Flächendeckendes Rechnernetz für Fernmeldeämter:

Amtsrechnerkonzept des FTZ mit BS2000- Rechnern realisiert

09.11.1990

Wie jedes privatwirtschaftliche Unternehmen braucht auch das Fernmeldeamt aktuelle Informationen, um den Betrieb wirtschaftlich zu steuern und die Investitionen zielgenau zu planen. Daten dafür lassen sich um so detaillierter und effizienter zusammentragen, je näher die Informationsverarbeitung an Ort des Geschehens angesiedelt ist.

Dieser Zielsetzung folgt das Amtsrechnerkonzept, mit dessen Entwicklung das Fernmeldetechnische Zentralamt Anfang der 80er Jahre begann, und das die Deutsche Bundespost Telekom bis Ende 1990 realisiert haben wird. Dann werden die 108 Fernmeldeämter über 94 BS2000-Universalrechner miteinander verbunden sein.

Ausschlaggebend für die Entscheidung zugunsten des Siemens-Systems 7500 war das Betriebsystem BS2000, das ein "Wachsen-ohne-zu-wechseln" unter wirtschaftlich optimalen Gesichtspunkten ermöglichen sollte. . Die auf den Systemen laufende Anwendungssoftware wird im Endausbau an vielen wichtigen Aufgaben der Fernmeldeämter beteiligt. Bereits heute dienen die Amtsrechner als Basis für unterschiedliche parallel arbeitende Datenbank- und Datenkommunikations-Anwendungen.

Das aus vielen hunderttausend Leitungen bestehende Fernsprechnetz der DBP Telekom soll so dimensioniert sein, daß die Fernsprechteilnehmer jederzeit die gewünschte Verbindung zu jedem denkbaren Ziel erhalten und möglichst nie das vom Netz ausgelöste Besetztzeichen hören. Um das sicherzustellen, sammelt das Dialog-System "Vebel" Meßwerte und Daten, ermittelt daraus Verkehrsbelastungen im Fernsprechnetz und stellt die komprimierten Daten für die weitere Auswertung zur Verfügung. So lassen sich beispielsweise der Leitungsbedarf vorhersagen und entsprechende Veränderungen planen. Dem Ziel, den Betrieb der Fernsprechvermittlungsstellen zu optimieren dient "Bison-Bisam", ein für das Fernmeldewesen entwickeltes Online-Betriebsinformations-System. In Bison-Bisam sind alle Einrichtungen der älteren Vermittlungstechnik von rund 5000 Vermittlungsstellen erfaßt eher, die bei nächtlichen automatischen Prüfungen in den technischen Einrichtungen gefunden werden, sammelt das Programm und gibt sie morgens in Form von Wartungsaufträgen aus.

"Haiss" verschafft den schnellen Überblick

Statistische Auswertungen der Fehlermeldungen erschließen Schwachstellen. So lassen sich rechtzeitig geeignete Gegenmaßnahmen einleiten um die Bestände komfortabel führen.

Jedes Fernmeldeamt erteilt Aufträge an Lieferanten, Hoch und Tiefbauunternehmer und Spezialbetriebe für die wirtschaftliche, termingerechte und vollständige Abwicklung dieser Aufträge sorgt das Haushalts-, Auftrags-, Informations- und Steuerungssystem "Haiss." Es verschafft Klarheit über den Auftragsbestand, vorhandene Mittel, durch Aufträge gebundene Mittel und gibt dem Management einen schnellen Überblick über Investitionen und deren Verwendungszweck.

Ziel von "Tesy-M2" ist es, die Serviceleistungen gegenüber den Telekom-Kunden zu verbessern, zum Beispiel um in kürzester Zeit bestellte Datenleitungen bereitzustellen. Das Terminerinnerungs- und Informationssystem unterstützt, die beteiligten Dienststellen beim Einrichten und Entstören von Text und Datenanschlüssen. Papierbelege lassen sich im Rechner erfassen und weitgehend papierlos weiterbearbeiten.

Die Grundlagenplanung für das Fernsprechfernnetz (ISDN) ermöglicht "Büplaf". Aus den von Vebel ermittelten Ist-Daten wird mit Büplaf das künftige Fernnetz prognostiziert und in einer Leitungsbedarfs-Vorhersage festgehalten

Aufgrund der Ergebnisse werden neue Leitungen geschaltet Leitungsbündel verstärkt oder vermindert, geeignete, Übertragungstechniken gewählt und neue Direktverbindungen zwischen Ortsvermittlungen eingeführt. Hierbei fallen jährlich Tausende von Veränderungen an, die bundesweit zu koordinieren sind.

Das Gesamtangebot an Fernmeldebezogenen Anwendungen verteilt sich auf drei Ebenen und läuft auf Rechnern unterschiedlichen Leistung:

- Aus der unteren Ebene werden Personal Computer als Einzelplatz-Rechner eingesetzt, neuerdings auch im Verbund mit Mehrplatz-Systemen als Dienststellen-Rechner auf Unix-Basis, zum Beispiel mit den Sinix-Rechnern MX300 und MX500.

- Auf der mittleren Ebene kommen BS2000-Systeme als Amtsrechner zum Einsatz mit auf das jeweilige Fernmeldeamt abgestimmter Rechnerleistung.

- Aus der obersten Ebene arbeiten die Großrechenzentren .

Welche Programme auf welcher Rechnerebene verfügbar sind hängt vom jeweiligen Bedarf ab. Daten die im Fernmeldeamt entstehen und deren Auswertungen überwiegend vor Ort gebraucht werden sollen in Anwendungen eingebunden sein die auf Amtsrechnern laufen.

Auch bei Anwendungen die sich auf die einzelnen Fernmeldeämter konzentrieren ergeben sich zwangsläufig Kommunikationsbeziehungen. Für Statistiken sind beispielsweise Auswertungen mehrerer Ämter sinnvoll. Bestände müssen abgeglichen werden für die Administration ist der direkte Zugriff von zentraler Stelle aus erforderlich.

Datenfernverarbeitung auf der Basis von "Transdata" unterstützt alle damit zusammenhängenden Aufgaben. Zum einen enthält diese Siemens-Architektur die erforderliche Hardware einschließlich aller Komponenten die für den Aufbau komplexer Netzwerke erforderlich sind zum anderen die für den Betrieb und das Management erforderliche Software.

Das interne Datennetz der DBP Telekom ist so gestaltet daß jeder Rechner jeden anderen direkt über Datex-L erreicht. Auf neue und geänderte Anforderungen kann so schnell und ohne Aufwand reagiert werden. Zum Beispiel lassen sich Anwendungen mit dialog- und programmübergreifender Kommunikation aufbauen oder Endgeräte an beliebigen Standorten über den räumlich nächsten Vorrechner in das Netz integrieren. Hohe Datensicherheit ist Voraussetzung für dieses Netz. Bei Bedarf können sich berechtigte Benutzer bei anderen Rechnern anmelden und Programme und Datenbestände mitnutzen.

Neu ist die zweistufige Netzstruktur mit fünf Netzknoten als obere und den bundesweit installierten Amtsrechnern als untere Ebene, wobei letztere sternförmig am jeweils nächstliegenden Netzknoten hängen. Da diese ebenfalls miteinander vermascht sind kann jeder Amtsrechner jeden anderen erreichen. Über dieses Netz laufen auch die Dialoge zwischen den Terminals in den Ämtern und den zentralen Anwendungen, die die elf Großrechenzentren betreiben .

Die Integration von Fremdrechnern und die Koppelung an SNA-Netze erfolgen ebenfalls über das Transdata-Netz ist. Auch der Datentransport von und zu den Sinix-Rechnern wird künftig von Transdata-Bausteinen abgewickelt. Darüber hinaus ist das Siemens-System offen für OSI-(Open Systems Interconnection ) Protokolle oder für eine zentrale Administration. Das gesamte Rechnerverbundnetz wird lediglich von einem Standort aus verwaltet.

UDS und UTM-D als Basis jeder Dialoganwendung

Das auf den Amtsrechner genutzte Betriebsystem BS2000 mit virtueller Speicherverwaltung eignet sich für sämtliche 7500-Modelle im Timesharing . Transaktions- und Stapelbetrieb. Da es über alle Eigenschaften eines virtuellen Betriebssystems verfügt können - nach dem Prinzip der virtuellen Maschinen - mehrere Betriebssystem-Versionen auf dem selben Rechner installiert sein. Mit dem Datenbanksystem UDS und dem Transaktionsmonitor UTM-D verfügen die Amtsrechner über eine einheitliche Basis für Datenbank und Datenkommunikations-Anwendungen. Sie bilden das Kernstück jeder Dialoganwendung.

UDS ist ein in der Cobol-Sprache Codasyl (Conference of Data System Languages) programmiertes Datenbanksystem. Mit ihm lassen sich die vielfältigen organisatorischen, betriebswirtschaftlichen, technischen und administrativen Zusammenhänge im Fernmeldeamt abbilden, vor allem auch deshalb, weil UDS neben dem hierarchischen Aufbau von Daten auch relationale Strukturen zuläßt. Die Abfragesprache SQL (Structured Query Language) der vierten Generation ermöglicht darüber hinaus eine flexible und leicht anzuwendende Kommunikation.

Dank des Translationsprinzips des UTM-D können lokale Anwender auf entfernte Daten zugreifen und Verarbeitungsaufträge an entfernte Anwendungen erteilen. Die dafür vorgesehene Kommunikation wickelt der UTM-D selbsttätig ab. Er überträgt Dialog- und Asynchronnachrichten von Terminals an Programme und umgekehrt sowie von Programmen zu Programmen. Dabei können mit UTM-D kooperierende Anwendungen auf unterschiedliche DV-Systeme. zugreifen. UDS läßt sich mit UTM-D zu einem Datenbank-Datenkommunikationssystem DBDC koppeln, in dem die Transaktionen des Datenbanksystems synchronisiert mit dem UTM-Transaktionen ablaufen.

Bundesweit wurden drei Diagnose- und Steuerzentren (DIAS) eingerichtet, in Hannover Düsseldorf und Mannheim. Systembetreuer beraten von dort aus die DV-Betriebskräfte in den Fernmeldeämtern und greifen bei schwierigen Aufgaben direkt ein. Erforderlichenfalls kann ein Amtsrechner sogar von einem Diagnosezentrum fernbedient werden.

Datenverluste werden vermieden

Damit nicht unberechtigte auf Daten zugreifen können, wird der Zugang über Benutzeridentifikationen, bestehend aus Paßwort und physikalischer Terminalkennung, gesondert geprüft. Diese Aufgabe übernimmt standardmäßig der Transaktionsmonitor UTM-D oder bei Dialoganwendungen das Programm "Logon-Exits". Je nach Administration können nur von zugelassenen Terminals aus derart gesicherte Datenbestände erreicht werden.

Datensicherheit bringt das Datenbank-Sicherungssystem DBS, das alle Amtsrechneranwendungen gemeinsam nutzen. Es vermeidet Datenverluste in UDS-Datenbanken bei unerwarteten Programmunterbrechungen. Einmal eingetragene Anwendungen einheitlichen Maßnahmen bringen verschiedene Vorteile:

- Die Anwendungen müssen sich nicht mehr um die Sicherung der Daten kümmern, sondern können das vorhandene Verfahren nutzen.

- Pflege und Weiterentwicklung finden für alle Anwendungen nur einmal und zwar zentral statt.

- Schulungen und Einarbeitungszeiten für die Operatoren verringern sich, da alle Anwendungen einheitliche Bildschirmmasken, Kommandos und Begriffe nutzen.

Mit dem Verbund der Amtsrechner in einem Netz hat die DBP Telekom ein bedarfnahes und zukunftsicheres Verfahren aufgebaut; es bringt die DV-Leistung von Universalrechnern direkt an die Arbeitsplätze der Mitarbeiter. Der Amtsrechner ist zur Datendrehscheibe im Fernmeldeamt geworden.

Als neuer Aufgabenschwerpunkt wird sich die individuelle Datenverarbeitung (IDV) erweisen. Sie wird die Informationsverarbeitung noch Leistungsfähiger, wirtschaftlicher und komfortabler machen. Endbenutzer können dann mit dem Universalrechner so umgehen wie mit einem Personalcomputer.

Karl-Peter Stüwe ist Referatsleiter beim Fernmeldetechnischen Zentralamt in Darmstadt. Volker Loew ist stellvertretender Referatsleiter in Darmstadt.

Oberstehender Anwenderbericht wurde dem Siemens com Magazin, 2/90, mit freundlicher Genehmigung des Unternehmens entnommen.