Kommunale Gemeinschaftsstelle präsentierte Eigenentwicklungen:

Angewandte PC-Software aus Stadt und Land

11.12.1987

Eine Marktübersicht besonderer Art stellte die kürzlich in Nürnberg abgehaltene PC-Börse der Kommunalen Gemeinschaftsstelle (KGSt) für Verwaltungsvereinfachung, Köln, dar. Im Vordergrund der Initiative stand der "interkommunale Erfahrungsaustausch". Von spartanischer Einfachheit waren sowohl die Präsentation als auch - leider - die Dokumentation. Die praxiserfahrenen Gesprächspartner machten das Manko teilweise wieder wett.

"Die PC-Börse ist ein Instrument des interkommunalen Erfahrungsaustausches. Sie will mit keiner Messe konkurrieren. Die spartanische Gestaltung des Ausstellungsraumes ist gewollt. Sie entspricht den kommunalen Möglichkeiten. Diese Sätze von Professor Gerhard Banner, Vorstand der Gemeinschaftsstelle, im 90seitigen Tagungsheft klingen bescheiden. Und in der Tat - der erste Eindruck im Foyer der Meistersingerhalle hatte etwas Provisorisches. Die Stände waren klein und eben improvisiert; die Repräsentanten, zumeist die geistigen Vater ihrer eigenen Softwareprodukte, sind keine geschulten Messeaussteller. Aber man muß doch wohl den Erfolg der Veranstaltung, die in der Kommunalverwaltung in dieser Breite ohne Vorbild ist, danach beurteilen, wie die 1200 Besucher den Informationswert einschätzen. Dafür mag der Satz des Hauptamtsleiters einer nordrhein-westfälischen Stadt von 30 000 Einwohnern stehen: Mein zweitägiger Besuch der Börse hat mir so viele Anregungen vermittelt, daß ich mehrere Jahre benötige, die wichtigsten DV-Verfahren in meiner Stadtverwaltung einzuführen."

Aus über tausend Anwendungen ausgesucht

Die KGSt, eine auf wissenschaftlicher Basis arbeitende Dachorganisation der Kommunalverwaltung, hat anläßlich ihrer alle drei Jahre stattfindenden Mitgliederversammlung 60 Lösungen aus einem ihr bekannten Bestand von 1100 DV-Anwendungen ausgesucht. Diese fünf Dutzend Verfahren sollten einen repräsentativen Querschnitt aus den kommunalen Aufgabengruppen geben und verschiedene gemeindliche Größenklassen aus möglichst vielen Bundesländern vorstellen.

Schon in der Einführungsschrift zur PC-Börse sagen die beiden Hauptgutachter der KGSt, Jürgen Ostermann und Heinrich Siepmann, eines sei für die Ausstellung nicht zu leisten gewesen: die Qualität der Verfahren zum Auswahlkriterium zu machen. Wenn man sorgfältige (schriftliche) Dokumentation der vorgeführten Verfahren - die fast ausschließlich aus dem PC-Bereich genommen waren - als ein solches Qualitätsmerkmal ansieht, steht es (noch) nicht gut um die kommunalen Softwareprodukte. Auf die stets gestellte Frage nach Verfahrens- oder Programmbeschreibungen erhielt man an fast allen Ständen eine bedauernde verneinende Antwort.

So ist es denn schwierig, das Leistungsspektrum der einzelnen Exponate - die man ja nicht, wie auf der gleichzeitig stattfindenden IAA sehen, anfassen oder ersitzen kann - zwischen Aussteller und Besucher zu vermitteln. Nur in langen Gesprächen zwischen kundigen und interessierten Kollegen ließ sich das Wissen erfahren, das die Organisatoren der Gemeinden benötigen, um zu beurteilen, ob ausgestellte Verfahren für ihre Verwaltung, für ihre (vorhandene) Software- und Hardware-Umgebung geeignet sind. Die Präsentationen reichten von sehr bescheidenen Verfahren bis zu anspruchsvollen komplexen Lösungen etwa für alle Aufgaben eines ganzen kommunalen Amtes.

Anspruchsloses Verfahren für Kindergarten

Die Gemeinde Rösrath (22 000 Einwohner; bei Köln) stellte beispielsweise ein Verfahren für die Kindergartenverwaltung vor (IBM PC XT). Es beschränkt sich im wesentlichen auf die Speicherung der Daten für die zur Aufnahme vorgesehenen und die in den Kindergarten aufgenommenen Kinder. Zwar wird der Kostenbeitrag der Eltern errechnet, aber bereits die (doch eigentlich unabdingbare) Überspielung der Forderung (Anordungssoll) an die Gemeindekasse, die den Geldeingang überwachen muß, fehlt.

Sehr viel anspruchsvoller dagegen ein Verfahren des Jugendamtes der Stadt Ingolstadt (Siemens PC MX 2/MX 500). Die Programme umfassen alle Aufgabenbereiche des Jugendamtes. Im Mittelpunkt steht die Verbuchung aller Einnahmen und Ausgaben bei den Amtsvormundschaften und -pflegschaften (Mündelgelder), nach dem Unterhaltsvorschußgesetz, in der wirtschaftlichen Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz. Am Ingolstädter Stand erhielt der (wirklich) interessierte Besucher auch eine mehr als 50 Seiten umfassende Verfahrensdokumentation. Freilich hat hier ein Softwarehaus mitgeholfen, das das Verfahren vertreibt und deshalb an einer Dokumentation interessiert sein muß.

"Prosoz" prüft in der Sozialhilfe

Besonders zahlreich waren sogenannte Ratsinformationssysteme vertreten. Darunter versteht man DV-Verfahren, die alle Daten für Rats- und Ausschußsitzungen zusammenfassen. Das zu beobachtende Interesse an solcher Software geht ohne Zweifel darauf zurück, daß auch in Parlamentarierkreisen die Bedeutung der Datenverarbeitung erkannt worden ist, und die kommunalen Mandatsträger üben auf ihre Verwaltungen Druck aus, leistungsfähige Verfahren einzuführen. Da mag mancher Bürgermeister oder Gemeindedirektor fürchten, künftig noch strenger Überwacht zu werden als bisher.

Ein prestigeträchtiges Projekt ist "Prosoz". Es unterstützt unter anderem den Sachbearbeiter in der Sozialhilfe bei der Gewährung von Sozialhilfeleistungen, prüft im Dialog die rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen des Hilfesuchenden und führt die Auszahlung der Leistungen automatisiert durch. Dieses DV-Verfahren ist von der Stadt Herten und der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung in Hagen mit finanzieller Unterstützung des Bundesforschungsministers entwickelt worden. Schade, daß es nur auf Einzelplatzsystemen lauffähig ist (MS-DOS oder PC-DOS).

Die Bemühungen der KGSt, den kommunalen Softwaremarkt transparent zu machen, sind verdienstvoll. Der Aufwand, der von allen an der PC-Börse Beteiligten betrieben werden mußte, zeigt auch, wie schwierig es ist, den Informationsaustausch ordentlich in Gang zu bringen. Es ist zu hoffen, daß auf Dauer die Möglichkeit geschaffen wird, allen interessierten Gemeinden (und sonstigen Behörden) einen wirklich umfassenden Überblick über das Angebot an DV-Verfahren im deutschsprachigen Bereich zu schaffen - gleichgültig, ob als Katalog oder über Btx. Dazu sollten sich alle kompetenten Stellen, außer der KGSt zum Beispiel die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD), die Landesregierungen und die Bundesregierung, aufgerufen fühlen.