Verdacht auf Kinderpornografie

Anonymer Remailer in Finnland schaltet ab

06.09.1996

Der Server von Helsingius (Adresse: anon.penet.fi) ist mit einer halben Million Benutzern eines der fünf größten Systeme dieser Art weltweit. Er gehört zu den sogenannten Remailern, die eingehende Mails mit einer nicht identifizierbaren Absenderkennung versehen und erst danach an den Empfänger - dies kann auch ein Usenet-News-Forum sein - weiterleiten. Antworten an die anonyme Adresse werden auf demselben Weg zurückgeleitet. Demzufolge eignen Remailer sich für den Nachrichtenaustausch von Menschen, die auf Anonymität angewiesen sind,wie etwa politisch Verfolgte oder Suizidgefährdete (Helsingius Server beispielsweise kooperierte eng mit einer britischen Online-Seelsorge). Vor einiger Zeit hatte das System bereits einmal verstärktes öffentliches Interesse auf sich gezogen: Damals war es der Church of Scientology gelungen, einen Durchsuchungsbefehl für die Maschine zu erwirken, nachdem interne Sektendokumente auf dem Umweg über das finnische System in Scientology-kritischen Newsgruppen veröffentlicht worden waren. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, daß die Anonymisierung auch den Austausch von Kinderpornografie oder von anderen illegalen Inhalten ermöglicht.

"Derzeit ist die Privatsphäre von Internet-Post juristisch ungeklärt", erläuterte Helsingius, der den Schutz der Benutzer gesetzlich verankert sehen möchte, seine Entscheidung. Der Finne hatte sein System in der Freizeit aufgebaut und betrieben. Mit Unterstützung der finnischen Polizei hatte er in der vergangenen Woche Vorwürfe der britischen Zeitung "Observer" zurückgewiesen, über seinen Remailer würden zirka 90 Prozent der Kinderpornografie im Internet abgewickelt. Kaj Malmberg von der Polizei Helsinki nahm Helsingius in Schutz: "Er hat sich gegenüber der Polizei immer sehr kooperativ verhalten." Außer von Scientology seien seiner Behörde keinerlei Vorwürfe, auch nicht im Zusammenhang mit Kinderpornografie, bekannt geworden.

Außerdem hatte Helsingius von einem finnischen Gericht die Auflage erhalten, die Identität eines Benutzers preiszugeben. Um seinem Hauptgeschäft als einer der größten Internet Service Provider Finnlands keinen weiteren Schaden zuzufügen, wird der Remailer - der übrigens auf einem 386er PC lief und rund 7500 Nachrichten täglich verarbeitete - jetzt abgeschaltet.