IBM-Chef Jetter im Interview

"Analytics gehört die Zukunft"

10.01.2011
Von  und
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.

IBM Deutschland orientiert sich neu

CW: Stichwort Dienstleistungen. Die IBM hat sich seit dem Amtsantritt von Louis Gerstner im Jahr 1993 immer mehr zum Serviceunternehmen entwickelt. Nun hat IBM Deutschland ein Buch mit dem Titel "Ändere das Spiel" veröffentlicht, in dem vor allem der Transformationsprozess der deutschen IBM-Tochter in den vergangenen vier bis fünf Jahren beschrieben wird. Warum war diese Transformation notwendig?

Jetter: Verschiedene Faktoren haben eine Rolle gespielt. Wir haben intensive Studien betrieben, um herauszufinden, wie sich das Kaufverhalten in der IT verändert und wie wir uns im Zuge dessen umorientieren müssen. Dabei kristallisierten sich drei Typen heraus: Zum einen gibt es sehr erfahrene Kunden, die von uns bestimmte Komponenten kaufen, ohne sich groß mit uns auszutauschen. Sie wissen genau was sie wollen und integrieren diese Komponenten auch selbständig in die vorhandene IT. Eine zweite Gruppe sind Unternehmen oder Institutionen, die ein bestimmtes Thema mit Hilfe von Informationstechnik erschließen wollen. Diese Gruppe hat noch keine klare Vorstellung was sie eigentlich braucht. Zwischen diesen Polen gibt es Unternehmen, die die Integration der Systeme zum Teil selbst leisten, zugleich aber auch in größerem Umfang auf externe Spezialisten zurückgreifen.

CW: Wie stellt sich IBM vor diesem Hintergrund auf?

Jetter: "Heute arbeiten bei uns so viele Menschen im Bereich Dienstleistungen wie früher in der Produktion, die es heute in Deutschland nicht mehr gibt."
Jetter: "Heute arbeiten bei uns so viele Menschen im Bereich Dienstleistungen wie früher in der Produktion, die es heute in Deutschland nicht mehr gibt."
Foto: IBM

Jetter: Eine Erkenntnis ist, dass wir Beratungskompetenz brauchen, die stark prozess- und branchenorientiert ausgerichtet ist. Zum anderen geht es auch um die Organisationsstrukturen innerhalb der IBM in Deutschland. Viele andere Industrien, beispielsweise die Textil- oder die Automobilbranche, haben vorgemacht, dass die Wertschöpfungskette - das heißt ein Produkt oder eine Dienstleistung - nicht mehr lokal entsteht, sondern an verschiedenen Standorten. Am Ende werden die Komponenten aggregiert. Ich arbeite jetzt 25 Jahre für IBM und habe erlebt, wie das Hardwaregeschäft zur Commodity wurde. Ich darf Ihnen aber sagen, dass sich das Dienstleistungsgeschäft mit einem steileren Gradienten in noch kürzerer Zeit Richtung Commodity entwickelt. Damit ist eine gewisse globale Integration nicht nur in der klassischen Form für Produkte sondern eben auch für Dienstleistungen unabdingbar. Heute arbeiten bei uns so viele Menschen im Bereich Dienstleistungen wie früher in der Produktion, die es heute in Deutschland nicht mehr gibt. Wir mussten uns also in der Aufbau- und der Ablauforganisation sehr früh damit auseinandersetzen, was globale Integration im Servicebereich bedeutet. Dazu gehört auch die Frage, wie wir Kolleginnen und Kollegen aus Indien, China, Rumänien und vielen anderen Nationen in die Wertschöpfungskette integrieren können.