Nur sorgfältiger Einsatz von Bürokommunikation erhöht die Qualität:

Angemessene Nutzung verbessert Büroarbeit

28.04.1989

Der Einsatz der neuen Bürotechnik hat bisher nur sehr begrenzt zu Verbesserungen der Qualität von Büroarbeit geführt. Sollen Verbesserungen erreicht werden, so ist eine angemessene Nutzung der neuen Technik notwendig: diese stellt neuartige Anforderungen an den Umgang der Nutzer mit der Technik.

Qualität von Büroarbeit wird wesentlich dadurch bestimmt, wie ziel- und situationsgerecht die erbrachten Leistungen sind (siehe Artikel 7 in dieser Serie). Dieser Zusammenhang gilt auch und besonders für den Einsatz neuer Bürotechnik. Weitgehend vorgegeben ist die "Angemessenheit" bei der Bedienung sowohl der herkömmlichen Büromaschinen (zum Beispiel Schreibmaschinen) wie bei der "klassischen" DV: Hier geht es vor allem um die "richtige" Nutzung, also die Beachtung vorgegebener Regeln (etwa bei DV-Anwendungen) oder Fehlerfreiheit (etwa beim Maschinenschreiben).

Bei der Nutzung der neuen Bürotechnik zur Unterstützung unregulierter Tätigkeiten kann nicht eigentlich von einer "richtigen", sondern von einer "angemessenen" Nutzung gesprochen werden.

Angemessenheit bemißt sich nicht an der Auslastung des Gerätes, der Raffinesse, mit der das Leistungspotential der Technik ausgereizt wird, oder dem Ausmaß, in dem man Arbeiten auf die Technik verlagert hat, sondern an dem Beitrag, den die Techniknutzung zur Bewältigung der gestellten Arbeitsaufgabe geliefert hat. Angemessen ist jene Nutzung, die zu Verbesserungen vor allem auf der finalen Ebene führt.

Dabei können sehr unterschiedliche Formen der Nutzung einen ähnlich produktiven Ertrag erbringen. Angemessenheit wird also nicht bestimmt von der Art der Nutzung, sondern von ihrem Ergebnis.

Der Grad der Technisierung der Arbeit, also sozusagen die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Technik, kann auch bei ähnlich gearteten Aufgaben durchaus unterschiedlich sein.

In einer Entwicklungsabteilung wurden uns von Versuchsingenieuren sehr unterschiedliche - und jeweils sehr überzeugende - Darstellungen geliefert über die Nutzung eines Personal-Computers bei der Erstellung ihrer Prüf- und Reiseberichte. Dabei werden recht unterschiedliche Formen der "Arbeitsteilung" zwischen den Arbeitsmitteln Bildschirm und Papier genutzt, wobei sich der Eindruck vermittelt, daß gerade die Möglichkeit, einen persönlichen Arbeitsstil zu entwickeln, wesentliche Voraussetzung der produktiven Nutzung des PC bei dieser Aufgabe ist.

Der Zusammenhang zwischen quantitativer Nutzung und qualitativem Nutzen kann durchaus widersprüchlich sein. Eine hohe Auslastung beziehungsweise extensive Nutzung der verfügbaren Technik kann unproduktiv sein (zum Beispiel inflationäre Nutzung der elektronischen Post, Übertragung von Operationen in den PC um jeden Preis, etc.).

So kann die Verwendung eines Personal-Computers in einer Vertriebsabteilung dem Sachbearbeiter zur Identifizierung bestimmter Kundengruppen als Voraussetzung gezielter Maßnahmen der Vertriebsunterstützung helfen. Wo die Verwendung zum Selbstzweck ausartet und zur Ausarbeitung immer neuer, raffinierterer Auswertungsverfahren führt, ist ihr Nutzen sehr rasch in Frage gestellt.

Angemessene Nutzung heißt also zugleich ökonomische Nutzung. Nutzungsökonomie heißt dabei - durchaus in Analogie zur Informationsökonomie - nicht etwa die möglichst kostengünstige Erzeugung einer möglichst großen Menge von Daten und auch nicht die möglichst hohe Auslastung der verfügbaren Technik, sondern die Unterstützung von Arbeitsvorgängen durch die Technik, dort, wo dies zu einer Verbesserung des Arbeitsergebnisses oder einer Reduzierung des notwendigen Arbeitsaufwandes beiträgt.

Auch hier gilt das Gesetz der Sparsamkeit (etwa in der Vermeidung der Erzeugung von "Ausschuß", das heißt, nicht verwertbarer Informationen). Umgekehrt heißt dies: Nur bei solch aufgabenbezogener, angemessener Nutzung wird diese nicht zu einer Verstärkung der Informationsinflationierung bei Büroarbeit beitragen.

Angemessene Nutzung ist damit Voraussetzung, daß der Einsatz der neuen Bürotechnik auch zu qualitativen Verbesserungen der Büroarbeit führt.

Angemessene Nutzung ist keine feste Größe, die normativ vorgegeben oder gemessen werden kann. Dies stellt nicht nur besondere Anforderungen an die Qualifikation und vor allem die Motivation der Nutzer der neuen Bürotechnik, sondern weist ihnen eine neuartige Rolle im Prozeß der Gestaltung der Arbeit zu. Die Arbeitsteilung zwischen den (zentralen) Planern und Gestaltern der Technik und deren Nutzern in den Fachabteilungen verschiebt sich.

Qualität durch Akzeptanz und Handhabung

Es muß gewährleistet werden, daß die Nutzer sich mit der Zielsetzung des Technikeinsatzes identifizieren und daß die Technik tatsächlich zu einer Verbesserung der Arbeitssituation beziehungsweise zu einer Bewältigung von Schwachstellen beiträgt. "Erfahrungen beim Einsatz von Bürosystemen haben gezeigt, daß deren Nutzung primär eine Frage der Motivation und der Qualifikation der Anwender ist; die Motivation hängt vor allem davon ab, wieweit man produktive Anwendungen der Technik im eigenen Arbeitsbereich sieht, also sich unmittelbar Unterstützung und Erleichterung bei der eigenen Arbeit verspricht." Das bedeutet nicht zuletzt, daß die Akzeptanz, die einer neuen Technik entgegengebracht wird, davon abhängt, inwieweit sie wirklich zur Qualitätsförderung beiträgt - zur Erreichung von Zielen und zur Verbesserung der Qualität von Arbeit.

Die arbeitsorganisatorische Dimension gewinnt dabei eine besondere Bedeutung. Angemessenheit der Nutzung der neuen Bürotechnik wird mitbestimmt durch eine Wechselbeziehung:

- Der Einsatz der neuen Bürotechnik ermöglicht neue Formen der Arbeitsstrukturierung und Arbeitsorganisation.

- Angemessene Nutzung der neuen Bürotechnik ihrerseits setzt vielfach arbeitsorganisatorische Veränderungen voraus.

Die Realisierung qualitativer Verbesserungen ist nicht zuletzt davon abhängig, wieweit es gelingt, dieser Wechselbeziehung gerecht zu werden.

Bei der Einführung eines Bürokommunikationssystems zeigte sich, daß Fragen der Systemtechnik nur einen Teil des Gestaltungsbedarfs darstellten. So mußte, bevor das System zum produktiven Einsatz kommen konnte, die gesamte Ablauforganisation verändert, die Arbeitsteilung innerhalb der einzelnen Abteilungen neu geplant und die Abstimmung zwischen diesen Abteilungen neu koordiniert werden.

Erst mit einer Neuregelung der Arbeitsteilung, der Kooperation und des Organisationsaufbaus führte das Bürosystem zu Verbesserungen: Kundenanfragen konnten rascher beantwortet werden, die durchschnittliche Fallbearbeitungszeit sank, Beanstandungen wurden weniger, es konnten neue Kunden gewonnen werden.

Es besteht ebenfalls eine enge Wechselbeziehung zwischen Techniknutzung und individuellem beziehungsweise kollektivem Arbeitsverhalten. Angemessene Nutzung der neuen Bürotechnik setzt bestimmte Formen des Arbeitsverhaltens voraus (zum Beispiel Arbeitssystematik, Zeitdisziplin), umgekehrt erzeugt Techniknutzung auch Wirkungen, die unter Umständen sehr tief in das Arbeitsverhalten eingreifen können.

Vertrautes Beispiel ist die Erleichterung von Korrekturen durch Textsysteme, die nicht nur eine Inflationierung der Korrekturwünsche mit sich brachte, die die erwarteten Einsparungseffekte meist weitgehend kompensierte, sondern teilweise auch zu ganz neuen Formen des Umgangs mit der Konzipierung und Erstellung von Texten führte. Ähnliche Wirkungen gelten zum Beispiel für die Produktion von Grafiken, Folien oder Statistiken.

Neue Bürotechnik ist kein Selbstläufer

Wieweit solche Rückwirkungen bis in das Denken selber reichen, darüber kann im Augenblick nur spekuliert werden; daß auf Dauer solche gegeben sein werden, kann aber unterstellt werden.

Zunächst dürften diese Wechselwirkungen die angemessene Nutzung eher erschweren. So wird der Einsatz der neuen Bürotechnik unter den gegenwärtigen Bedingungen tendenziell denen am meisten helfen, die wenig Schwierigkeiten haben, sie angemessen zu nutzen - und das sind in der Regel gerade jene, die solche Unterstützung weniger nötig haben: Wer schon vorher in der Lage war, seine Ablage in Ordnung zu halten, wird am ehesten mit den Anforderungen einer elektronischen Ablage zurechtkommen; wer vorher seine Kollegen informierte, wird am ehesten elektronische Post angemessen nutzen. Und umgekehrt: Tendenziell erreicht die neue Bürotechnik gerade die am schwersten, die Unterstützung am nötigsten hätten.

Diese Zusammenhänge legen die Vermutung nahe, das ceteris paribus, das heißt, unter Beibehaltung der hierarchischen, organisatorischen und sonstigen Rahmenbedingungen wird der Beitrag der neuen Bürotechnik zur Verbesserung der Qualität der Büroarbeit relativ bescheiden sein, einfach weil die Prämisse angemessener Nutzung nur sehr begrenzt erfüllt wird.

Die neue Bürotechnik ist kein Selbstläufer, dessen Einsatz quasi automatisch zu einer angemessenen Nutzung führt. Diese ist nur unter bestimmten Bedingungen gegeben, die es herzustellen gilt. Beim Einsatz der neuen Bürotechnik ist immer Gestaltung von Technik und der Prozeß der Sicherstellung angemessener Nutzung als Einheit, als integrales Ganzes zu sehen.

Literaturhinweis: Weltz, Friedrich: Der Weg zur aktiven Nutzung - die Bedeutung der Humanaspekte bei der Einführung der Bürokommunikation. In: VDI-Berichte Nr. 663, 1987, S. 109.