Frauen in der Datenverarbeitung:

Angst vor der eigenen Courage?

16.04.1982

Die angespannte Personalsituation könnte den Frauen zumindest in der Datenverarbeitung zur "Gleichberechtigung" verhelfen. In höheren Positionen sind die Frauen allerdings nach wie vor selten zu finden. Zu groß sind. die Vorurteile, gegen die sie angehen müssen: Frauen seien oft krank, hätten wenig Ehrgeiz - der Beruf werde nur als Zwischenstation zur Ehe betrachtet. Erhalten Mitarbeiterinnen in der EDV die Chance aufzusteigen, haben sie , so die verbreitete Diagnose, häufig Angst vor der eigenen Courage. Trotz allem gehen immer mehr Frauen in die Datenverarbeitung. Bieten sich doch hier größere Entwicklungsmöglichkeiten als in anderen Branchen. Die größte Chance erhalten diejenigen Frauen, die glaubhaft machen können, daß sie eine kontinuierliche Berufslaufbahn anstreben. Viele Unternehmen holen sich jedoch lieber junge Frauen von den DV-Schulen und bilden sie herstellerspezifisch aus. Ein Unternehmensberater erklärt diesen Widerspruch mit der Kostendenke der DV-Fürsten: "Diese Frauen sind optimal einsetzbar und vor allem billig." ih

Paul Maisberger

Geschäftsführer, bfd

Berufsfachschule für Datenverarbeitung GmbH, München

In den letzten drei bis fünf Jahren sind relativ viele junge Damen direkt nach der mittleren Reife an unsere Schule gekommen. Sie waren mit ihren 16, 17 oder 18 Jahren zunächst mehr am "Bravo-Lesen" als an der Datenverarbeitung interessiert, Die Schülerinnen erwiesen sich später als sehr fleißig, was in der Datenverarbeitung wichtig ist, und zeigten ein großes Durchhaltevermögen. In den eben ge(...)nnten Eigenschaften Fleiß und Durchhaltevermögen sind die Frauen den Männern sicherlich überlegen.

Der Anteil der Frauen an unserer Schule war vor einigen Jahren höher als jetzt. Damals gab es ein Zwischenhoch, und der Anteil der Schülerinnen lag bei 20 bis 30 Prozent, während er heute zwischen 1 0 und 15 Prozent liegt.

Ob es sich hier um einen allgemeinen Trend handeln könnte, läßt sich noch nicht sagen. Es gibt aber Gründe, warum die Zahl der Frauen in der DV noch relativ klein ist. In den allgemeinbildenden Schulen wird die Datenverarbeitung stark mit Fächern verknüpft, die nicht so beliebt sind. Dadurch wird auch den Männern oft der Spaß daran genommen. Außerdem wird die Datenverarbeitung mit Technik gleichgesetzt. Meiner Meinung nach ist das der größte Fehler, den man machen kann. Außerdem ist noch eine neue Tendenz zu beobachten, warum Frauen - und auch Männer - der Datenverarbeitung etwas ablehnend gegenüberstehen. Viele wollen sich von der Arbeitswelt distanzieren, mehr in sozialen Bereichen arbeiten. Für sie bedeutet Datenverarbeitung Bedrohung der Arbeitsplätze und Fluch der Technik.

Die höheren Positionen in den Unternehmen werden genau wie in den anderen Bereichen - von Männern besetzt. Bei den qualifizierten Berufen wie Beratern beispielsweise ist es den Frauen in der DV eher möglich einzusteigen als in anderen Berufen.

In den Unternehmen selbst werden herstellerbezogene Kurse durchgeführt, da die allgemeine DV-Ausbildung nicht spezifisch genug ist. Zu diesen Kursen werden Frauen gerne hingeschickt, da sie sie für ihre direkte Arbeit benötigen. Die Frauen nehmen ihren Beruf auf jeden Fall ebenso ernst wie die Männer. Sie arbeiten mit sehr viel Einsatz und haben oft auch nichts gegen Überstunden oder Wochenendarbeit einzuwenden. Daß sich viele Unternehmen diese positive Einstellung der Frauen zunutze machen, beweist die Theorie eines Unternehmensberaters: Junge Mädchen, die frisch von einer DV-Schule kommen, werden bewußt in der DV-Abteilung eingesetzt. Sie erhalten noch eine herstellerspezifische Ausbildung und können losarbeiten. Sollten sie irgendwann heiraten, waren sie bis dahin von großem Wert für das Unternehmen, nämlich optimal einsetzbar und vor allem billig.

Ich hoffe das sich diese Einstellung künftig ändern wird und Frauen in der DV eine echte Chance erhalten.

Günther Fischer

Org./DV-Leiter, Laudenbach

In meinem Geschäftsbereich gibt es seit zwei Jahren ein Trainingsprogramm das besonderen Wert auf die Förderung der weiblichen Mitarbeiter legt.

Hier einige Erfahrungen, die wir dabei gemacht haben:

Eine Mitarbeiterin war seit ihrem Realschulabschluß als Sachbearbeiterin für besondere Kundenwünsche und Anfragen sowie schwierigere Datenerfassungsarbeiten hauptsächlich am Online-Bildschirm ein. gesetzt. Ihre Zuverlässigkeit, Intelligenz und Schnelligkeit qualifizierte sie schnell zur Gruppenleiterin und bald darauf für eine Ausbildung als Organisationsprogrammiererin. Sehr schnell konnte man ihr schon schwierigere Programmieraufgaben geben, so daß wir sehr mit ihrer Arbeit zufrieden waren, jedoch ganz im Gegensatz zu ihr. Sie litt sehr darunter, daß sie am Abend nicht auf ein Kästchen getaner Arbeit blicken konnte, daß sie oft Tage über einem Problem brüten mußte, das sich beharrlich ihren Lösungsversuchen widersetzte. Ihre Erfolgserlebnisse waren selten, wenn auch stärker; aber kaum war ein Programm fertig, wartete schon das nächste. Die trockene "Grübelei", wie sie es ausdrückte, setzten ihr sehr zu, so daß sie wieder an ihren Bildschirmarbeitsplatz zurück wollte. Geduld und zahlreiche Gespräche; eine Gehaltserhöhung, die sie als Bildschirm-Gruppenleiterin nicht beikommen hätte und schließlich der Neid der ehemaligen Kolleginnen versöhnte sie schließlich mit ihrer neuen Arbeit. Sie ist eine der Mitarbeiterinnen, die geduldig motiviert, aber auch zu ihrem Glück gezwungen werden müssen.

Ähnliche Beobachtungen konnten bei einer anderen Kollegin gemacht werden. Erst nach monatelangem Zureden war sie bereit, eine ihrer Begabung entsprechende Weiterbildung zu beginnen. Sie fürchtete, daß sie versagen und damit ihren guten Ruf gefährden könnte.

Ganz anders sah es bei einer langjährigen Locherin von uns aus, die ebenfalls präzise und zuverlässig ist, Sie war so ehrgeizig und fleißig, daß sie aus eigenem Antrieb eine kaufmännische Fortbildung durchstand und abschloß. Sie wollte unbedingt etwas Besseres tun und werden. Ihr Ehrgeiz und Wille zum Erfolg machten sie aber so nervös und "kopflos", daß der Versuch sie zu fördern nach einigen Wochen aufgegeben werden mußte. Unsere Hauptsorge ist nun, sie davon zu überzeugen, daß sie auf ihrem angestammten Platz besser aufgehoben ist als auf einem, der ihrem Wunschtraum entsprechen würde.

Abschließend sollten noch zwei Mitarbeiterinnen erwähnt werden, die nach langen Jahren als Gruppenleiterinnen für die Positionen der Abteilungsleiterinnen beziehungsweise für eine EDV-Ausbildung vorgeschlagen wurden. Sie nahmen die Chance, ihrer weisen Wesensart entsprechend, mit vorsichtigem Optimismus wahr, sicherten sich jedoch psychologisch geschickt den Rückzug, indem sie ihren Kollegen klarmachten, daß sie nur einem "Rufe folgten" und eigentlich lieber in ihren alten Positionen blieben.

Die geschilderten Beispiele stehen für viele, die die grundsätzliche Erkenntnis vermitteln, daß Frauen im allgemeinen wenig Karriereehrgeiz entwickeln und: den Beruf als Beschäftigung und Erwerbsquelle betrachten. Er wird oft nur als Intermezzo der von ihnen als eigentliche Lebensaufgabe angesehenen Hausfrauen- und Mutterrolle betrachtet. Möglichkeiten, durch höheren Verdienst und anspruchsvolle Berufe voranzukommen, werden geringgeachtet, mögliche Risiken und Erschwernisse schrecken ab, wenn Vorgesetzte (und Ehemänner) nicht Mut machen. Herausforderungen, die den ganzen Kerl und Geist verlangen, werden von Frauen öfters gescheut als von Männern. Ist jedoch Ehrgeiz vorhanden, wird es oft schwer, ihn, weil emotional überladen, in realisierbare Bahnen zu lenken.

Aufgrund unserer Erfahrungen möchten wir jedoch dazu aufrufen, mehr Frauen mehr Chancen zu bieten. Denn es lohnt sich. Frauen sind genauso begabt und fähig wie Männer. Für viele Aufgaben und Verantwortungen, darunter solche, die Menschenkenntnis, Flexibilität, Geduld, Belastbarkeit, Einfühlungsvermögen, Beharrlichkeit und Fingerspitzengefühl verlangen, sind sie oft besser geeignet als wir Männer.

Brigitte Ruthmann-Neifer

Bereich Planung und Steuerung DV, VEBA Glas AG, Essen

In unserem Hause sind die Einstellungschancen für Frauen und Männer in der DV, blickt man auf die letzten fünf, sechs Jahre zurück, grundsätzlich gleich: Die Einstellung von auszubildenden DV-Fachleuten wird grundsätzlich aufgrund von Programmierer-Eignungs-Tests durchgeführt und zwar unabhängig vom Geschlecht der Bewerber. Von derzeit acht auszubildenden DV-Fachleuten sind drei weiblichen Geschlechts. Bei den Bewerbern um qualifizierte Funktionen sind die Frauen allerdings unterrepräsentiert. Zum einen sicherlich bedingt durch Studienfächer wie Mathematik, Informatik und Diplomkaufmann, beziehungsweise Diplomökonom. Zum anderen aber auch durch die noch geringe Zahl der Weibchen DV-Kaufleute oder Frauen mit adäquater DV-Ausbildung.

Die Aus- und Weiterbildung in der DV selbst erfolgt bei uns anhand von funktionsbezogenen Ausbildungsplänen, wobei der Ausbildungsbedarf durch den oder die jeweiligen Teamleiter festgelegt wild. Hierbei sind anwendungsbezogene oder DV-technische Notwendigkeiten maßgebend. Von unseren 17 Mitarbeitern in der Programmierung sind immerhin sieben weiblichen Geschlechts, und zwar in den Funktionen Programmierung und Organisationsprogrammierung. Derzeit sind unsere Programmiererinnen leider noch nicht in der Funktion Systemanalyse zu finden, was zum Teil sicherlich auch eine Sache der Berufserfahrung ist. Ich sehe aber in dieser Hinsicht grundsätzlich keine Probleme, denn unsere Damen haben gelernt, sich durchzusetzen, was in der Datenverarbeitung wichtig ist.

Natürlich gibt es gesellschaftliche Vorurteile wie Doppelbelastung oder Kinder, gegen die die Frauen kämpfen müssen. Aber auch hier hat die Frau in der Datenverarbeitung vielleicht einen Vorteil: Sowohl die derzeitige Personalsituation auf dem DV-Markt als auch die Menge der zu bewältigenden DV-technischen Problemstellungen in den meisten Unternehmen bürgen für ihre "Gleichstellung".

Auch in unseren Hause haben die Frauen gegen diese Art von Vorurteilen zu kämpfen. Hervorzuheben ist aber die fast ausnahmslos starke Rückendeckung durch die männlichen Kollegen und Vorgesetzten in der Datenverarbeitung, was sicherlich nicht in jedem Unternehmen selbstverständlich ist. Natürlich müssen die Frauen immer ein wenig mehr "Vorleistung" erbringen als die Männer. Sie müssen auch lernen, sich in einem Team durchzusetzen. Beispielsweise sind die Mitarbeite rinnen in der Anwendungsprogrammierung und -entwicklung, genau Wie ihre männlichen Kollegen der fachliche Ansprechpartner für die Probleme der Fachabteilung. Noch vor drei bis vier Jahren war es für die Mitarbeiter der Fachabteilungen sehr ungewohnt, Frauen als Gesprächspartner zu haben. Inzwischen ist es relativ normal, daß die Programmiererinnen mit den Fachabteilungen Probleme abklären und verhandeln. Sie werden akzeptiert. Auch dies ist vielleicht noch nicht in jedem Unternehmen eine Selbstverständlichkeit. Unser Haus muß mit Frauen in der Datenverarbeitung gute Erfahrungen gemacht haben, sonst würden ja nicht immer wieder Frauen eingestellt werden.

Herbert Schneider,

Geschäftsführer, AGS Gesellschaft für Datentechnik mbH, Frechen

In Zeitungsverlagen wird auf die Pflicht hingewiesen, Personalannoncen für weibliche und männliche Bewerber gleichermaßen auszuschreiben. Das bedeutet, daß die Gleichbehandlung in manchen Berufen seitens der Arbeitgeber nicht unbedingt gewahrt wird.

Wie sieht es nun in der Datenverarbeitung aus?

Hierzu eine grobe Übersicht der EDV-Gebiete und Berufsmöglichkeiten: Datenerfassung, Operating, Programmierung, Systemanalyse/Organisation und Management.

Global kann man die Aussage treffen, daß in den genannten Gebieten die Frauen auch heute noch in den höher qualifizierten Berufen eine geringere Rolle spielen als die männlichen Arbeitnehmer.

Die Begründung liegt höchstwahrscheinlich an historisch gewachsenen Argumenten, wie "Die EDV-Berufe (außer Datenerfassung) sind Männerberufe". Diese Aussage ist zwar längst überholt, aber sie hat bestanden und muß erst einmal entkräftet werden.

Auch die Pauschalaussage: "Die Frau ist emotional gepolt, der Mann rational", trägt nicht zur Gleichbehandlung bei. Darüber hinaus gilt die Frau als nicht "ausfallsicher": Priorität Familie, Ausfallzeit bei Geburt und Krankheitsausfall.

Aus diesen Gründen hielt sich der Arbeitgeber häufig zurück, an Mitarbeiterinnen Aufgaben zu übertragen, die lange Einarbeitung erfordern, terminbestimmend sind und gesetzliche Einschränkungen beinhalten (dritte Schicht).

Diese ganzen Argumente werden aufgeweicht durch die Verteilung der Rollen, wie Hausmann-Hausfrau, durch die Ablehnung der Rolle als Nur-Hausfrau und durch die Hinwendung der Frau zur beruflichen Karriere - und vor allem durch die guten Erfahrungen, die die Unternehmen gemacht haben, wenn sie einer Frau die Leitung bestimmter Gebiete, Projekte oder Abteilungen übertragen haben.

So ist es auch nicht verwunderlich, daß sich auf Stellenanzeigen (zumindest im Bereich der Unternehmensberatungen) weibliche und männliche Bewerber im gleichen Verhältnis melden.

Die Chancen für die Frau, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, werden letztendlich von der Akzeptanz durch die Unternehmer bestimmt. Die größeren Chancen liegen bei Unternehmern größerer Firmen und speziellen Unternehmertypen mit Risikobereitschaft.

Die größten Möglichkeiten stehen denjenigen Frauen offen, die glaubhaft machen können, neben der Leistung eine kontinuierliche Berufsentwicklung anzustreben. Dann werden Unternehmer die eventuelle Mutterschaft als planbare Unterbrechung einkalkulieren können.

Vielleicht ist aber eine Hilfe zur Chancengleichheit die Unterstützung durch neue Technik:

Mutter programmiert zu Hause über Bildschirm, der durch Standleitung mit dem Computer verbunden ist.

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