Trotz Umsatz- und Auftragsrueckganges im letzten Geschaeftsjahr

Angeschlagene SNI France will in Zukunft betraechtlich wachsen

22.01.1993

Insgesamt nahm die in Cergy, nordwestlich von Paris, angesiedelte SNI-Dependance im abgelaufenen Geschaeftsjahr rund 1,8 Milliarden Franc (etwa 508,5 Millionen Mark) ein. Dies entspricht einem Rueckgang von 3,7 Prozent gegenueber dem Vorjahr. Dafuer gelang es Kurt Hollederer, der im April 1992 Christian Fayard als Generaldirektor abloeste, mit der Fortfuehrung des Sparprogrammes seines Vorgaengers den Nettoverlust auf 200 Millionen Franc zu halbieren. Dies kostete zwar erneut 60 Mitarbeiter den Job, im Vorjahr aber hatte SNI France noch 300 Arbeitsplaetze abbauen muessen. Derzeit beschaeftigt die franzoesische Tochter des Muenchner DV-Herstellers rund 1940 Mitarbeiter - davon arbeiten etwa 300 in den beiden Werken des Unternehmens in Plaisier bei Paris und Haubourdin bei Lille.

Installierte Basis ist noch sehr bescheiden

Kurzfristig bedenklicher als die Umsatzeinbusse ist der von 1,9 auf 1,5 Milliarden Franc geschmolzene Auftragsbestand - ein Indiz fuer die Krise der DV-Branche auch in Frankreich. Dennoch gibt sich Hollederer fuer die zukuenftige Entwicklung seines Unternehmens zuversichtlich. Schon im Geschaeftsjahr 1993/94 glaubt er, schwarze Zahlen nach Muenchen melden zu koennen. In Sachen Umsatz prophezeit er ebenfalls neuen Aufschwung: So sollen die Hardware-Einnahmen jaehrlich um 15 Prozent, der Software- sowie Dienstleistungsumsatz um 20 Prozent zunehmen.

Die optimistische Wachstumsprognose des frueheren Unidata-Managers basiert allerdings auf einer bescheidenen Ausgangsposition. SNI France uebernahm von der ehemaligen franzoesischen Siemens-Tochter IN2 und aus dem Ex-Nixdorf-Bestand in Frankreich nur je 4000 installierte Systeme. "Diese Basis wollen wir aber schon ab Mitte Januar unter anderem durch die Einfuehrung einer neuen Modellpalette von PCs unter Unix betraechtlich erweitern", betont Hollederer.

Im Software- und Servicebereich wiederum glaubt der SNI-France- Chef, ein aus dem IN2-Nachlass stammendes Handicap schon bald in eine strategische Speerspitze ummuenzen zu koennen. Die einstige Siemens-Tochter sei naemlich bei franzoesischen Grosskunden im Bankwesen, der oeffentlichen Verwaltung sowie auch in Krankenhaeusern und Kliniken "an sich bestens eingefuehrt", bekannt sei sie jedoch bislang nur als Lieferant von "Einzelinstallationen und Inselloesungen". So sind in Frankreich heute allenfalls 35 BS2000-Mainframes und gerade 400 Laserdrucker von SNI im Einsatz. Gelaenge es der SNI France, so Hollederer, diesen Kundenkreis von ihrer Kompetenz als Anbieter von Komplettloesungen sowie Systemintegrationshilfen zu ueberzeugen, sei ein "Durchbruch mit Signalwirkung" durchaus in Reichweite.

Zwei Fabriken stehen in Frankreich zur Verfuegung

Darueber hinaus sieht der fruehere Unidata-Manager einen Vorteil darin, ueber zwei inlaendische Produktionsstaetten verfuegen zu koennen. Anders als die ehemalige franzoesische Nixdorf- Niederlassung, die alle Geraete aus Deutschland bezog, besass Siemens-DI in Frankreich bereits seit laengerer Zeit zwei eigene Fabriken. In Plaisier bei Paris werden neben Bull-kompatiblen PCs vor allem fuer den inlaendischen Markt auch die unter Unix laufenden RISC-Maschinen von SNI entwickelt und gefertigt. Aus Haubourdin in der Naehe von Lille kommen die PCs der EISA-Linie.

Diese Praesenz vor Ort verschaffte SNI die Aufnahme in den "Club de l?Informatique Francaise", dem auch Bull sowie die beiden US- Hersteller IBM und Hewlett-Packard angehoeren und der zu oeffentlichen Ausschreibungen zugelassen ist. Da allerdings im gemeinsamen Markt auch fuer das oeffentliche Beschaffungswesen nun die nationalen Grenzen fallen sollen, koennte dieser Vorteil bald dahin sein. Dennoch hofft die SNI-Tochter, durch die Mitgliedschaft im franzoesischen DV-Club kuenftig auf EG-Ebene profitieren zu koennen, da die oeffentlichen Verwaltungen in Paris und in Bruessel eng zusammenarbeiten.

Partnerschaften sind von Vorteil

Als weiteren Pluspunkt fuer sein Unternehmen bewertet der SNI- France-Chef die bestehenden Partnerschaften mit franzoesischen DV- Gesellschaften. So haelt die SNI-Tochter beispielsweise einen Anteil von 20 Prozent an dem Server-Produzenten Ferma, der unter anderem den Wetterdienst des Landes ausruestet. Gemeinsam mit Bull und dem staatlichen Forschungsinstitut Inria ist SNI France zudem Minderheitspartner der O2-Technologie, einem Anbieter von objektorientierter Datenbanksoftware. Schliesslich bestehen Verbindungen mit zwei franzoesischen Herstellern von Geraeten zur digitalen Verarbeitung von Roentgenbildern.

Hollederer, dem der franzoesische Markt und die Mentalitaet seiner Ingenieure und Techniker aufgrund seiner Unidata-Aktivitaeten vertraut ist, haelt seine jetzige Taetigkeit fuer vielversprechend. Der Trend zu offenen Systemen wie Unix sei in Frankreich beispielsweise "viel frueher als in Deutschland wahrgenommen und aktiv verfolgt worden". IN2 habe sich mit dieser Entwicklung bereits seit 1988 beschaeftigt. Heute traegt SNI France dafuer europaweit die Verantwortung. Darueber hinaus sieht das SNI-France- Oberhaupt einen Nachholbedarf wichtiger Industriekunden in Richtung multinationaler Organisation im Binnenmarkt. "Auch da bringen wir natuerlich das europaeische Serviceangebot von Siemens- Nixdorf ins Gespraech."

Schliesslich kommen aus Frankreich neue Entwicklungen wie etwa der grenzueberschreitenden Hochgeschwindigkeitszuege, ein Bereich, in dem SNI sich auf Auftraege in der Signal- und Steuerungstechnik konzentriert. Laut Hollederer ist hier - wie auch in anderen Marktsegmenten - die Synergie von DV- und Elektronikangebot von Vorteil. Baue Siemens zum Beispiel das Werk fuer Autoelektronik in Foix am Rande der Pyrenaeen aus, "ist das auch fuer SNI ein Wegweiser".