Europäer bleiben außen vor

Anbieter präsentieren in New York erste Net-PC-Hardware

20.06.1997

Nach der Präsentation des Konzepts war der Net PC häufig als die große Gegenoffensive der Wintel-Allianz gegen den Network Computer (NC) von Oracle und Co. gedeutet worden. Dies trifft nur bedingt zu, denn er ist keineswegs notwendigerweise ein "Thin Client". An Arbeitsplätzen, die auf Rechenleistung angewiesen sind, kann er durchaus zu einem echten Power-Rechner ausgebaut werden. Intel-Sprecher Heiner Genzken meinte dazu: "Wir haben unsere Lektion aus der NC-Offensive gelernt. Es geht beim Net PC vor allem um die Senkung der Total Costs of Ownership (TCO)."

Von einem herkömmlichen PC unterscheidet sich der Net PC in erster Linie durch stark erweiterte Management-Funktionen, etwa durch das Desktop Management Interface (DMI) und das Advanced Configuration and Power Interface (ACPI). Dadurch werden Fernwartung des Rechners und zentrale Softwaredistribution möglich, der personal- und zeitaufwendige "Turnschuh-Support" kann entfallen.

Bezüglich der Einsparungen, die mit Net PCs gegenüber herkömmlicher Hardware erreicht werden können, machte Intel eher bescheidene Zahlen geltend: Fünf bis 15 Prozent weniger würde das IT-Budget von Kunden belastet, die auf Net PCs umstiegen. Unabhängige Analysten haten im Vorfeld Kostenersparnisse bis zu 30 Prozent prognostiziert.

Unter den ersten global agierenden Herstellern, die in New York am 16. Juni ihre Hardware vorstellten, waren Compaq, Gateway 2000, NEC, Hewlett-Packard (HP), IBM sowie Dell, Mitsubishi und Unisys. Die durchweg ähnlich konzipierten Maschinen - teilweise wurden bei der Präsentation umgetaufte Intel-Systeme gezeigt - sollen innerhalb der kommenden drei Monate auf den Markt kommen und im Preis knapp unterhalb von PCs mit vergleichbarer Leistung liegen.

Erstaunlicherweise blieben die europäischen Hersteller, allen voran die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI), in der Veranstaltung und auch im begleitenden Pressematerial unerwähnt. Die anwesenden SNI-Produkt-Manager äußerten sich gegenüber der CW ausgesprochen verärgert über diese Tatsache. Schließlich liefere SNI schon seit der CeBIT Geräte an ihre Kunden, die im Prinzip bereits die Net-PC-Funktionalität und volle Software-Unterstützung böten und nicht wie der Net PC in vielen Bereichen erst auf Windows NT 5.0 warten müßten.

Für den "Industry launch" sei man aufgrund marginaler Inkompatibilitäten zur aktuellen Net-PC-Spezifikation nicht zugelassen worden. Daran sei Intel allerdings nicht ganz schuldlos. So habe SNI die für die Entwicklung des Upgrades von DMI 1.1 (von den aktuellen SNI-Rechnern unterstützt) auf 2.0 nötige Software erst später erhalten als einige der amerikanischen Konkurrenten. Es gebe in diesem Zusammenhang einigen Klärungsbedarf mit den zuständigen Intel-Managern.

Was Net PCs können

- Net PCs sind nicht grundsätzlich "Thin Clients", sondern je nach Anforderungen des Arbeitsplatzes auch für leistungshungrige Anwendungen wie "Visual Computing" (grafisch aufwendige Applikationen) geeignet.

- Software wird lokal vorgehalten, um auch im Falle von Netzwerkproblemen ein Weiterarbeiten zu ermöglichen.

- Desktop Management Interface (DMI) und Advanced Configuration and Power Interface (ACPI) sowie eine "Wake-on-LAN"-Funktionalität ermöglichen Fernwartung, zentrale Distribution und Pflege der Software, etwa nächtliche Updates.

- Disketten- und CD-Laufwerke fehlen, dadurch werden Manipulationen seitens der Anwender verhindert.