Klassisches BI reicht nicht mehr aus

Analytics-Projekte lavieren zwischen Zukunftsvision und Hausaufgaben

18.11.2016
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Two-Speed-IT für BI ist grober Unfug

Ferner geht es aus Sicht des Analysten auch um Geschwindigkeit. Unternehmen bräuchten die notwendige Performance bei der Integra­tion, Speicherung, Verarbeitung und Bereitstellung von Daten und Analysen. Konzepten wie einer Two-Speed-IT erteilt Bange jedoch eine klare Absage. Das passe für BI schlichtweg nicht und sei "grober Unfug". Der Analyst warnt davor, die Informationsfabrik könnte zusammenbrechen, wenn man sie auf dem Gleis der alten IT abstelle. Das klassische Kern-BI werde in Zukunft weiter benötigt, auch wenn man agiler und beweglicher werden müsse. Im BI-Kosmos von Bange gruppieren sich um einen stabilen BI-Core als Gravitationszentrum neue agile Analytics-Services.

Die BI-Realität in den Unternehmen scheint dem BARC-Analysten recht zu geben. Viele Initiativen drehen sich nach wie vor um diesen Kern. Es geht darum, Daten- sowie Analytics-Systeme aufzuräumen, zu ordnen und zu konsolidieren.

CERN: Datensilos aufbrechen

So beschrieb beispielsweise Jan Janke vom Cern auf dem BARC-Kongress seine BI-Ambitionen als "ganz klassisch". Das Pro­blem seien vor allem Datensilos gewesen, die suboptimal verbunden waren. Sein Ziel sei es, einen Single Point of Truth aufzubauen. Daran arbeitet Janke seit 2012, im kommenden Jahr soll die Neuausrichtung der BI-Strategie abgeschlossen sein. Im Rahmen des Projekts Iris bauen die Analytics-Experten im Cern an einem zentralen Echtzeit-Data-Warehouse, auf dem eine einheitliche Analyseplattform aufsetzen soll. Damit würden Janke zufolge mehrere bis dato domänenspezifisch organisierte Data Warehouses in einem zentralen System kon­solidiert.

Für Janke geht es zudem darum, die Kontrolle in seinem Analytics-Kosmos zu behalten. Rund 200 Fachleute würden direkt mit Abfrage-Cubes arbeiten, die mehrere Tausend anderen Mitarbeiter am CERN müssten dagegen die gewünschten Datenanalysen beantragen. Zwar tastet sich Janke vorsichtig an neue Methoden heran. So gibt es ein Werkzeug für Predictive Analytics, mit dessen Hilfe Betrugsversuche im Abrechnungssystem effizienter erkannt werden sollen. Doch der Cern-Mann stellt klar: "Ohne klassische BI geht bei uns gar nichts."

Lufthansa: Mehr Zeit für Analysen

Auch Heiko Merten, Senior Manager Business Intelligence Applications bei der Lufthansa, ist dabei, seine BI-Landschaft aufzuräumen. "Wir kamen aus einer unintegrierten Silo-Welt", erzählt der Manager. Berichte und Forecasts seien in weiten Teilen überfrachtet und unlesbar gewesen. Außerdem seien oft "Äpfel mit Birnen" verglichen worden.

Um Ordnung in diesem Informations-Overkill zu schaffen, hat Merten anhand der Kernprozesse zunächst ein klares System von Key Performance Indicators (KPIs) geschaffen. Darüber hinaus wurde das Reporting, das mit Excel aufgrund der Datenmengen und steigender Leistungsanforderungen ans Limit stieß, auf eine völlig neue Basis gestellt. Nun werden sämtliche Daten in einem zentralen Data Warehouse gesammelt und aufbereitet. Die Visualisierung der Analyseergebnisse funktioniert über einen Tableau-Server. Ziel sei es, nur noch 20 Prozent des Aufwands in die Vorbereitung der Daten zu stecken und 80 Prozent für Analysen verfügbar zu haben – "heute ist es oft noch umgekehrt".

Prinzipiell sollen alle Daten frei verfügbar sein, postuliert Merten und orientiert sich damit durchaus an den neuen Analytics-Paradigmen. Aber zu viele Freiheiten will der Manager dann doch nicht zulassen. Die Account-Manager sind angehalten, die vorkonfigurierten Berichte zu nutzen. Ihr Job sei es schließlich, sich um das Business zu kümmern und nicht mit Daten zu experimentieren.

Casinos Austria und M-Net: Mehr Daten in das System integrieren

Die Beispiele Cern und Lufthansa belegen, dass in Sachen Analytics noch einige Basis­arbeit ansteht. Dennoch sind die Unternehmen offen für neue Methoden wie Predictive Analytics oder die Erkenntnis, wie wichtig die Visualisierung von Analyseergebnissen ist. Letzteres haben auch die Casinos Austria erkannt.

Geschäftsbereichsleiter Christian Schütz hat ein Balanced-Scorecard-System entwickelt, mit dessen Hilfe das Management auf einen Blick erkennen könne, wie das Geschäft läuft. Dabei geht es auch um nicht monetäre Kennzahlen wie beispielsweise die Kundenzufriedenheit. Schütz denkt zudem bereits daran, zusätzliche Daten zu berücksichtigen wie zum Beispiel Informationen über Wetter und Verkehr. Sein Credo: "Wir wollen mehr Daten, die unser Geschäft beeinflussen, im System integrieren."

Teilnehmer am BARC Best Practice Award 2016 Kategorie Mittelstand (v.li.n.re.): Jan Janke, stellv. Leiter Abt. „Administrative Informationssysteme", CERN; Mag. Christian Schütz, Geschäftsbereichsleiter Casinos Austria AG und Sieger in der Kategorie Mittelstand; Markus Kolp, Business Intelligence Analyst, M-net Telekommunikations GmbH.
Teilnehmer am BARC Best Practice Award 2016 Kategorie Mittelstand (v.li.n.re.): Jan Janke, stellv. Leiter Abt. „Administrative Informationssysteme", CERN; Mag. Christian Schütz, Geschäftsbereichsleiter Casinos Austria AG und Sieger in der Kategorie Mittelstand; Markus Kolp, Business Intelligence Analyst, M-net Telekommunikations GmbH.
Foto: BARC

Das hat auch Markus Kolb von M-Net in seinem Business Intelligence Competence Center umgesetzt. Für die 800 Mitarbeiter des Netz­betreibers wurde ein Cockpit entwickelt, das anzeigt, wie rentabel einzelne Gebiete laufen. Anhand der Abbildung der Netztopologie im System bekommen die M-net-Mitarbeiter dabei Einblicke bis auf die Ebene einzelner Kunden.