Jahres- und Quartalsergebnis geben Anlaß zu Optimismus

Anleger spekulieren auf Durchmarsch von Yahoo

23.01.1998

Der Aktienkurs von Yahoo legte im vergangenen Jahr um sage und schreibe 511 Prozent zu - ein Wert, der von keinem anderen börsennotierten Internet-Unternehmen erreicht wurde. Seinen abenteuerlichen Gipfelsturm verdankt das Unternehmen weniger seinen Ergebnissen als der strategischen Positionierung und der außerordentlich starken Präsenz im World Wide Web, die offenbar die Phantasie der Anleger anregt.

Yahoo nahm 1997 rund 67,4 Millionen Dollar ein - im vorhergehenden Finanzjahr waren es 19,7 Millionen. Das entspricht einem Plus von 242 Prozent. Der Profit belief sich auf 2,2 Millionen Dollar (Vorjahr: minus 4,3 Millionen). Er schlägt jedoch in ein Defizit von 22,9 Millionen Dollar um, wenn einmalige Ausgaben für Akquisitionen - etwa für den Free-Mail-Anbieter Four 11 - mit eingerechnet werden. Das vierte Quartal 1997 schloß Yahoo sogar unerwartet gut ab; der von Analysten erwartete Umsatz wurde deutlich übertroffen.

Diese Fakten geben jedoch noch keinen Aufschluß darüber, warum das Unternehmen inzwischen einen Börsenwert von knapp 2,7 Milliarden Dollar erreicht hat. Zum Vergleich: Der Suchdienst Excite weist eine Marktkapitalisierung von zirka 477 Millionen Dollar auf, Lycos rund 473 Millionen Dollar und Infoseek etwa 270 Millionen (Stand: 9. Januar 1998). Noch sichtbarer wird die exorbitant hohe Bewertung von Yahoo, wenn man sich beispielsweise die mit 1,6 Milliarden Dollar deutlich geringere Kapitalisierung des ehemaligen Börsenlieblings Netscape vor Augen hält.

Der Grund für den rasanten Aufstieg der 1995 von Studenten gegründeten Internet-Company ist in der hohen Akzeptanz unter den Surfern zu suchen. Wie die Marktforschungsfirma Relevant Knowledge herausfand, war die Web-Site im Dezember 1997 die weltweit am häufigsten aufgerufene Page.

Mehr als 16,7 Millionen Personen sollen die Yahoo-Page in jenem Monat angesteuert haben, um sich von dort aus durchs Netz geleiten zu lassen oder die verschiedenen Dienste aus dem Nachrichten- oder Dienstleistungs-Sektor zu nutzen. Für die werbetreibende Wirtschaft ist Yahoo damit ein ideales Forum für die Plazierung von Online-Anzeigen.

Für Attraktivität sorgen unter anderem Chat- und E-Mail-Möglichkeiten, die Perspektive, sich über den Dienst Geocities kostenlos eine eigene Homepage einzurichten, Fernsehprogramme, einfacher Zugang zu Online-Shopping-Malls, das Buchen von Reisen und vieles mehr.

Die am zweit- und dritthäufigsten frequentierten Seiten von Netscape beziehungsweise Microsoft wurden von 13,5 respektive 10,5 Millionen Besuchern angesteuert. Relevant Knowledge registriert ausdrücklich die einzelnen Besucher und läßt sich nicht auf das umstrittene Zählen sogenannter Hits ein.

Angetan zeigen sich Analysten auch von den nachgewiesenen Pageviews, die im Dezember angeblich bei 65 Millionen gelegen haben. Im September 1997 waren es noch 50 Millionen. Und schließlich überzeugte auch die Anzahl der Unternehmen, die auf den Yahoo-Seiten Anzeigen schalten: Inzwischen sind es 1700 Firmen gegenüber 1200 im September.

Marktbeobachter gehen davon aus, daß Yahoo und die von starken Investoren unterstützten, ebenfalls börsennotierten Wettbewerber Lycos, Excite und Infoseek gute Perspektiven haben - trotz des äußerst scharfen Wettbewerbs. Sie können auf Dauer hoch profitabel wirtschaften, zumal kaum Vertriebskosten anfallen. Haupteinnahmequelle ist die Werbung, wobei für die Einnahmen unter anderem entscheidend sein kann, wie lange die Anzeigen auf dem Bildschirm zu sehen sind, wie oft Anwender sie anklicken oder welche Umsätze dadurch realisiert werden.

Ein Beispiel für das zukünftige Geschäft mag der Abschluß zwischen Excite und der US-Firma Cybermeals sein, eine Company, die Internet-Surfern online die Möglichkeit bietet, Essen zu bestellen: Für einen vierjährigen Vertrag zahlt Cybermeals 15,5 Millionen Dollar an Excite. Da Excite sich verpflichtet, keinen anderen Anbieter von Eß-Diensten auf die Homepage aufzunehmen, kassiert der Navigationsdienst auch beim Umsatz mit.

Seine Werbekunden verwöhnt Excite, indem das Unternehmen Unterstützung bei der Plazierung und der Adressierung an die richtige Klientel bietet. Zu diesem Zweck soll nun für 89 Millionen Dollar der Online-Werbespezialist Match Logic aufgekauft werden.

Angesichts der Chance auf eine Lawine an Werbeaufträgen, sehen sich die ehemaligen Suchdienste gezwungen, möglichst viele Besucher auf ihre Seiten zu ziehen - und dazu reicht ein reines Navigationsinstrument längst nicht mehr aus. Die Suchmaschine auf der Yahoo-Seite macht nur noch einen Bruchteil des gesamten Angebots aus. Die Kalifornier zählen inzwischen zu den bedeutendsten Content-Anbietern und neuerdings wollen sie sich auch als Internet-Provider etablieren.

Noch im ersten Quartal 1998 soll der US-Dienst "Yahoo Online Powered by MCI Internet" (Yahoo Online) seinen Betrieb aufnehmen und Anwendern einen 56-Kbit/s-Dial-up-Zugang zum MCI-Backbone bieten. Ziel ist es offenkundig, America Online Konkurrenz zu machen.

Dazu allerdings müßte es der Mannschaft um President und CEO Tim Koogle gelingen, möglichst viele der Millionen Yahoo-Nutzer davon zu überzeugen, den kompletten Internet-Zugang von Yahoo und MCI zu beziehen. Immerhin kann AOL auf mehr als zehn Millionen Nutzer seines Internet-Zugangs- und Content-Dienstes verweisen, eine Zahl, die das Unternehmen zum mit Abstand größten Online-Dienst der Welt macht.