Experton zu Unified Computing

Anbieter wittern gute Geschäfte

18.10.2012
Von Wolfgang  Schwab
Wir haben Wolfgang Schwab von der Experton Group gebeten, den Trend zu vorkonfigurierten Systemen aus Analystensicht zu bewerten. Cisco, Hewlett-Packard, IBM und Oracle gehen den Markt nach seiner Einschätzung unterschiedlich an.
Foto: alphaspirit, Fotolia.de

Unified Computing beschreibt im Grunde eine Art von "Computing Appliance", die Server, Storage, Connectivity und im Idealfall einen Software- und Middleware-Stack in einem System vereint. Sämtliche Komponenten des Stacks sollten aufeinander abgestimmt sein, so dass keine weiteren Optimierungen notwendig sind. Die Grundidee ist, eine performante Lösung bereitzustellen, die die Implementierungs-, aber auch die Betriebskosten im Vergleich zu herkömmlichen Server- und Storage-Architekturen deutlich reduziert. Die wesentlichen Anbieter in diesem Umfeld sind heute Cisco, Hewlett-Packard, IBM und Oracle, mit jedoch durchaus unterschiedlichen Ansätzen (siehe auch das Positionierungschart auf Seite 19).

Cisco

Cisco war der erste Anbieter, der im Jahr 2009 mit "Unified Systems" den neuen Ansatz der Hardware-Middleware-Integration auf einer x64-Plattform auf den Markt brachte. Das Zusammenspiel zwischen Cisco und VMware sowie einigen Storage- Anbietern, insbesondere EMC und Netapp, scheint gut zu funktionieren - Kunden sind weitgehend zufrieden mit der angebotenen Lösung und dem Support. Cisco selbst positioniert seine Unified Systems als die logische Erweiterung des Portfolios rund um die eigene Netzwerkinfrastruktur. Entsprechend ist die Hardware auch auf Ciscos Komponenten hin optimiert, andere Netzwerkinfrastruktur-Anbieter sind aber nicht ganz von der Plattform ausgeschlossen.

Was die Konfiguration der auszuliefernden Systeme für bestimmte Workloads angeht, so konzentriert sich Cisco derzeit auf die im Business-Umfeld wichtigsten Bereiche: Applications-Solutions, Big Data, Datenbanken, ERP beziehungsweise SAP sowie Virtual Desktop Infrastructure (VDI). Im Wesentlichen zeigen sich im Umfeld des Unified-Computings-Angebots von Cisco allerdings zwei Kritikpunkte:

  1. Unified Systems gibt es nur mit x64-Prozessoren. Das kann zu größeren Migrationsprojekten führen, wenn Workloads von HP-UX oder Solaris auf Linux oder Windows Server migriert werden sollen.

  2. In heterogen zusammengesetzten Umgebungen (Standard-Server plus Unified Systems) kommen die System-Management-Vorteile nur teilweise zur Geltung, weil eine Integration in bestehende Infrastrukturen zwar möglich, aber nicht trivial ist.

Hewlett-Packard

Hewlett-Packard stellt sich mit seinen Converged Systems ähnlich wie Cisco auf, verzichtet jedoch auf die Zusammenarbeit mit Softwarepartnern und erstellt den kompletten Hardware-, Management- und Cloud-Stack in Eigenregie beziehungsweise mit eigenen Produkten. Ein theoretischer Vorteil gegenüber Cisco ist der Umstand, dass verschiedene x64-Architekturen zum Einsatz kommen, wie beispielsweise auch Itanium-Server, so dass neben Windows Server und Linux auch HP-UX Workloads integriert werden können.

Die Experton Group gibt der Itanium-Unix-Architektur von HP allerdings nur noch maximal drei bis vier Jahre, bis die Plattform bedeutungslos wird - der genannte Vorteil kommt also nicht lange zum Tragen. Ebenso wie Cisco bietet HP derzeit nur eingeschränkte Business-Lösungen für ERP und in verwandten Anwendungsbereichen. Eine echte Business-Integration wäre wünschenswert.

Oracle

Oracle geht das Thema Computing Appliance mit seinen "Engineered Systems" deutlich konsequenter an als Cisco und HP. Der US-Konzern baut echte Appliances mit dem kompletten Stack von der Server-Hardware bis zur Anwendung. Dabei kommen je nach Appliance entweder x64- oder die - mittelfristig ebenfalls obsoleten - Sparc-Architekturen zum Einsatz. Mit sieben unterschiedlichen und weitgehend proprietären Systemen adressiert Oracle die Themen Datenbanken, Storage, Clustering und Big Data. Nicht zu unterschätzen ist der automatische Vendor-Lock-in bei derartig spezialisierten und komplett ausgestatteten Appliances, da ein Hardware- und/oder Softwarewechsel sehr aufwendig ist.

IBM

Foto: IBM

IBM trat als letzter der großen Anbieter in den Markt für Unified Computing ein, hat dafür aber die Hausaufgaben schon weitestgehend abgeschlossen. Die Systeme verfügen über "integrierte Expertise", so das Versprechen des IBM-Marketings, die die Einfachheit einer Appliance mit der Elastizität der Cloud und der Flexibilität von herkömmlichen Server-Storage-Systemen vereinen soll. IBMs "PureFlex"-System ist eine Infrastrukturlösung, welche neben Servern (x, i oder p) sowie Storage (Storwize) zusätzlich noch eine Cloud-Management-Schicht beinhaltet.

Dieses System lässt sich also mit einer IaaS-Lösung vergleichen. Für die Middleware- und Application-Schicht ist der Kunde verantwortlich. IBM liefert hierzu Patterns und Images, um die Integration und das Tuning zu vereinfachen. Deutlich weiter geht die Integration bei den "PureApplication"-Systems, die mit einer PaaS- beziehungsweise SaaS-Lösung vergleichbar sind. Unabhängige Softwarehäuser stellen über das PureSystems-Center bereits für das System optimierte Business-Applikationen zur Verfügung.

Auswirkungen auf IT-Abteilungen

Insbesondere bei Anwendern mit eher durchschnittlichen Anforderungen fällt das oft notwendige Tuning von einzelnen Systemen weg. Weiterhin erforderlich bleibt allerdings das Tuning über Systemgrenzen hinweg, besonders wenn integrierte Komplettsysteme mit traditionellen Komponenten interagieren sollen. Hier entstehen im Zweifelsfall sogar neue Herausforderungen, da das Tuning von Standardkomponenten in aller Regel gelernt ist, die Anpassung von integrierten Komplettsystemen hingegen eher nicht.

Insgesamt dürften die Betriebskosten für Unified-Computing-Lösungen niedriger sein als bei Standardsystemen und auch weniger personelle Ressourcen binden. Das gilt vor allem, wenn homogene Landschaften betrieben werden. Nicht unterschätzt werden sollten allerdings eine sorgfältige Planung und der Aufbau von Skills für Unified Computing.

Fazit

Die Anbieter haben natürlich ein starkes Interesse, solche Systeme anzubieten, da mit ihnen eine klare Differenzierung von der Konkurrenz und unter Umständen höhere Margen möglich sind. Auch für Anwender kann es Vorteile geben: im Beispielfall der IBM PureSystems, wenn das Data Center schon heute auf Websphere und DB2 standardisiert ist. Allerdings ist das relativ selten, oft herrscht applikationsgetrieben eine starke Heterogenität. Die neue Generation von Unified Computing erhöht zunächst die Komplexität, da ein weiteres System hinzukommt.

Das Wichtigste für die Anwender ist also eine klare Standardisierungsstrategie. Der stehen aber oft heterogene Applikationslandschaften im Weg. Die Herausforderung ist, einen realistischen Weg zu einem höheren Standardisierungsniveau festzulegen und kontinuierlich zu beschreiten. Unified Computing, egal von welchem Hersteller, kann dabei helfen. Eine Alternative ist aber auch, selbst eine geeignete Middleware-Schicht zu definieren. Damit ist zwar der Integrationsaufwand höher, es sind aber Vorteile bezüglich Offenheit und Flexibilität zu verzeichnen. (ba)