Am Beispiel Gerling: Netzwerkmanagement bei Hybridnetzen, Teil 2

An CP-Ring und Glasfaser führt kein Weg vorbei

17.04.1987

Im Rahmen einer professionell betriebenen Bürokommunikation darf die Zusammenführung der Kommunikationformen Sprache, Daten, Text und Bild in einem Hybridnetz nicht bei den Anwendungen halt machen. Darüber hinaus sind wesentliche andere Bereiche zu integrieren. Nach der im Teil 1 dargestellten Verkabelungsstrategie (siehe CW 15, Seite 24) steht nun das Thema Netzwerkmanagement im Mittelpunkt .

Ein komplexes Gebilde wie ein Hybridnetz mit einer Vielzahl von angebundenen Endgeräten der unterschiedlichen Kommunikationsformen, DV-Betriebsmitteln und Vermittlungseinrichtungen wird lebenswichtig für das Funktionieren eines Unternehmens.

Es ist die Grundlage für Information und Kommunikation sowohl innerhalb des Unternehmens als auch zu externen Geschäftspartnern. Deshalb sind hohe Anforderungen an die Funktionstüchtigkeit eines derartigen Geflechtes von Endgeräten und Netzen zu stellen. Von daher ist die Bedeutung eines Netzwerkmanagements nicht hoch genug einzustufen.

Dieser Begriff, der in der Datenkommunikation bereits seit längerem Verwendung findet, ist auf Hybridnetze zu erweitern, in denen neben der Datenkommunikation auch die Sprach-, Text- und Bildkommunikation subsumiert werden.

Der heutige Stand bei der Administration hausinterner Netze ist häufig durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet:

- Die Netze sind in Verteilerlisten erfaßt und werden manuell gepflegt.

- Es gibt keine Informationen über Netzgeräte und Auslastung.

- Es gibt je eine Gebührenerfassung für Sprach-, Daten- und Textkommunikation.

- Es erfolgt nur bedingt eine automatische Fehlerinformation.

- Die Wartung wird nach Störungsangaben initiiert; es gibt kaum Präventiv-Wartung.

Ohne den Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Vollständigkeit erheben zu wollen, ist dieser Katalog sehr unbefriedigend.

Generell ist die Aufgabe eines Netzwerkmanagements wie folgt zu definieren:

- Aufrechterhaltung des Betriebes des Gesamtsystems, bestehend aus allen Endgeräten von der Speicherschreibmaschine, die an das unternehmensweite Kommunikations- und Informationssystem angebunden ist, bis zum Host, und seine permanente Kontrolle;

- Unterstützung struktureller Erweiterungen und Veränderungen des Netzes;

- Vereinfachung der Wartung und Fehlersuche.

Durch die Bereitstellung entsprechender Daten ist einem Netzadministrator zur Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs und der frühzeitigen Gegenwirkung bei Fehlerfällen die Grundlage für eine Netzwerkplanung und -optimierung bereitzustellen.

Entscheidende Hilfsmittel für einen Netzwerkadministrator ist ein Network-Control-Computer (NCC), der laufend den Zustand des Netzes überwacht, von dem aus auf Bedarf zusätzliche Endgeräte generiert und im Fehlerfall Maßnahmen zu deren Beseitigung eingeleitet werden. Hier ist sehr aufmerksam die ISO-Standardisierung zum Thema Netzwerkmanagement zu beobachten, die nicht nur die einzelnen Netzwerk-Management-Dienste standardisieren will, sondern auch auf der Hardwareseite die Grundlage für Administration aller Endgeräte von einem NCC aus bildet.

Neben dem systemtechnischen Teil eines Netzwerkmanagements zur Aufrechterhaltung des Betriebes ist der anwendungsbezogene Teil - das Directory - hervorzuheben. Die Aufgabe des Directory liegt in der Einrichtung von Benutzerprofilen auf der Basis aktueller Personaldaten und eines leistungsfähigen Accounting sowohl für Sprach-, Daten- und Textkommunikation. Unter deren Einrichtung von Benutzerprofilen ist zu verstehen:

a) die Legitimation des Sachbearbeiters für den Zugriff auf Anwendungen; die Einrichtung von elektronischen Aktenordnern, die Freischaltung für Spezialanwendungen, die Art des Zugriffs auf Anwendungen (nur lesend oder auch schreibend); die Erteilung von Sprachleistungsmerkmalen;

b) die Zuteilung einer Kommunikationsnummer, die bekanntlich im ISDN für alle Dienste vereinheitlicht wird, sowie die Einrichtung einer Mailbox-Adresse die im Zuge der X.400-Standardisierung durchgängig werden soll; die Vermittlungsplätze für Sprache, Text und Daten (TP-Leitstelle) haben direkten Zugriff auf das Directory zum Zwecke der Weitervermittlung und der Anwenderinformation.

Das Gesamt-Szenario, bestehend aus Netzwerkmanagement und Directory, stellt sich wie in der Abbildung dar.

Folgende Anforderungen sind an ein Netzwerkmanagement beziehungsweise Directory zu stellen:

- Planung und Konfiguration aller Systeme unter Netzaspekten werden von einer Stelle (Netzadministrator) mit Hilfe des NCC durchgeführt;

- alle Systeme und Endgeräte müssen hierfür mit ihren physikalischen und logischen Anschlußmöglichkeiten sowie ihren netzübergreifenden Leistungsmerkmalen zwecks Konfigurationsmöglichkeiten im Netzwerk erfaßt werden;

- für das physikalische Netz muß die Möglichkeit der Änderung von Leitwegen bedingt durch Informationen über Verkehrs- und Flußmessung gegeben sein;

- alle Softwarestände und Systemversionen im Netz müssen erfaßt sein, damit neue Anwendungen auf ihren Einsatz hin geprüft werden können;

- Zusammenfassung aller Accounting-Anwendungen der einzelnen Kommunikationsformen in eine integrierte Accounting-Anwendung;

- Erfassung der Kommunikationskosten inklusive Leitung, Vermittlung, Hardware, Rechnerzeit im Accounting (auf Bedarf je Mitarbeiter);

- Erstellung von Auswertungen von sich häufig wiederholenden Fehlern zwecks Änderung der Konfiguration; dies bezieht sich auch auf Verkehrsmessungen und Leitungsstörungen;

- Erfassung von Engpässen im Netzwerk als Grundlage für eine Erweiterung des Netzes oder Leitwegänderungen;

- Möglichkeit der Fernadministration in zentralen und verteilten Systemen.

Auch bei dieser Auflistung ist nicht der Anspruch auf Vollständigkeit und Allgemeingültigkeit zu erheben. Trotzdem wird davon ausgegangen, daß einzelne Anforderungen von immer mehr Anwendern zukünftig gestellt werden.

Systemseitig unterschiedliche Tools

Um den Anforderungen an ein Netzwerkmanagement Genüge zu tun, werden systemseitig unterschiedliche Tools benötigt, auf die je nach Bedarf vom NCC zugegriffen werden muß:

a) Endgeräte-Datenbank

Erfassung aller am Netz angebundenen Endgeräte aller Kommunikationformen mit ihren physikalischen Schnittstellen, ihren Netzanforderungen und jeweiligen Leistungsmerkmalen.

b) Netzwerk-Dokumentationssystem (auf graphentheoretischer Basis) mit den Anforderungen:

- Darstellung des gesamten physikalischen Netzes,

- Erkennung von Engpässen des physikalischen Netzes mit der Möglichkeit der Berechnung von Lösungsvorschlägen,

- Ermittlung von Ersatzwegen bei Störungsfällen,

- Schnittstelle zur Endgerätedatenbank, um bei Installation von Endgeräten den entsprechenden physikalischen Leitungsweg bezüglich Datenvolumen und physikalischer Übertragung auszuwählen.

c) Netzwerk-Optimierungssystem, das in der Lage ist, bei Veränderungen der physikalischen Kommunikationswege oder der Gebührenstruktur der Bundespost alternative Verbindungen aufzuzeigen und zu berechnen.

Das unternehmensweite Directory wird gepflegt durch ein ständig "Ó jour" gehaltenes Personalinformationssystem. Mit der Schnittstelle zum Legitimationsverfahren werden die Benutzerprofile und -attribute eingetragen.

Wesentlich insbesondere für die externe Kommunikation ist die grundlegende Voraussetzung, daß die Kommunikationsanwendungen an das Directory des Unternehmens angebunden sind. Da es aus Performance-Gründen nicht sinnvoll sein kann, von jeder Kommunikationsanwendung aus auf das zentrale Directory zuzugreifen, kann zum Teil die Notwendigkeit bestehen, für jede einzelne Kommunikationsanwendung ein dediziertes Directory mit den jeweils spezifischen Angaben über die Kommunikationspartner zu fuhren .

Als Kommunikationsanwendungen sind die Dienste der siebten Ebene des ISO-Referenzmodells zu subsumieren, bestehend aus den Telematikdiensten: Message Handling System, Teletex, Btx, Telefax und Mixed Mode, und den Datenkommunikationsdiensten, wie Dialog (virtueller Terminal), File Transfer und Programm/Programm-Kommunikation.

Die Verbindung zum Accounting schafft die Grundlage für die Gebühreninformation. Sofern eine Kommunikationsverbindung zu einem Partner aufgebaut werden muß, dessen Adresse nicht in dem jeweiligen Directory hinterlegt ist, ist diese aus dem unternehmensweiten Directory zu laden. Darüber hinaus wird es ein offentliches Directory geben, auf das in dem Fall zurückgegriffen werden muß, wenn ein Kommunikationspartner auch im unternehmensweiten Directory nicht eingetragen ist.

Überlegungen laufen darauf hinaus, daß sich im Falle eines Zugriffs auf ein übergeordnetes Directory das untergeordnete Directory die Adresse "merkt". Sofern die Adresse längere Zeit nicht mehr benötigt wird, wird sie "vergessen".

Dr. Dirk Nouvortne ist Teamleiter "Bürokommunikation" im Bereich Datenverarbeitung und Arbeitsverfahren; Reiner Pliefke ist Gruppenleiter "Nachrichtentechnik" im Bereich Betriebsverwaltung des Gerling-Konzerns in Köln.