DBMS-Anbieter tanzen auf vielen Hochzeiten, aber:

An DB2 führt heute kein Weg mehr vorbei

30.10.1987

Auch auf der diesjährigen Systems wurde es deutlich: Das große Zauberwort im Bereich der Datenbank-Management-Systeme (DBMS) heißt "Relationalität". Produkte mit diesem Label gibt es inzwischen für diverse Hardware- beziehungsweise Betriebssystem-Umgebungen. Die Machtposition hält indes IBM mit DB2 besetzt, und das trotz aller Kritik an der technischen Qualität dieser DBMS-Software.

"Viele User haben heute ihre gesamte DV-Umgebung auf IBM ausgelegt. Sie können es sich also gar nicht leisten, diese Investitionen von einem Tag auf den anderen über Bord zu werfen", charakterisiert beispielsweise Laura King, Vice President der kalifornischen Informix Software Inc., Menlo Park, die Situation in den meisten Anwenderbetrieben. Ziel für die unabhängigen DBMS-Produzenten müsse es folglich sein, diesem Kundenkreis Alternativen zu dem IBM-Paradepferd DB2 anzubieten, die mit der Welt von Big Blue harmonieren. Nur dann seien die Benutzer bereit, sich ein zweites DBMS-Standbein aufzubauen.

Der Marktführer aus Armonk hält heute bereits die meisten wirtschaftlich wichtigen Positionen mit seinen Hardware- und Betriebssystem-Produkten besetzt; folglich kommen auch diejenigen Datenbank-Anbieter nicht an DB2 vorbei, die ihre Systeme nicht nur in einer IBM-Version, sondern auch für die Umgebungen anderer Hersteller offerieren.

"Koexistenz mit DB2" lautet denn auch für die meisten dieser Drittanbieter die Devise. Das Risiko einer echten Konfrontation möchte keiner von ihnen eingehen, schon aus finanziellen Gründen. Dazu Helmut Wilke, Geschäftsführer der Frankfurter Relational Technology International GmbH: "Ich würde mir das sehr genau überlegen."

Franz Niedermeier, Geschäftsführer der Oracle Deutschland GmbH, München, verwehrt sich allerdings gegen den Gedanken einer Symbiose mit DB2: "So will ich das nicht sehen. Ich hoffe, daß die Anwender in Zukunft generell nicht mehr an einem relationalen Datenbank-Modell vorbeikommen."

Basis künftiger DBMS-Entwicklungen, darin sind sich die Kenner der Szene einig, wird die Abfragesprache SQL sein. Die Tatsache, daß IBM hier beim US-Normungsgremium ANSI seinen eigenen Standard als allgemein maßgeblich durchgedrückt hat, macht den unabhängigen Anbietern vorläufig keine großen Sorgen. "Schon aufgrund der Mitgliederzahl hat IBM natürlich sehr viel Einfluß beim ANSI", kommentiert Laura King, "aber es sind auch genügend Drittanbieter vertreten. Und ich hoffe doch, daß diese Leute entscheidenden Einfluß auf die künftige Entwicklung des Standards nehmen können. Denn vorläufig liegt ja erst das Kernstück der Norm vor".

Dennoch können die unabhängigen DBMS-Produzenten nicht leugnen, daß Big Blue die zentrale Power-Position im Markt besetzt hält. Aktionen gegen die aggressiven DB2-Geschäftspraktiken der IBM, sei es in den USA oder in der Bundesrepublik, geben sie wenig Erfolgschancen: "Wer die Macht der IBM kennt", meint stellvertretend für viele andere Oracle-Boß Niedermeier, "sollte sich keinen Illusionen hingeben. Man kann natürlich davon träumen, aber die Realiatät ist doch ganz anders." Seiner Erfahrung nach wird der klassische IBM-Kunde auch weiterhin Big Blue die Stange halten. Wenn es um die Entscheidung für ein Hardware-unabhängiges DBMS-Produkt geht, setzt auch Helmut Wilke primär auf "moderne Anwender", die sich eher in Richtung Unix orientieren: "Das ist ein sehr gefährlicher Trend für die IBM. Laura King ist hingegen der Ansicht, daß sich zumindest in den USA ein genereller Trend weg von Big Blue abzeichne. Die Anwender seien mündiger geworden; viele, die noch vor fünf Jahren kritiklos beim Marktführer gekauft hätten, würden heute sehr bewußt abwägen und sich durchaus auch für andere Systeme entscheiden, wenn die Qualität stimmt.

Zusätzliche Sicherheit bringt es, darin herrscht bei den meisten Unabhängigen Einigkeit, mit den eigenen Produkten nicht ausschließlich im "blauen Kielwasser" zu schwimmen. Denn je breiter das Hardware- und Betriebssystem-Spektrum ist, für das ein Datenbank-Management-System eingesetzt werden kann, desto weniger weit reicht natürlich auch der Arm der IBM.

Als maßgeblich für künftige DBMS-Entwicklungen gilt in der Branche das relationale Modell. Helmut Wilke geht mit seiner Prognose sogar noch einen Schritt weiter: "Ich würde sagen, am wichtigsten ist die verteilte Verarbeitung. Man kommt weg von den Mainframes, hin zu kleineren Rechnern. Die Herausforderung für Datenbank-Management-Systeme ist auch unter diesem Aspekt zu sehen."

Etwas weniger optimistisch äußert sich Franz Niedermeier. Verteilte DBMS-Produkte sind für ihn vorläufig lediglich ein Modewort: "Das ist wie CIM. Jeder spricht darüber, keiner hat es oder fuhrt es gar in Wirklichkeit ein. Bis zur Praxiseinführung der verteilten Systeme wird noch viel Wasser die Isar hinunterlaufen."