Anteile verkaufen oder neue Aktien emittieren Beobachter uneins ueber kuenftige Besitzverhaeltnisse bei Taligent

20.08.1993

CUPERTINO (CW) - Die Apple Corp. soll sowohl Sun Microsystems als auch Hewlett-Packard Anteile des 1991 mit der IBM gegruendeten Software-Joint-ventures Taligent angeboten haben, berichtet das amerikanische Wirtschaftsmagazin "Business-Week". Laut "Computerworld" geht es hingegen nicht um den Verkauf von Taligent-Anteilen, sondern um die Emission neuer Aktien, um so die finanzielle Basis fuer die Entwicklung eines objektorientierten Betriebssystems zu verbreitern.

Beobachter glauben Anzeichen dafuer erkannt zu haben, dass das objektorientierte Taligent-Betriebssystem nicht wie geplant bis 1996 fertiggestellt werden kann. Ausserdem unterstellen sie dem Management des Mac-Herstellers ein sinkendes Interesse an dem urspruenglich unter dem Codenamen "Pink" laufenden Vorhaben.

"Apple will mindestens die Haelfte seiner Taligent-Aktien verkaufen", zitiert "Business Week" Apple-Mitbegruender Steven Jobs, dessen heutige Firma Next mit Nextstep das erste objektorientierte Betriebssystem auf den Markt gebracht hat. Auch Analysten und Wettbewerber bestaetigen, dass Apple sein Taligent- Engagement reduzieren will. Die Gruende dafuer liegen Insidern zufolge zum einen in den finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens und zum anderen in der nachlassenden Bedeutung, die dem Projekt intern eingeraeumt wird, berichtet das Blatt weiter. Apple Deutschland gab zu den Spekulationen keine Stellungnahme ab, im Hause sei nichts von geplanten Aktienverkaeufen bekannt, hiess es.

Die amerikanische CW-Schwesterzeitschrift "Computerworld" hingegen berichtet etwas anderes: Da Taligent weitere finanzielle Unterstuetzung benoetige, wollen Apple und IBM neue Aktien fuer das Joint-venture emittieren, fuer die sie zur Zeit Kaeufer suchen. Bislang haetten Hewlett-Packard und Sun Microsystems Interesse an einem Einkauf bekundet, Vertraege seien allerdings noch nicht unterzeichnet worden. Unter Berufung auf nicht naeher genannte Quellen schreibt das Fachblatt weiter, dass weder Apple noch IBM ihre Aktien verkaufen werden, die Ausgabe von neuen Titeln aber den Wert ihrer Anteile verwaessern duerfte.

Urspruenglich sollte Pink, dessen Entwicklung bereits 1988 begonnen wurde, das heutige Macintosh-Betriebssystem abloesen. Nach der 1991 vereinbarten Kooperation mit der IBM entschlossen sich die Beteiligten jedoch, die in Pink investierte Arbeit in das Joint-venture Taligent einzubringen und das Projekt unter dem Firmennamen zu betreiben.

Apples Softwarestrategie ist allerdings nicht mehr eindeutig. Die Zeiten, in denen der Mac-Hersteller - neben dem wenig erfolgreichen Unix-Derivat

A/UX - ausschliesslich auf dem eigenen Betriebssystem aufbaute, sind vorbei. Die Kalifornier wollen mit ihren Anfang 1994 auf dem Markt erscheinenden Power-PCs, deren Innenleben von einem von IBM und Motorola entwickelten RISC-Prozessor bestimmt wird, ihre Praesenz im Unix-Markt erhoehen. Auf den neuen Apple-Maschinen soll neben dem Mac-OS auch das in erster Linie auf IBMs AIX aufbauende Betriebssystem Power Open laufen.

Beobachter befuerchten, dass es Taligent nicht schaffen wird, bis 1996 ein objektorientiertes Betriebssystem auf die Beine zu stellen. Um die Sache zu beschleunigen, will Taligent-CEO Joseph Guglielmi die Entwicklungszeit durch Anleihen bei anderen Herstellern abkuerzen: Laut "Business-Week" baut er auf bereits existierenden Technologien von IBM und anderen auf, anstatt das Betriebssystem vollstaendig selbst zu erarbeiten. Diese Taktik werfe die Frage auf, ob das Produkt bei Fertigstellung noch Vorteile gegenueber Microsofts Cairo und Suns Distributed Objects Everywhere aufweise, die bereits fuer 1995 angekuendigt sind.