Richter Jackson fällt vorerst keine Entscheidung

Anhörung im Fall Microsoft endet ohne Ergebnis

12.12.1997

Die mit Spannung erwartete Anhörung der Rechtsvertreter von Microsoft einerseits und dem US-Justizministerium (Department of Justice = DoJ) andererseits brachte nicht die vielerorts erhoffte Entscheidung. Der Bezirksrichter Thomas Jackson gab nach der zweieinhalbstündigen Veranstaltung keinen Hinweis darauf, wann er eine Entscheidung bezüglich des weiteren Vorgehens fällen wird.

Internet Explorer soll als separates Produkt gelten

Das DoJ hatte am 20. Oktober beim Bezirksgericht des Bundesstaates Columbia Klage gegen Microsoft eingereicht. Wie berichtet, wird der Gates-Company vorgeworfen, von Computerherstellern die Lizenzierung und den Vertrieb des Browsers Internet Explorer (IE) 4.0 als Voraussetzung für die Vergabe einer Windows-95-Lizenz einzufordern. Die Redmonder verstießen damit gegen den 1995 in Kraft getretenen Consent Decree.

Bei der mündlichen Anhörung in Washington ging es erneut um die Frage, ob der IE 4.0 als separates Produkt angesehen werden soll oder - wie nach Microsofts Argumentation - als integraler Bestandteil des Betriebssystems. Beide Seiten hatten im Vorfeld bereits umfangreiches Schriftmaterial vorgelegt. "Microsoft bietet den Internet Explorer 4.0 als separates Produkt an", erklärte der Rechtsvertreter des Justizministeriums, Phillip Malone. Er wies auf die Tatsache hin, daß die Browser-Software im Einzelhandel als eigenständiges Produkt zu kaufen sei. "Alles, was wir von dem Gericht verlangen, ist, daß es Microsoft verbietet, Original Equipment Manufacturers (OEMs) dazu zu zwingen, den Browser als eine Voraussetzung für Windows 95 zu nehmen."

Microsoft bringt altbekannte Argumente

Microsofts Anwalt Richard Urowsky argumentierte demgegenüber, die Regierung habe nicht definiert, was unter einem "integrierten" Produkt zu verstehen sei. Zur Zeit der Entstehung des Consent Decree sei den Behörden bekannt gewesen, daß Microsoft den Plan verfolgte, den Browser mit dem Betriebssystem zu integrieren. Würde der Hersteller dazu verpflichtet, Browser-Funktionen zu entfernen, käme dies einer Verkrüppelung des Betriebssystems gleich. Einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge soll sich Urowsky gar zu der Behauptung verstiegen haben, Microsoft müsse wesentliche Teile von Windows 95 neu programmieren, wenn der Klage des DoJ stattgegeben würde.

Der Anwalt der Gates-Company kritisierte darüber hinaus auch die jüngste Vorlage von firmeninternen Dokumenten seitens des Ministeriums, die belegen sollten, daß Microsoft von Anfang an beide Programme als getrennte Produkte ansah (siehe CW Nr. 48 vom 28. November 1997, Seite 7: "Justizministerium kämpft...").

Die von der Justizbehörde als Beweisstück präsentierte E-Mail von Microsofts Senior Vice-President Jim Allchin sei aus dem Zusammenhang gerissen und in einer Weise geändert worden, die den ursprünglichen Sinngehalt verzerre.