Web

Analysten zweifeln an Wachstumsprognosen für die IT-Branche

17.03.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Im Gegensatz zu den meisten anderen Industriebereichen sind die Ergebnisprognosen der Wall Street für IT-Firmen seit Jahresbeginn nahezu unverändert geblieben. Immer mehr Analysten zweifeln jedoch, dass die Branche die geopolitischen Krise verbunden mit deren möglichen Auswirkungen auf die Weltkonjunktur sowie auf die Investitionsbereitschaft der Unternehmen unbeschadet überstehen kann.

In der vergangenen Woche sagten die Marktbeobachter für die im Standard and Poor's 500-Index gelisteten Technologiefirmen ein Ergebniswachstum um 15 Prozent voraus. Die Prognose liegt damit nach Angaben von First Call lediglich um einen Prozentpunkt niedriger als zu Jahresbeginn. Insgesamt wurden die Prognosen für den Index jedoch seitdem um 35 Prozent zurückgefahren. Überraschender ist dabei noch der Umstand, dass die Erwartungen insbesondere nach dem traditionell schwachen Anfangsquartal in die Höhe schossen. Laut First Call rechnen die Analysten für den laufenden Dreimonatszeitraum im Schnitt mit einem Ergebniswachstum um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr, im dritten Quartal sollen die Gewinne der einschlägigen Unternehmen sogar um 63 Prozent ansteigen.

Chuck Hill, Research Director bei First Call, sieht den Mangel an gesenkten Prognosen als Zeichen dafür, dass langsam wieder Stabilität in des Handelssegment einziehe. Bestätigung dafür gäbe es spätestens im April, meint Hill, nach der Bewertung der Ergebnisse des ersten Quartals und den Prognosen der Firmen für den zweiten Dreimonatszeitraum.

Es gibt allerdings auch genügend Gründe, von einer übertrieben positiven Stimmung zu sprechen. So hätten die Aussichten auf einen Irakkrieg das Geschäft praktisch zum Stillstand gebracht, erklärt Roger McNamee, Gründer der Investment-Bank Silver Lake Partners dem "Wall Street Journal". Als Resultat würde jeder, der dazu in der Lage sei, einen geplanten Kauf bis auf weiteres hinausschieben. Die Konsequenzen für IT-Firmen, etwa Anbieter von Unternehmenssoftware oder Infrastruktur sind bekannt. Allerdings bestehe die Möglichkeit, dass Unternehmenskunden, die Investitionen im laufenden Quartal zurückhalten, diese im Folgequartal nachholen werden.

Viel Investoren unterschätzen das Ausmaß einer zyklischen Erholung, erläutert Arnie Berman, Analyst bei der Soundview Technology Group. Eine weitere Negativspirale durch wieder massenhaft einsetzende Gewinnwarnungen wie in den letzten beiden Jahren sei nur möglich, wenn sich die Lage katastrophal verschlechtern würde. Viel Marktbeobachter rechnen dagegen mit einer Kursrallye, wenn der Krieg beginnt - aus Erleichterung, so Berman.

Auch Patrick Mason, Softwareanalyst bei Pacific Growth Equities, ist der Ansicht, dass die Investoren pessimistischer als nötig seien. Während sie im vergangenen Jahr auf die Erholung der IT-Branche gesetzt und verloren hätten, seien die Ausgangsbedingungen nun deutlich besser: So hätten die Firmen ihre IT-Budgets für dieses Jahr bereits festgelegt, erklärte Mason, dabei zeigten sich einige der Unternehmen nun wieder etwas spendabler. Sein Kollege Erach Desai vom American Technology Research, warnte jedoch vor zuviel Euphorie. So dürfe man nicht unterschätzen, dass es etwa für Chiphersteller schwierig sei, nach den umfangreichen Kostenmaßnahmen und Entlassungen mehr Profit aus bestehenden Aktivitäten herauszuholen. (mb)