Monterey-Allianz um IBM und SCO

Anbieter von Intel-Unix streben in die Oberliga

03.09.1999
SANTA CRUZ (ws) - Die Koope- ration mit IBM und die steigende Leistungsfähigkeit von Intel-Prozessoren sollen für SCOs PC-Unix Einsatzgebiete erschließen, die bis dato der Risc-Oberliga vorbehal- ten blieben. Gleichzeitig sind die konkurrierenden Unix-Anbieter überzeugt, daß Microsoft aufgrund der NT-Defizite bei Stabilität und Skalierbarkeit bis auf weiteres diesen Markt nicht erobern kann.

Aus der Sicht der Santa Cruz Operation (SCO) teilt sich das Unix-Lager in die proprietären Systeme und den "High-Volume"-Markt. Letzterer profitiere von den großen Stückzahlen der Standardbauteile, insbesondere der Intel-CPUs. Neben geringeren Kosten für die Hardware hätte der Anwender dort den Vorteil, Maschinen und Betriebssysteme von Anbietern seiner Wahl beziehen und frei kombinieren zu können. Demgegenüber stammen im traditionellen Unix-Markt Rechner, Betriebssystem und Support aus einer Hand. Die steigende Leistungsfähigkeit von Standardhardware soll nach Vorstellung der SCO-Verantwortlichen das proprietäre Modell nach und nach verdrängen ("We want to take out the risc from your business").

In der Praxis freilich verlaufen die Fronten längst nicht so klar. Mit IBM und Compaq hat sich SCO zwei Partner ins Boot geholt, die ihre Risc-Architekturen nicht zugunsten von Intel-Systemen aufgeben wollen. Im Rahmen des Monterey-Projekts entwickeln IBM und SCO ein Unix, das über den IA 32, IA 64 und den Power-PC hinweg einheitliche Programmier-Schnittstellen anbietet und die Portierung zwischen den verschiedenen Plattformen auf ein bloßes Neukompilieren beschränken soll (siehe CW 3/99, Seite 15). Big Blue positioniert dabei die Intel-Variante dieses Gemeinschaftsprojekts zwischen Linux im unteren Segment und den RS/6000-Rechnern im oberen Bereich. Ähnlich sieht es vorerst bei SCO-Partner Compaq aus, der ebenfalls Linux für kleine Firmen und Abteilungen vorsieht, am oberen Ende aber an seinem "True 64" für die Alpha-Plattform festhält.

Die sogenannten proprietären Anbieter greifen - anders als die vereinfachte Sichtweise mancher Firmen nahelegt - schon länger auf Standardbauteile zurück. Hauptkonkurrent Sun könnte eines Tages schließlich auch seinen Ultrasparc-Chip zugunsten des IA 64 aufgeben, ohne in große Verlegenheit zu kommen - das Betriebssystem Solaris wird bei Erscheinen der 64-Bit-Intel-CPU in einer dafür angepaßten Version vorliegen. Doug Michels, Mitbegründer und CEO von SCO, räumte auf der diesjährigen Entwicklerkonferenz "SCO Forum" zwar ein, daß die Umstellung auf Intel für die Risc-Anbieter keine großen technischen Probleme aufwerfen würde. Die eigentlichen Schwierigkeiten "wird ihnen ihr Geschäftsmodell bereiten, das von hohen Margen abhängt". Die Gewinnspannen hochpreisiger Risc-Maschinen gehörten mit der wachsenden Leistungsfähigkeit von Intel-basierten Systemen bald der Vergangenheit an.

Trotz der tendenziellen Entflechtung von Hardware und Betriebssystem sind weiterhin die- jenigen Hersteller im Vorteil, die mit einem Komplettangebot aus beiden Teilen aufwarten. Kommen Hardware, Operating System und Anwendungen von verschiedenen Anbietern, neigen diese bei Problemen dazu, die Schuld dafür auf die jeweils anderen Lieferanten zu schieben. Branchengrößen wie IBM oder Compaq können dagegen Support für die gesamten Systeme anbieten, Big Blue zusätzlich noch für die ganze Middleware, die der IT-Riese auf Monterey portieren will.

SCO als reines Softwarehaus ist dazu nicht in der Lage, der jetzige Partner IBM könnte sich deshalb zukünftig als größter Konkurrent erweisen. Angesichts des prekären SCO-Lizenzgeschäfts, das durch den Vormarsch von Linux unter Druck gerät, ist die Company aber gezwungen, ihr Service-Business auszubauen. Seine Chance sieht Doug Michels im Second-Level-Support, da es sich bei den Lösungsanbietern üblicherweise um Generalisten handle, die häufig auf das Spezialwissen von SCO bei Betriebssystemen zurückgreifen müssen.

Die am Monterey-Projekt beteiligten Firmen gehen davon aus, daß ihr System das dominierende Unix auf Intel-Rechnern wird. Aufgrund der erwarteten Stückzahlen sehen sie sich als diejenigen, die zukünftig die Standards für Unix setzen werden. Neben der Unix-98-Spezifikation soll der von der Monterey-Allianz vorgeschlagene Unix Developer''s Guide die Portabilität von Anwendungen zwischen den unterschiedlichen Derivaten auf Intel erleichtern. Der Leitfaden um- faßt gemeinsame Programmier-Schnittstellen und eine Reihe von binären Interfaces für Anwendungen. Unterstützung dafür kündigten neben SCO und IBM auch Compaq, Hewlett-Packard und Bull an. Unter den Softwarehäusern bekannten sich unter anderem Bea, Oracle, Informix, Peoplesoft und Progress zu dem geplanten Standard.

Allen Unix-Anbietern zugute kommen soll das Uniform Driver Interface (UDI), das eine ein- heitliche Treiberarchitektur für sämtliche gängigen Systeme definiert. Auf diesem Weg lassen sich Standardbauteile wie Control- ler oder Grafikkarten auch leichter auf Risc-Systemen nutzen, weil sich dank UDI voraussichtlich der Treibermangel reduzieren wird.

In letzter Zeit setzten allerdings weniger IBM und SCO die Standards im Unix-Markt, vielmehr veranlaßte der Linux-Boom die meisten Anbieter, ihr System kompatibel mit dem Open- Source-OS zu machen. Doug Michels spielt die Rolle von Linux in diesem Zusammenhang herunter, da die APIs zu dürftig seien. "Da waren wir ungefähr vor zehn Jahren, Linux unterstützt nicht einmal die Internationalisierungs-APIs XPG4", urteilt der SCO-Chef über das Freeware-System. "Ein halbwegs begabter Infor- matikstudent kann innerhalb von zwei Wochen die Linux-Kompatibilität etablierter Unix-Derivate herstellen."

Trotz dieser provokanten Äußerungen will sich SCO das Geschäft mit dem freien System nicht entgehen lassen. Das kalifornische Softwarehaus kündigte auf seiner diesjährigen Entwicklerveranstaltung entsprechende Dienstleistungen an (siehe CW 33/99, Seite 1). Doug Michels wehrte sich dabei gegen die Vorstellung, daß Linux kostenlos sei: "Wir werden unseren Kunden vorrechnen, was Linux im Vergleich zu Unixware bei bestimmten Anwendungen kostet. Entscheiden müssen die Anwender dann selbst. Wenn jemand glaubt, Linux koste nichts, dann wird er bald feststellen, daß Konfiguration und Anpassungen ihren Preis haben." SCO könne derzeit noch keine Angaben machen, welche Rolle dieser Servicezweig für die Firma spielen wird - zu unübersichtlich sei im Moment noch der Linux-Markt. Das Engagement erschien den Verantwortlichen wohl auch deshalb nötig, weil das freie System vor allem in jene Segmente drängt, die SCO derzeit mit dem "Open Server" und "Unixware" bedient. In eine höhere Liga soll das kommerzielle PC-Unix erst nach Freigabe des Merced-Chips aufsteigen.

Derzeit erreicht Unixware ho- he Leistungsfähigkeit nur über Clustering, da bei SMP-Systemen relativ schnell das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Auf dem SCO-Forum gab der Hersteller bekannt, daß Unixware 7.1 nun für die Nutzung von acht Pen- tium-III-Xeon-Prozessoren optimiert wurde. Auf der gleichen Veranstaltung stellte der Unix-Anbieter zusammen mit Com- paq das "Nonstop"-Clustering für dieses Unix-Derivat vor. Es soll nicht nur höhere Ausfallsicherheit bieten, sondern eigens dafür geschriebenen Anwendungen die ganze Rechenleistung des Server-Verbunds zur Verfügung stellen. Im Vergleich zu höher skalierenden Risc-SMP-Systemen büßen die gekoppelten Intel-Rechner aber meist ihren Preisvorteil ein, nicht zuletzt deshalb, weil die Kosten Cluster-fähiger Software oft kräftig zu Buche schlagen.

Nicht nur Linux, besonders auch Windows NT bedrängt Unix auf der Intel-Plattform. Wegen der Verspätung von Windows 2000 sieht SCO eine gute Gelegenheit, Boden gegen Microsoft gutzumachen. Allerdings steht SCOs High-Volume-Modell vor der paradoxen Situation, daß sich die großen Stückzahlen für Standardhardware vor allem dem Erfolg des Wintel-Lagers verdanken. Da Microsoft selbst auf absehbare Zeit aber kein 64-Bit- System auf den Markt bringen wird, dürften die Verkaufszahlen für den IA 64 vergleichsweise gering bleiben.

Um den Vorteil des Massenmarktes gegenüber der Risc-Konkurrenz ausspielen zu können, müßte SCO also kurioserweise auf den schnellen Einstieg der Gates-Company in das 64-Bit-Computing hoffen. Der SCO-Boß entkräftet diesen Einwand aber damit, daß das Geschäftsmodell und entsprechend auch die Preisgestaltung von Intel generell auf die Massenfertigung abgestellt seien - auch dann, wenn ein neuer Chip anfangs nicht so häufig verkauft wird.

Doug Michels sieht nicht nur in der Verspätung des NT-Nachfolgers den Grund für eine rosige Zukunft von Unix. Nach seiner Meinung hat sich das Blatt grundsätzlich gewendet. Microsoft beherrschte die klassische zweistufige Client-Server-Architektur, "bei der das Netzwerk nicht viel mehr leistete, als den Datenaustausch per Diskette zu ersetzen". Ein immer leistungsfähigerer Desktop-Rechner sollte nach und nach alle Aufgaben übernehmen. Das Internet habe aber jetzt der Gates-Company die Kontrolle über die Architektur entzogen, weil es die wesentlichen Aufgaben zurück auf den Server verlagert. Deshalb sind die Tugenden von Unix wie Skalierbarkeit und Robustheit wieder gefragt, NT habe die Anwender in dieser Hinsicht enttäuscht. Und es sieht auch nicht danach aus, daß Windows 2000 daran etwas ändern könnte. "Wenn ich sage, daß Windows 2000 bereits ein Fehlschlag ist, dann lacht heute niemand mehr - vor ein bis zwei Jahren war das noch anders. Man kann nicht über 30 Millionen Zeilen neuen Code produzieren und glauben, daß man damit ein stabiles System hinbekommt." Die Trendwende mache sich im Linux-Erfolg ebenso bemerkbar wie in der Ver- dreifachung des SCO-Aktienkurses innerhalb eines Jahres - und das, nachdem die Company über Jahre von der Presse totgesagt worden sei.