Analysten zeigen sich eher skeptisch HP plant mit Low-end-Modellen Einstieg in den Intel-Server-Markt

04.02.1994

HANNOVER (jm) - Mit der Vorstellung von drei als Einstiegsmodelle gedachten Servern fuer die Systemfamilie HP9000 Serie 800 sowie zwei Workstations der Rechnerlinie HP9000 Serie 700 unternimmt Hewlett Packard (HP) den Aufgalopp fuer den geplanten Einbruch in Intels Massengeschaeft der Tischrechner.

Ausserdem erweiterte HP das Rechnerspektrum HP3000 unter dem proprietaeren Betriebssystem MPE um acht Server. Die Modelle "918", "928", "968" und "978" bietet das Unternehmen in der LX-Ausfuehrung mit zwei sowie der RX-Variante mit vier freien Steckplaetzen an. Wie die Serie-800-Server und die neuen 700er-Workstations Modell "712/60" und "712/80i" arbeiten auch diese Maschinen mit dem PA- RISC-Prozessor 7100LC, ueber den zwar bereits vor 14 Monaten erstmals oeffentlich gesprochen wurde, der aber erst jetzt in HP- Rechnern eingesetzt wird.

Daneben praesentierte HP in Hannover neue X-Terminals: Neben die Modelle der 700/RX-Familie und als Ergaenzung zur Envisex-Linie treten nunmehr die "Entria"-X-Terminals.

HP umwirbt die Serie-800-Server "E 254", "E 35" und "E 45" als "Alternative zu PC-Servern". Allerdings musste Kurt Sibold, Vertriebsdirektor Mittelstand und Partner des HP- Unternehmensbereichs Computersysteme, auf Nachfrage konzedieren, dass Windows NT nicht Teil der Ankuendigung von Hannover sei.

Dieser Umstand ist insofern bemerkenswert, als es sich bei der 7100LC-CPU um einen sogenannten Bi-endian-Prozessor handelt. Das heisst, der Chip kann Daten sowohl nach dem Big-endian- als auch nach dem Little-endian-Byte-Anordnungsverfahren verarbeiten. Somit stuende der Weg fuer eine Portierung von Windows NT auf die HP- Plattform also offen.

Da HP auf diesem Ohr offensichtlich etwas taub zu sein scheint, zweifeln Brancheninsider wie Technologiekenner Michael Slater an HPs Willen, sich wirklich mit voller Ueberzeugung auf den Intel- Markt der PC-Server konzentrieren zu wollen. Wayne Eckerson, Analyst des Beratungsunternehmens Patricia Seybold Group aus Boston, gibt zu bedenken, dass andere Unternehmen aus dem RISC- Lager wie Sun am Low-end bereits Unix-Maschinen anbieten. Darueber hinaus haetten Firmen wie etwa Compaq, Dell und Unisys unter dem Preis-Leistungs-Aspekt vergleichbare Pentium-Maschinen bereits vorgestellt.

Diese Intel-Adepten bieten, so Eckerson weiter, zudem den Vorteil, dass auf den Pentium-Servern eine ganze Reihe von Betriebssystemen laufen, waehrend RISC-Maschinen die diesbezueglichen Wahlmoeglichkeiten in der Regel sehr begrenzten. Eckerts Argumentation muss allerdings relativiert werden - auch die Power- PC-Architektur ist bezueglich unterschiedlicher Betriebssysteme wenig geschmaecklerisch.

Dataquest-Marktforscher Marty Palka weist darauf hin, dass es fuer RISC-Plattformen weniger kommerzielle Anwendungen gibt als fuer den Intel-Markt. HP nennt zwar 5000 Applikationen, die auf dem HP-UX- Betriebssystem ablauffaehig seien. Von mindestens ebenso grosser Bedeutung duerfte aber sein, dass der Computerhersteller vergangenes Jahr eine Kooperation mit Novell angekuendigt hat, die die Portierung von Netware auf die PA-RISC-Hardware zum Gegenstand hat. HP-Anwendern stuende dann alle Software offen, die auf Novells Netz-Betriebssystem laeuft.

HP bietet zur Loesung der Softwareproblematik ausserdem sowohl Sunsofts Wabi als auch In- signias Softwindows an: Mit Wabi koennen 13 marktbedeutsame Windows-Applikationen wie unter anderem Word 2.0, Wordperfect 5.2, Lotus 1-2-3, Version 1.1, Quattro Pro 1.1 oder Paradox 1.0 auf den HP-Systemen genutzt werden. Mit dem PC- Emulator Softwindows liessen sich, so die HP-Aussage, alle DOS- und Windows-Anwendungen verarbeiten.

Die Modelle E 25 und E 35 sind ab sofort verfuegbar, erst im Mai 1994 kann man den E 45-Server kaufen.