Sparsamkeit herrscht weiter vor

Anwender begegnen IT zunehmend misstrauisch

23.05.2003
MÜNCHEN (CW) - Einer jüngsten Studie zufolge verhindert neben der allgemeinen Wirtschaftsflaute vor allem das gesunkene Vertrauen vieler Anwender in die Leistungsfähigkeit der IT einen Aufschwung der Branche. Forrester hat festgestellt, dass rund ein Drittel der Anwenderunternehmen mit ihrer IT-Abteilung unzufrieden sind.

Die gute Nachricht zuerst: Laut Michael Kelly, CEO des Marktforschungsunternehmens Techtel, hat die IT-Branche das besonders problematische letzte Quartal weitgehend intakt überstanden. "Wirtschaftlich und politisch sind wir durch einen ausgewachsenen Sturm gegangen, den die IT-Industrie mit bemerkenswert geringen Schäden verkraftet." Der von den Analysten durch die Befragung von mehr als 800 amerikanischen Unternehmen ermittelte Demand-Index lässt eine Zunahme der Bereitschaft, hochwertige Geschäfts-IT-Güter anzuschaffen, um rund elf Prozent erwarten. Dem steht eine Abnahme von neun Prozent bei Lowend-Komponenten wie PCs und Notebooks gegenüber.

Eine generelle Erholung des Business-IT-Sektors sei nicht absehbar, so Kelly. Der von den Marktforschern ebenfalls erhobene "Consideration Index", ein Barometer für die längerfristige Investitionsbereitschaft der Anwender, lasse ein signifikantes Beschaffungswachstum vorerst nicht erkennen.

Dies begründet Kelly mit der nachlassenden Zuversicht, IT-Käufe könnten sich lohnen: "Das Sündenregister der IT-Branche ist sehr umfangreich und holt die Anbieter heute ein. Zu viele Systeme haben keine Probleme gelöst, zahllose Investitionen haben sich nie ausgezahlt, und viele Versprechen blieben unerfüllt." Erst wenn die IT-Industrie mit realistischen Angeboten Vertrauen zurückgewinne, nähme die Investitionsbereitschaft der Anwender wieder zu.

Unabhängig von der Techtel-Studie stößt Paul Strassmann, in den 90er Jahren im US-Verteidigungsministerium für die Informationssysteme verantwortlich und heute Chef eines nach ihm benannten Beratungsunternehmens, in das gleiche Horn und prognostiziert das Ende herkömmlicher Enterprise-Resource-Planning-(ERP-)Software. Seit den frühen 90er Jahren hätten deren Anbieter versprochen, Unternehmen könnten durch die Einführung von hochintegrierten ERP-Systemen Kosten reduzieren und die Produktivität steigern. Die Automatisierung möglichst vieler Geschäftsprozesse gelinge am besten mit dem Einsatz einer allumfassenden Architektur, die optimalerweise von einem einzigen Hersteller bezogen werden solle.

Die Alternative, also die Nutzung vieler verschiedener Systeme, sei aufgrund erforderlicher Middleware-Tools und zeitaufwändiger Integrationsprojekte als unpraktikabel verspottet worden, so Strassmann weiter. In der Praxis seien ERP-Systeme jedoch meist ziemlich hart mit den Realitäten in den Unternehmen kollidiert. Die Ablösung der Altsysteme habe häufig horrende Summen verschlungen und die Endanwender traumatisiert. Mit weniger Aufwand hätte man stattdessen die Legacy-Systeme modernisieren und integrieren können. In der Folge seien die wenigsten ERP-Systeme so eingeführt worden wie anfänglich geplant. Nicht eingehaltene Zeitpläne, überstrapazierte Budgets und Anwenderrevolten hätten viele Unternehmen gezwungen, zusätzliche Lösungen von kleineren Anbietern zu kaufen.

Wirkliche Abhilfe aus diesem Dilemma erwartet Strassmann erst durch die Nutzung von Web-Services, die es Unternehmen erlaubten, für Best-of-Breed-Konzepte Komponenten kleinerer Anbieter zu innovativen Lösungen zu bündeln.

Ob diese Technik helfen wird, die Anwenderunternehmen mit ihren IT-Abteilungen auszusöhnen, bleibt abzuwarten. Mit deren Leistungen ist einer Forrester-Erhebung zufolge rund ein Drittel von insgesamt 437 befragten Firmen unzufrieden. Laut Forrester-Analystin Meredith Child kämpften in dieser Gruppe häufiger Fach- und IT-Abteilungen um die Entscheidungshoheit, neue Techniken wie Content- oder Supply-Chain-Management würden nur zögerlich aufgenommen und ein beträchtlicher Teil der IT-Projekte scheitere.

John Parkinson, Cheftechnologe bei Cap Gemini Ernst & Young, hält die Ergebnisse von Forrester für wenig überaschend. Probleme bei der Ausrichtung von IT-Lösungen an den Geschäftserfordernissen der Unternehmen beständen schon seit 25 Jahren. Die Abbildung von Prozessen durch Software behindere schlichtweg deren schnelle Anpassung an neue Gegebenheiten, Konflikte zwischen IT und Management seien dadurch programmiert. Abhilfe ließe sich unter anderem durch eine verbesserte Kommunikation der Beteiligten schaffen. Als Vorreiter sieht Parkinson Branchen mit geringen Gewinnmargen, weil diese bereits im Vorfeld ihre IT-Investitionen besser planten. (rg)