Anwender bleiben Windows 2000 treu

19.07.2005
Während Microsoft bereits mit Hochdruck an der nächsten Betriebssystem-Version "Longhorn" arbeitet, denken viele Anwender nicht daran, sich von älteren Varianten wie Windows 2000 zu verabschieden.

Microsoft hat ein Problem mit Windows 2000: Das System funktioniert zu gut", urteilt Steve O?Halloran, Managing Director von Assetmetrix, einem im kanadischen Ottawa beheimateten Marktforschungsinstitut. Microsoft tue sich schwer, Unternehmenskunden zum Umstieg auf seine aktuelle Betriebssystem-Version Windows XP zu bewegen, lautet das Fazit der jüngsten Studie. Basis sind Befragungen von über 200 Unternehmen mit insgesamt mehr als 150 000 Windows-Rechnern.

Demnach liefen im ersten Quartal 2005 rund 48 Prozent aller Firmen-PCs unter Windows 2000. Das bedeutet zwar einen Rückgang um vier Prozentpunkte gegenüber dem vierten Quartal 2003. Dennoch liegt das System noch deutlich vor seinem Nachfolger Windows XP, das in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres auf zirka 38 Prozent kam. Zwar hat der jüngste Spross aus Microsofts Betriebssystem-Familie damit seit den 6,6 Prozent von Ende 2003 kräftig zugelegt. Den Zuwachs verdankt Windows XP jedoch in erster Linie der Ablösung von älteren Windows-95-, -98- und -NT-Systemen.

Die Windows-2000-Klientel sei wesentlich zäher. Viele Kunden lösen O?Halloran zufolge Software, die sie für teures Geld eingekauft hätten und die nach wie vor gut funktioniere, nur zögerlich ab. Zahlreiche Anwender hätten ihre gesamte Systemlandschaft auf das Betriebssystem abgestimmt: "Microsoft ist in Sachen Windows 2000 ein Opfer seines eigenen Erfolgs."

Gartner-Analyst Brian Gammage bestätigt, dass noch eine Menge Windows-2000-Systeme im Einsatz seien. Jedoch hole Windows XP auf. Laut Gartner kam Windows 2000 Ende vergangenen Jahres im professionellen Segment weltweit auf einen Anteil von 42 Prozent aller installierten Rechner. Windows XP erreichte 21,8 Prozent. Bis Ende 2005 würden sich Gammage zufolge die Verhältnisse umkehren. Dann käme Windows 2000 auf 34,6 Prozent, Windows XP werde mit 37,8 Prozent dagegen die Führung übernehmen und im folgenden Jahr auf 50,9 Prozent weiter ausbauen.

Kein Geld für den Umstieg

Allerdings vollzieht sich der Wechsel auf Windows XP zögerlicher als ursprünglich erwartet. Laut einer Umfrage unter 184 US-amerikanischen Gartner-Klienten im Oktober 2003 planten 47,9 Prozent die Einführung von Windows XP im Laufe des Jahres 2004. Eine Bestandsaufnahme im Oktober des vergangenen Jahres ergab jedoch, dass lediglich 25,1 Prozent der befragten Unternehmen dieses Vorhaben auch umgesetzt hatten. Vor allem Kürzungen der Budgets hätten die Migrationspläne behindert, gaben die IT-Verantwortlichen zu Protokoll.

"Ein Trend zum Wechsel ist derzeit nicht zu spüren", bestätigt Michael Kuhn, Migrations-experte des Dienstleisters Getronics. Aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Situation und des schon seit Jahren anhaltenden Drucks auf die IT-Budgets sei die Innovationsbereitschaft am deutschen Markt eingefroren. Dazu komme, dass sich der Nutzen eines Plattformwechsels nur schwer quantifizieren lasse. Das liege sicher auch daran, dass Anwender in der Vergangenheit nicht immer die besten Erfahrungen bei der Umstellung ihrer Betriebssysteme gemacht haben.

"Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht", warnt Kuhn jedoch die Anwender. Zwar sei Windows 2000 grundsätzlich ein stabiles System, das als Plattform für eine Office-Suite und ein SAP-GUI im Grunde ausreiche. Wenn es aber um Fragen nach aktivem Patch-Management, Lizenzverwaltung, Softwareverteilung und das Organisieren von Updates gehe, biete Windows XP Vorteile. Mit dem damit verbundenen Einsparpotenzial ließe sich eine Umstellung der Systeme zumindest teilweise finanzieren, verspricht der Experte.

Das vermag Ralf Bäuerle, IT-Leiter der Bauknecht Hausgeräte GmbH, nicht für einen Umstieg zu begeistern. Windows 2000 sei in allen internationalen Niederlassungen als Desktop-Plattform im Einsatz, berichtet er. Es gebe keine Pläne, auf Windows XP zu wechseln. Zwar biete die neue Betriebssystem-Version mehr Funktionen und sei auch sicherer. Doch auch Windows 2000 lasse sich mit Hilfe anderer Infrastrukturmaßnahmen gefahrlos betreiben. "In technischer Hinsicht ist ein Update auf XP nicht notwendig", lautet das Fazit des IT-Leiters.

Damit steht Microsoft zum wiederholten Male in seiner Unternehmensgeschichte vor dem Problem, seine Klientel vom Umstieg auf eine neue Betriebssystem-Version überzeugen zu müssen. Anfang vergangenen Jahres sah sich der Konzern beispielsweise gezwungen, angesichts des wachsenden Drucks von Seiten der Anwender den erweiterten Support für Windows 98 bis Ende 2006 zu verlängern.

Die nächste Ausführung, die Microsoft derzeit unter dem Codenamen Longhorn entwickelt, macht die Sache für den Softwarekonzern nicht einfacher. Ende des Monats soll die erste Betaversion des Systems an ausgewählte Testkunden vergeben werden. Die Marktreife von Longhorn erwarten Experten allgemein für Ende nächsten Jahres. Mit der neuen Windows-Version wird der Spagat, den Microsoft zwischen den verschiedenen Spielarten seiner Betriebssysteme leisten muss, noch größer. Nicht immer macht der weltgrößte Softwareanbieter bei diesen Verrenkungen eine glückliche Figur.

Microsoft enttäuscht Kunden

So hatte Microsoft in der Vergangenheit sehr optimistische Verfügbarkeitspläne für Longhorn bekannt gegeben, diese aber in der Folge immer wieder revidieren müssen. Viele Unternehmen, die ihre Migrationspläne auf einen direkten Umstieg von Windows 2000 auf Longhorn ausgerichtet hatten, habe Microsoft durch die ständigen Verzögerungen enttäuscht, schildert Gartner-Analyst Gammage.

Derzeit wartet niemand auf Longhorn, ergänzen die Vertreter der Deutschen NT-Anwendergruppe. Die entscheidenden, wirklich interessanten Features wie beispielsweise das neue File-System "WinFS" habe Microsoft erst einmal verschoben. Veränderungen spielten sich hauptsächlich an der Oberfläche ab. In der darunter liegenden Technik werde es zunächst nichts aufregend Neues geben. Demnach dürfte ein Übergang von Windows 2000 auf Longhorn als Minor Release einfach zu bewerkstelligen sein und nicht komplizierter als der Schritt von Windows XP auf Longhorn ausfallen.

Gerade in dieser vermeintlichen Einfachheit sieht indes Gartner-Mann Gammage die eigentliche Gefahr. So sei noch nicht absehbar, wann grundlegende neue Features wie das File-System und die überarbeitete Sicherheitsarchitektur verfügbar sein werden. Das Risiko für Unternehmen, die sich frühzeitig in Richtung Longhorn orientierten - nach Einschätzung des Gartner-Analysten vor allem Windows-2000-Anwender - bestehe darin, dass sie auf eine vorläufige Version umstiegen und sich dann in einem mehrjährigen Migrationsprozess wiederfinden könnten.