High-Tech-Unternehmen gegründet

Andechser Mönche wollen Gemeinden in Bayern Internet-fähig machen

03.12.1998
Von Angelika Keller* HERRSCHING - Im oberbayerischen Kloster Andechs ist die Gesellschaft für Zukunftstechnologien Andechs (GZA) gegründet worden. Die durchaus weltlich orientieren Mönche der als Brauerei und Touristen-Wallfahrtsort bekannten Benediktinerabtei wollen mit Partnern einen vermeintlichen Zukunftsmarkt wie virtuelle Rathäuser nicht nur mit ins Gebet, sondern auch ökonomisch ins Visier nehmen.

Ein Sixpack Klosterbier aus dem Online-Shop - kein Problem für Kunden des Klosters Andechs. Der fortschrittliche Benediktinerorden bietet unter der Web-Site "www.andechs.de" pünktlich zur Adventszeit auch noch andere Souvenirs an. Möglich ist dies durch eine der ersten Auftragsarbeiten, die die GAZ abgeliefert hat. Die auf Initiative der Hausherren auf dem Klosterhügel in Andechs, im Volksmund auch "Heiliger Berg" genannt, gegründete Multimedia-Company übernahm die vorläufige Gestaltung des Online-Auftritts. Im Business-Plan für das kommende Jahr stehen bereits zahlreiche Consulting- und Softwareprojekte für Städte und Kommunen der Region, die für ihre Bürger künftig via Multimedia und Internet ansprechbar sein wollen.

"Kommunikation ist die originäre Aufgabe der Kirchen; die Bibel ist die wortgewordene Mitteilung Gottes an die Menschen", begründete Pater Anselm, Prior des Klosters Andechs, in der ihm eigenen Sprache gegenüber der Presse das Engagement seines Ordens in der High-Tech-Szene. Die Begeisterung für moderne IuK-Techniken geht in Andechs sogar so weit, daß man sich anfangs mit 15 Prozent an der GZA beteiligen wollte. Das aber wurde dem Konvent zu weltlich, so daß sich Pater Anselm nun mit einem Sitz im Aufsichtsrat begnügt. Er und seine Klosterbrüder profitieren aber durch einen Kooperationsvertrag, der der Benediktinerabtei auch weiterhin die Dienste der GAZ sichert - etwa das Brennen einer CD oder die Konzeption weiterer Internet-Auftritte. Wie überhaupt die Mönche recht nah dem Zeitgeist kommunizieren: Alle 25 Computerarbeitsplätze der Brauerei sind via Glasfaser vernetzt.

Doch zurück zur GZA: Das Unternehmen gehört zu 93 Prozent der Deutschen Phonesat Online GmbH, Andechs, einer Tochter der Deutschen Phonesat Holding, Berlin. Weitere fünf Prozent der Anteile sind in Händen der Nürnberger Beteiligungsgesellschaft IVC GmbH; zwei Prozent hält Gunter Oesterhelt, renommierter IuK-Experte sowie Berater der Bayerischen Staatsregierung. Die GZA-Gründung ist auch im Zusammenhang mit dem schon 1994 aufgelegten "top-elf"-Programms des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu sehen. Ziel der Initiative war und ist es, die Nutzung sogenannter Telematikdienste im ländlichen Raum zu fördern und zu unterstützen. Während sich top-elf jedoch eher an kleine Unternehmen richtet, hat sich die GZA primär Städte und Gemeinden als Zielgruppe auserkoren.

So soll unter anderem ein virtueller Unternehmensverbund geschaffen werden, der speziell in ländlichen Gebieten zur Etablierung zukunftssicherer (Tele-)Arbeitsplätze führt. Sind erst die Arbeiten an besagtem Online-Shop für die Klosterbrauerei abgeschlossen, will die GZA in Andechs das lokale Informationssystem "LIS" unter dem Stichwort "Geo-Informatik" errichten. Hier sollen Lösungen demonstriert und modellhaft implementiert werden, die Kommunen und Bürgern die Nutzung moderner IuK-Techniken ermöglichen - das vielzitierte virtuelle Rathaus eben. Beispielsweise dadurch, daß man sich mit ein paar Mausklicks eine bestimmte Dorfstraße auf den Bildschirm des PCs laden kann - alle anliegenden Häuser mit Verbrauchsdaten für Strom und Wasser inklusive. Ein digitales "Multimedia-Kataster", wie "Der Spiegel" es bezeichnete.

Daß das Hamburger Nachrichtenmagazin die Andechser Mönche in einem sehr launigen Vorbericht in puncto GAZ-Gesellschafter in die Nähe alter SED-Seilschaften rückte, ficht Pater Anselm und seine Mitstreiter nicht weiter an. Jedenfalls hätte die GZA ihren Firmensitz nicht besser wählen können. Der Heilige Berg zieht jedes Jahr rund 1,5 Millionen Besucher an - 1,5 Millionen potentielle Interessenten für das Angebot der GZA, wie Geschäftsführer Werner Kuhnert meint. Der frühere Chef der deutschen Niederlassung des Videokonferenz-Spezialisten Picturetel will deshalb auch ein Internet-Café einrichten, das die Jugendlichen und Schulklassen anspricht, die das Kloster besuchen.

So richtig ins Rollen dürfte das Vorhaben freilich erst kommen, wenn der Neubau der GZA am Fuße des Klosterbergs im Juli kommenden Jahres fertiggestellt ist. 30 Experten sollen sich dann um die Entwicklung und Vermarktung des GZA Serviceportfolios kümmern. Über die eigene Web-Site ist den Brauern in Andechs nun aber schon einmal die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit für das Bier aus Deutschlands größter Klosterbrauerei sicher.

*Angelika Keller ist freie Journalistin in Herrsching bei München.