht beendeten ERP/DW-Integrationen laufen im Mittel seit rund zehn Monaten. Die meisten Unternehmen wenden dafür rund fünf Prozent ihres IT-Budgets auf; nur fünf Prozent der befragten Anwender geben mehr als 30 Prozent dieser Mittel aus. Dabei wirkt sich die Systemarchitektur auf die Ausgaben aus. Bei Firmen mit einer zentralisierten IT-Struktur belaufen sich die Kosten auf rund 6,5 Millionen Dollar. Unternehmen mit einer hybriden IT-Architektur haben bei durchschnittlich etwas größeren IT-Budgets mit 7,4 Millionen Dollar auch etwas höhere Ausgaben für die DW/ERP-Integration. Mit Abstand die höchsten Beträge fallen bei Firmen mit abteilungsspezifischen Lösungen an: Obwohl diese Unternehmen deutlich geringere Gesamt-IT-Ausgaben aufweisen, sind dort die DW/ERP-Projekte mit 12,6 Millionen Dollar im Mittel am teuersten.

Die Meta-Studie ergab auch signifikante Kostenunterschiede zwischen den eingesetzten ERP-Systemen. So liegen beispielsweise bei SSA-Anwendern die Ausgaben bei 300.000 Dollar für DW-Produkte und 2,8 Millionen Dollar für DW-Services. Diese im Vergleich zu anderen ERP-Systemen niedrigen Kosten verschlingen allerdings rund 20 Prozent des gesamten IT-Budgets der meist mittelständischen Unternehmen. SAP-Anwender müssen prozentual ebenfalls tief in die Tasche greifen, obwohl die Software der Walldorfer hauptsächlich in Firmen mit hohem IT-Budget läuft. Ähnlich ist die Situation bei Oracle-Anwendern, obwohl die Meta-Analysten hier deutlichere Unterschiede zu SAP erwartet hatten. Zugrunde lag die Überlegung, dass SAPs komplexe Three-Tier Architektur schwerer in den Griff zu bekommen sei als der datenbankzentrierte Ansatz von Oracle.

Große Unterschiede zeigen sich auch im personellen Aufwand für die DW/ERP-Integration. Fast die Hälfte der befragten Unternehmen gab an, dafür zwei bis fünf Mitarbeiter einzusetzen. Baan- und SSA-Anwender kommen im Schnitt mit zwei Mitarbeitern aus, während Oracle-, SAP- und J.D.Edwards-Nutzer Teams mit acht bis zehn Personen benötigen.

One Stop Shopping geht vor Funktionalität

Breiten Raum widmet die Studie der Frage, welche DW-Anbieter von den Anwendern bevorzugt werden. Zusammenfassend kommen die Marktforscher zu dem Ergebnis, dass sich die DW-Angebote der ERP-Hersteller größerer Beliebtheit erfreuen als die technisch ausgereifteren und umfassenderen Lösungen von spezialisierten Drittanbietern. Viele Anwender scheinen den begrenzten Funktionsumfang der DW-Applikationen ihres ERP-Lieferanten in Kauf zu nehmen, da sie auf kürzere Implementierungszeiten hoffen - was die Studie nur in Teilbereichen bestätigt - und vermeiden wollen, auf einen zusätzlichen Hersteller und dessen Dienste angewiesen zu sein.

Überraschend ist dieses Fazit dennoch, weil der in DWs bearbeitete Datenbestand im Schnitt nur zu 38 Prozent aus dem ERP-System stammt. Gerade bei der Zusammenführung mehrerer Datenquellen ist jedoch das Know-how von Drittanbietern dem der ERP-Hersteller überlegen, so Sam Clark, einer der Meta-Autoren. Die genauere Betrachtung zeigt, dass bei Anwendern, die DW-Software von ihrem ERP-Hersteller bevorzugen, der Anteil von ERP-Daten im Data Warehouse durchschnittlich 54,5 Prozent beträgt. In Unternehmen, die Lösungen von Drittanbietern favorisieren, liegt dieser Wert dagegen bei 44,4 Prozent. Am geringsten ist dieser Prozentsatz (29 Prozent) bei Firmen, die ihre DW-Lösung selbst entwickelt haben.

Überraschend viele Eigenentwicklungen

Ohnehin waren die Marktforscher vom hohen Anteil an DW-Eigenentwicklungen am meisten überrascht, insbesondere weil diese Projekte wesentlich länger dauern. Etwas ratlos konstatiert die Studie, es sei den DW-Herstellern nicht ausreichend gelungen, die Unternehmen von den Vorteilen ihrer Lösungen zu überzeugen.

Einzig im Bereich Reporting- und Analyseapplikationen verzeichnen die auf DW spezialisierten Softwareanbieter einen höheren Marktanteil als die ERP-Konkurrenz. Besonders Unternehmen mit komplexen, heterogenen Systemen profitieren von der Best-of-Breed-Erfahrung der Spezialisten. Im Anhang der Studie unterscheidet Sam Clark vier verschiedene Typen von Analyse-Tools, je nachdem, ob Kunden, Zulieferer, die Organisation oder die Ressourcen des Unternehmens bewertet werden sollen. Demnach haben Oracle, SAP und Peoplesoft in den beiden zuletzt genannten Bereichen vernünftige Lösungen, wogegen bei der Kundenanalyse große Löcher im Angebot klaffen. Hier seien die Applikationen von Epiphany, Broadbase und SAS Institute führend. Auch bei der Analyse von Zulieferern können Clark zufolge die großen ERP-Hersteller nicht mit Firmen wie i2 Technologies/Aspect und SAS mithalten. Die Meta Group geht davon aus, dass sich die Zahl der Partnerschaften von Drittanbietern mit ERP-Herstellern künftig weiter erhöhen wird.

Insgesamt liegen im Bereich Reporting und Analyse Client-Server-basierte Ansätze mit 54,8 Prozent noch deutlich vor Web-basierten Systemen mit einem Anteil von 45,3 Prozent. Die Marktforscher gehen jedoch davon aus, dass mit Fortschritten der Internet-Technologie wie beispielsweise bei Sicherheitsaspekten oder der Extensible Markup Language (XML) insbesondere in größeren Unternehmen Thin-Client-Technologien auf Web-Basis weiter zulegen werden.

Unter den für Data Warehousing genutzten Betriebssystemen nimmt Unix mit 55 Prozent aufgrund seiner Skalierbarkeit den absoluten Spitzenplatz ein, gefolgt von Windows NT mit 23,2 Prozent. IBMs Plattformen für Mainframe-Umgebungen sowie AS/400 erreichen beide einen Marktanteil von fünf Prozent.

DW-BAUSTEINE

Der von der Meta Group benutzte Oberbegriff Data Warehousing umfasst im Einzelnen folgende Anwendungsarten:

ETLM-Tools (ETLM = Extract, Transform, Load, Manage): Lösungen, die ERP-Daten aus Datenbanken auslesen, nach den Schemata des Data Warehouse umwandeln und sie dort ablegen.

Data Warehouses (DWs) und Data Marts (DM): Auf diesen Systemen werden die Daten in einer aufbereiteten Form für Informations- und Analysezwecke vorgehalten. Während ein DW meist Daten aus verschiedenen Quellen und Geschäftsbereichen zur Verfügung stellt, umfasst ein DM entweder subjektspezifische oder Abteilungsinformationen.

Operationale Berichtssysteme: Derartige Lösungen arbeiten ohne Data Warehouse und greifen direkt auf die Daten des operationalen Systems zu. Sie verfügen meist über beschränkte Analysemöglichkeiten.

DW-basierte Reporting- und Analyseapplikationen: Sie dienen dem Zugang, der Betrachtung sowie der Analyse und Weiterverarbeitung der in DWs oder DMs gesammelten Informationen.