Angebotsvielfalt prägt die Server-Virtualisierung

27.01.2009
Von Wolfgang Sommergut 
Die Auswahl an Virtualisierungssoftware wird unübersichtlicher. Besonders die großen Player arbeiten an in sich geschlossenen Infrastrukturen.

Virtualisierung gehört derzeit zu den großen Themen der IT. Im Vordergrund steht die Konsolidierung von x86/x64-Servern, die den Wildwuchs an Rechnern zügeln und zu einer effizienteren Nutzung der Hardwareressourcen führen soll. Die Analysten von Saugatuck gehen davon aus, dass sich der Anteil der virtualisierten Infrastruktur (ohne Desktops) von fünf Prozent im Jahr 2007 auf über 30 Prozent im Jahr 2010 steigen wird.

Während der Markt für Server-Virtualisierung bis vor ein oder zwei Jahren fast vollständig im Besitz des Pioniers VMware war, formt sich seither eine zunehmend starke Konkurrenz. Sie erweitert nicht nur die Auswahl an Produkten, sondern treibt auch die Preise nach unten.

In der ersten Phase bescherte die Basissoftware zur Einrichtung von virtuellen Maschinen auf physischen Servern dem Vorreiter VMware hohe Gewinnspannen. Die heute gängigen Ausführungen dieser Abstraktionsschicht setzen direkt auf die Hardware auf und erzeugen gegeneinander abgeschottete virtuelle Rechner. Mit dieser als "Hypervisor Typ 1" bezeichneten Software lässt sich jedoch mittlerweile kaum noch ein Geschäft machen. Das liegt neben der Open-Source-Implementierung Xen vor allem am Markteintritt Microsofts.

Die absehbare ökonomische Entwertung des Hypervisors bedeutet indes nicht, dass den betreffenden Anbietern die Geschäftgrundlage entzogen wird. Vielmehr verlagert sich deren Schwerpunkt in das umfassende Management virtueller Umgebungen. In diese Kategorie fällt etwa das von VMware angekündigte "Virtual Data Center Operating System" (VDC-OS), das die Backend-Systeme der Unternehmens-IT in eine "interne Cloud" verwandeln soll.

Solche Visionen würden derzeit jedoch daran scheitern, dass ausgerechnet die in ihrer Bedeutung kleingeredete Basistechnik unüberwindliche Hürden zwischen den Systemen verschiedener Anbieter errichtet. Alleine die proprietären Formate für die Systemabbilder erfordern eine Konvertierung von Images, wenn sie zwischen Hypervisors unterschiedlicher Herkunft verschoben werden sollen.

Das von der Distributed Management Task Force (DMTF) entwickelte Open Virtualization Format (OVF) leistet einen Beitrag zur einfacheren Migration. Es ersetzt aber nicht proprietäre Disk-Formate wie .vmdk (VMware) oder .vhd (Microsoft). Mehrere führende Anbieter stellen dafür bereits Import- und Exportroutinen zur Verfügung.

Eingeschränkte Konvertierung

Die von den meisten Herstellern mitgelieferten Konvertierungs-Tools beschränken sich häufig auf den Import einiger Formate. Falls dies nicht ausreicht, müssen Anwender auf Werkzeuge von Drittanbietern zurückgreifen. Das Verschieben von virtuellen Maschinen zwischen Plattformen verschiedener Hersteller während des laufenden Betriebs bleibt unter diesen Bedingungen Zukunftsmusik.

Eine heterogene virtuelle Umgebung verlangt darüber hinaus nach Management-Werkzeugen, die Systeme herstellerübergreifend verwalten können und nicht auf virtuelle Server beschränkt sind, sondern auch physische Rechner einbeziehen. Jene Anbieter, die Software für virtuelle Infrastrukturen entwickeln, richten ihre Administrationswerkzeuge in der Regel auf ihre eigenen Plattformen aus und berücksichtigen höchstens einzelne Konkurrenzsysteme.

Funktionsvielfalt und ihre Nachteile

Angesichts von immer neuen komplexen Funktionen wie dem Lifecycle-Management von virtuellen Maschinen, Hochverfügbarkeit, Integration mit Speicherlösungen, Patch-Management oder Hotplugging von Datenträgern und RAM dürften übergreifende Tools noch schwieriger zu entwickeln sein.

Darüber hinaus schränken einige Anbieter die Anwender auf bestimmte Hardware oder Betriebssysteme ein. Das gilt etwa für das mächtige "Virtual Server Environment" von Hewlett-Packard, das an die hauseigenen "Integrity"- und "HP 9000" Server gebunden ist.

Red Hat wendet sich nach dem Kauf von Qumranet zukünftig von Xen ab und setzt mit "KVM" auf Virtualisierungsfunktionen im Linux-Kern. Anwender, die Server auf Basis von RHEL und Xen virtualisieren, müssen sich auf diesen Kurswechsel des Herstellers einrichten. Oracle wiederum möchte Marktanteile gewinnen, indem es für die hauseigenen Anwendungen und die Datenbank nur dann Support leistet, wenn sie auf "Oracle VM" laufen.

VMware nutzt seine Marktposition

Vergleichsweise übersichtlich stellt sich die Situation bei VMware dar, obwohl dort zwei Ausführungen des Hypervisors vom Typ 1 (ESX und ESXi) und eine vom Typ 2 (VMware Server 2.0) existieren. Letzterer benötigt ein Host-Betriebssystem, das neben Windows auch Linux sein kann, und ist wie ESXi kostenlos zu haben. Die beiden ESX-Varianten liegen in der Version 3.5 vor und sind Vollvirtualisierer, das heißt, sie übernehmen die gesamte Steuerung der Hardware und benötigen im Gegensatz zu Hyper-V und Xen kein Service-Betriebssystem, über das die Ein- und Ausgabeoperationen laufen.

Die Feature-Vergleiche zwischen ESX und ESXi sind in der Regel verwirrend, weil bei der kleinen Ausgabe die Management-Funktionen auf externe Tools verschoben wurden. Setzt man nur die kostenlose Stand-alone-Ausführung ein, dann mangelt es tatsächlich an Werkzeugen zur Systemverwaltung, die auch die fortgeschrittenen Funktionen steuern können. Unter der Obhut des kostenpflichtigen "Virtual Infrastructure Enterprise" bieten beide aber die gleichen Möglichkeiten. Deshalb gehen Marktbeobachter davon aus, dass dem schlanken ESXi die Zukunft gehört.

ESX und ESXi laufen sowohl auf 32- als auch auf 64-Bit-Hardware, wobei 64-Bit-Gäste nur auf ebensolcher Hardware unterstützt werden. Die kommende Version 4 wird indes nur noch auf 64-Bit-Maschinen einsetzbar sein. Der Hypervisor von VMware gilt auch im Vergleich zu Hyper-V 2008 R2 als das fortgeschrittenere und funktionsreichere Produkt, auch wenn der Nutzen von Funktionen wie Memory Overcommit, Memory Page Sharing, Memory Ballooning und des eigenen verteilten Dateisystems (VMFS) von der Konkurrenz heruntergespielt wird.

Als Dreh- und Angelpunkt in der Verwaltung von VMware-Installationen dient "Virtual Center" (neuerdings "vCenter"). Dieses mächtige Werkzeug erlaubt zwar die umfassende Administration einer virtuellen Infrastruktur mit Hunderten Servern, aber nur auf Basis von ESX, ESXi und VMware Server. Das Tool beherrscht auch die Konvertierung von Fremdformaten, darunter von Microsofts Virtual PC und Virtual Server, Acronis True Image, Symantec Backup Exec, Norton Ghost oder OVF. Die Umwandlung klappt jedoch nur in eine Richtung, nämlich zu VMware. Dies gilt auch für die Stand-alone-Ausführung "VMware Converter".

Virtualisierung mit Windows

Microsoft liefert als Bestandteil von Windows Server 2008 die erste Version von Hyper-V aus, einen Hypervisor vom Typ 1. Zusätzlich existiert noch eine Stand-alone-Ausführung namens "Hyper-V Server 2008", die kostenlos zu haben ist.

Hyper-V fehlen in der aktuellen Ausführung noch einige wesentliche Features, darunter das Verschieben von laufenden virtuellen Maschinen auf andere physikalische Server oder das Hinzufügen und Entfernen von virtuellen Festplatten (VHD) zur Laufzeit. Diese sollen in der kommenden Version nachgereicht werden, wobei das Hot-Plugging von virtuellem RAM entgegen ersten Ankündigungen vermutlich nicht unterstützt wird. Hyper-V 2.0 wird 2010 mit Windows Server 2008 R2 auf den Markt kommen.

Die Bündelung der Virtualisierungssoftware mit Windows sowie die zusätzlichen eigenständigen Ausführungen machen die Lage für Anwender kompliziert. So bleiben die fortgeschrittenen Features der nächsten Hyper-V-Version den Anwendern von Windows Server 2008 R2 vorbehalten. Wenn Anwender von Hyper-V 1.0 etwa in den Genuss von Live Migration kommen wollen, dann müssen sie nicht nur den Hypervisor, sondern auch das Betriebssystem erneuern.

Außerdem sorgen die Lizenzbedingungen dafür, dass die kostenlose Stand-alone-Ausführung von Hyper-V nur in Frage kommt, um ältere Windows-Versionen als Gastsysteme zu betreiben. Ein Update von dieser Gratisvariante auf jene, die mit Windows Server 2008 ausgeliefert wird, ist jedoch nicht möglich. Schließlich hält Microsoft noch den ebenfalls kostenlosen Typ-2-Hypervisor "Virtual Server 2005" bereit, um 32-Bit-Server zu virtualisieren, da Hyper-V nur auf 64-Bit-Hardware läuft.

Zum wichtigsten Tool zur Verwaltung virtueller Microsoft-Umgebungen avancierte der "System Center Virtual Machine Manager", der in der Version 2008 neben VMs unter Hyper-V und Virtual Server auch solche auf Basis von VMware verwalten kann. Diese Öffnung gegenüber dem Marktführer erklärt sich vor allem damit, dass Microsoft seine eigene Virtualisierungssoftware erst relativ spät herausbrachte und nun in vielen Unternehmen auf VMware-Installationen stößt. Aufgrund der beschränkten Interoperabilität der beiden Plattformen müssten potenzielle Kunden ihre VMware-Investitionen über Bord werfen, um zu Microsoft zu wechseln. Mit VMM 2008 können Kunden beide Systeme parallel betreiben, allerdings nur im Zusammenspiel mit einer kompletten VMware Virtual Infrastructure.

Citrix: Bündnis mit Microsoft

Ein neuer Konkurrent von VMware, der ebenfalls den Preisdruck auf die Basissoftware erhöht, ist Citrix seit der Übernahme von Xensource vor eineinhalb Jahren. Dazu trägt nicht nur die Open-Source-Variante von Xen bei, sondern auch eine kostenlose Ausführung des kommerziellen Produkts unter dem Namen "Xenserver Express". Wie ihre Pendants von Microsoft und VMware verzichtet diese Einsteigervariante auf eine Reihe von Enterprise-Features, darunter das Verschieben von VMs während des laufenden Betriebs ("Xenmotion"), Unterstützung für Shared Storage (SAN) sowie Hochverfügbarkeit.

Parallelen in der Architektur

Die Vollversionen "Enterprise" und "Platinum" von Xenserver sind ähnlich leistungsfähig wie das Flaggschiffprodukt von VMware. Hinsichtlich der Architektur gleicht die Software indes Hyper-V, weil Microsoft seinen Hypervisor in enger Zusammenarbeit mit Xensource entwickelt hat. Als Service-Betriebssystem, über das die Ein- und Ausgabeoperationen der Gastsysteme laufen, setzt Citrix jedoch Linux ein. Entsprechend ist Xenserver gegenüber Linux-Gästen wesentlich offener als Hyper-V, das in der ersten Ausführung ausschließlich Novells "Suse Linux Enterprise Server" unterstützt.

Angesichts des Kooperationsabkommens zwischen Microsoft und Citrix ist eine solche Arbeitsteilung durchaus beabsichtigt. Ähnlich wie der "Presentation Server" (neuerdings "Xenapp") seit Jahren die Terminaldienste von Windows erweitert, bieten Xenserver und Xendesktop fortgeschrittene Virtualisierungsfunktionen für die Microsoft-Welt. Allerdings konzentriert sich Citrix aufgrund seiner Ausrichtung auf "Application Delivery" stärker auf die Desktop-Virtualisierung, so dass nicht absehbar ist, ob das Unternehmen tatsächlich ein führender Anbieter bei Server-Virtualisierung wird - auch wenn es die technischen Voraussetzungen dafür mitbringt.

Die von beiden Unternehmen geplanten Verwaltungs- und Migrationswerkzeuge sollen einen möglichst reibungslosen Parallelbetrieb der Systeme ermöglichen. Derzeit kann Microsofts Virtual Machine Manager 2008 zwar VMware-Server mitverwalten, die Unterstützung für Xenserver soll aber erst in einer späteren Version nachgeliefert werden. Citrix möchte seinerseits im Lauf dieses Quartals die "Essentials for Hyper-V" auf den Markt bringen, die voraussichtlich einige Xenserver-Features für Hyper-V nachliefern, beispielsweise Live Migration. Bei den Formaten für virtuelle Festplatten marschieren beide Hersteller bereits im Gleichschritt, seit der Xenserver VHD-Images unterstützt.

Die Brückenbauer

Neben zahlreichen kleineren Firmen, die das Management von virtualisierten Infrastrukturen mit spezialisierten Lösungen ergänzen, versuchen einige größere Hersteller mit ihren Frameworks die Gräben zwischen den Plattformen zu überbrücken. Der Anspruch geht jedoch kaum darüber hinaus, für die diversen Produkte eine einheitliche Konsole zu bieten.

  • Die IBM gilt zwar als Erfinder der Hardwarevirtualisierung, sie möchte aber auf x86-Systemen auf einen eigenen Hypervisor verzichten. Das Unternehmen greift als Integrator in seinen Projekten auf VMware und Citrix zurück. Allerdings bietet die IBM für das System-Management-Tool "Director" eine Extension an, die das quelloffene Xen um wesentliche Features für den Unternehmenseinsatz ergänzt. Dieser "Virtualization Manager" eignet sich auch als Frontend für VMware ESX, wobei für fortgeschrittene Funktionen wie VMotion doch wieder vCenter erforderlich ist. In Microsoft-Umgebungen kann Director den Virtual Server verwalten, eine Unterstützung für Hyper-V steht noch aus.

  • Quest Software bietet über ihre Tochter Vizioncore mehrere Tools an, die das Management heterogener Umgebungen erleichtern sollen. "vConvert" etwa dient der Konvertierung von virtuellen Maschinen zwischen unterschiedlichsten Formaten, wobei das Werkzeug neben der manuellen Umwandlung auch einen Batch-Modus kennt, der sich besonders für die Migration zahlreicher VMs auf eine andere Plattform eignet. Andere Tools von Vizioncore wie "vMigrate", " vFoglight" oder "vReplicate" beschränken sich derzeit noch auf den Marktführer VMware.

  • Novell befindet sich mit Suse Linux Enterprise Server ebenfalls im Xen-Lager. Über den Zukauf von Platespin gelangte das Unternehmen an plattformübergreifende Tools, die neben der Konvertierung von Images auch weitergehende Aufgaben beherrschen. So ist etwa "Migrate" in der Lage, VMs zwischen allen gängigen Hypervisors zu verschieben.