SAP vs. Krise

Zwischen Wandel, Wagemut und Wachablösung

29.01.2009
Der Softwarekonzern SAP hat frühzeitig versucht, auf die Krise zu reagieren. Die jüngsten Nachrichten geben wieder Anlass zur Hoffnung - zumindest am Kapitalmarkt kamen sie gut an.

Die Bilder scheinen verschiedenen Welten zu entstammen. Vor einem Jahr rief Europas größter Softwarehersteller SAP die Mittelstandsoffensive aus und heuerte eine Menge neuer Vertriebsleute an. Doch das Projekt "Business byDesign", mit dem SAP Mittelstandskunden Software über das Internet vermieten wollte, kam nie vom Boden hoch. Dann brachte die Finanzkrise eine nie dagewesene Auftragsflaute über die Walldorfer. Vorstandschefs Henning Kagermann und Leo Apotheker rissen das Steuer herum, riefen den Notstand aus und drehten hart an der Kostenschraube. Nun vertraut SAP wieder auf altbewährte Programme. Auch vom Marketingschub ist keine Rede mehr. 3.000 Stellen werden gestrichen: Ein Novum in der 36-jährigen Geschichte SAPs.

"Business byDesign" ist nicht die erste Ankündigung, die als Heilsversprechen startete, um irgendwann stillschweigend unter den Teppich gekehrt zu werden. Den Mittelstand hatte SAP seit Jahren immer wieder entdeckt, ohne ihn für sich gewinnen zu können. Zuletzt hatte sich der Konzern Sympathien bei den umworbenen Mittelständlern verscherzt, als er die Wartungsverträge kündigte, um die Kunden in neue, teurere Verträge zu nötigen. Kunden setzten sich zusammen, organisierten eine Pressekampagne und zwangen SAP in die Knie. Die Kündigungen wurden zurückgenommen. Der Rauch verzog sich, doch der bittere Geschmack blieb. "SAP wirkt für den Mittelstand noch weniger als ein Verbündeter, ein großer Mittelständler, sondern als Konzern, der seinen Kunden barsch die Bedingungen diktieren wollte", sagt Analystin Jacqueline Lerique von BNP Paribas. "Der Ton macht die Musik, und SAP hat den falschen getroffen."

Statt an neuen Produkten schraubt SAP nun an den Kosten. "Aber auch das zeigt die gute Substanz der SAP", sagte Lerique. "Die alte Software ist immer noch so gut, dass SAP sich darauf ausruhen kann." Außerdem habe die Sparte "Business Objects", der größte Zukauf der Walldorfer, sich bewährt und den Konzern im vierten Quartal zu Steigerungen geführt. "Eingekaufte Innovation ist besser als keine", meint Lerique.

Business Objects ist integriert

Der Zukauf von Business Objects macht sich zumindest laut SAP-Finanzvorstand Werner Brandt besser als gedacht. "Dank des bereits im Februar 2008 eingeleiteten Squeeze-out waren wir mit der Integration schneller als geplant", sagte er am Donnerstag in der "Börsen-Zeitung". "Sie ist sowohl produkt- als auch vertriebsseitig Ende 2008 abgeschlossen gewesen. Schon zur Jahresmitte hatten wir die vorhandene Systemlandschaft auf SAP umgestellt und dadurch erhebliche Einsparungen erzielt. In der Zusammenlegung von Standorten haben wir auch schon wesentliche Fortschritte gemacht."

Die Aktien von SAP haben am Donnerstag im schwachen Gesamtmarkt mit Kursgewinnen auf die Aussagen von CFO Brandt reagiert. Zudem gaben nach der Bilanzvorlage am Mittwoch auch positive Studien, etwa von Merrill Lynch oder Goldman Sachs, Auftrieb. Bis 10.25 Uhr bauten die SAP-Titel mit plus 0,33 Prozent auf 27,69 Euro ihre Vortagsgewinne aus, während der DAX zugleich um 1,77 Prozent auf 4.438,62 Punkte fiel. Am Mittwoch waren die SAP-Aktien um etwas mehr als fünf Prozent gestiegen.

Analyst Bernd Laux von Cheuvreux meinte: "Vor allem die Aussagen von Herrn Brandt über die positive Entwicklung von Business Objects dürften den Ausschlag für das Kursplus gegeben haben." Dabei verwies er vor allem auf die Geschwindigkeit der Integration des 2008 übernommenen Software-Herstellers in den SAP-Konzern. "Es war mir zwar bekannt, dass die Integration reibungslos verläuft, aber dass es so gut und schnell läuft, hat auch mich positiv überrascht."

Analyst Raimo Lenschow von Merrill Lynch hob unterdessen das Kursziel für die SAP-Aktie von 32,50 auf 34,00 Euro und begründete dies mit der Aussicht auf mittelfristig höhere Margen. Das Anlageurteil wurde mit "Buy" bestätigt. SAP dürfte auch in der derzeitigen Rezession in der Lage sein, stabile Umsätze zu erwirtschaften. Ungeachtet der rückläufigen Lizenz-Einnahmen führten die bestehenden Wartungsverträge zu Gewinnwachstum. Die von SAP formulierten Gewinnziele für 2009 hält der Experte für konservativ.

Positiv äußerte sich auch Citigroup-Analyst Gerardus Vos nach der Zahlenvorlage am Vortag. Der erstmalige substanzielle Personalabbau der Unternehmensgeschichte sowie der konservative Ausblick für 2009 seien Zeichen eines neuen Führungsstils. Dies zeige, dass der Softwarekonzern "reife" und sich klar auf die Margen fokussiere, schrieb er und beließ die Aktie auf "Buy" mit einem Kursziel auf 35,00 Euro. Analyst Mohammed Moawalla von Goldman Sachs hob das Ziel von 29,00 auf 30,00 Euro, beließ die Aktie aber auf "Neutral". Der Fokus auf Kostensenkungen dürfte den Gewinn im ersten Halbjahr 2009 absichern und danach möglicherweise für Aufwärtspotenzial sorgen, resümierte er. Selbst bei einer Stagnation des Umsatzes ergebe sich so für 2010 die Möglichkeit einer Margensteigerung um zirka zwei Prozent.

Zudem zeigen sich Analysten trotz des für die IT-Ausgaben erwarteten Umsatzrückgangs optimistisch für die Nachfrage nach klassischer SAP-Software. Denn Unternehmenssoftware ist zwar teuer, aber für das operative Geschäft vieler Konzerne unerlässlich, weil sich mit ihr oft gewaltige Einsparungen realisieren lassen. Daher dürfte der drastische Auftragseinbruch bei SAP bald wieder ausgeglichen werden und SAP 2009 einen leichten Anstieg des Lizenzumsatzes verbuchen, schätzen die Experten.

Erfolg durch Sparmaßnahmen

Der eigentliche Überraschung liege aber in der Kostenkur, sagte Lerique. Sie war so erfolgreich, wie kaum ein Analyst es der SAP zugetraut hatte. "Als die Krise einschlug, haben wir rasch reagiert und Maßnahmen zur Verringerung der Kosten eingeleitet", sagte Kagermann.

Im Herbst traf die Kreditklemme SAP wie ein Blitz. Der Auftragseinbruch kam von einem Tag auf den anderen. Die Walldorfer steurten hart gegen und schnürten drastische Sparmaßnahmen. Zu einem Einstellungsstopp kam ein Verbot aller Reisen ohne Kundenbezug. Interne Treffen werden ausschließlich in eigenen Gebäuden abgehalten. Bereits bestehende Bestellungen von Büroausstattung und Firmenwagen werden "einer kritischen Prüfung unterzogen", neue Bestellungen wurden untersagt. Allein diese Schritte bringen 200 Millionen Euro. Nun will SAP mit dem Abbau von 3.000 Stellen streichen ab 2010 jährlich weitere 300 bis 350 Millionen Euro einsparen.

Am Aktienmarkt wird der neue Stil positiv aufgenommen. Schlimmer als eine schlechte Situation ist für die Börse nur der Eindruck der Untätigkeit. Und der neue Stil wird mit einem Namen verbunden: Apotheker. Dem Vernehmen nach war es seine Entscheidung, im Herbst den Notstand auszurufen und eine harte Kostenkur anzukündigen. Damals hatte SAP-Gründer Dietmar Hopp den Schritt noch als Fehler kritisiert. Doch der durchgreifende Stil der kosmopolitischen Vertriebsmanns wird am Kapitalmarkt begrüßt. Nach dem Weggang von Henning Kagermann wird Apotheker im Mai als alleiniger Unternehmenschef zurückbleiben. Er hat bereits angekündigt, Hierarchien zu kappen und SAP auf mehr Innovation und Flexibilität zu trimmen. Verglichen mit dem ruhigen Stil Kagermanns steht SAP nichts geringeres bevor als eine Kulturrevolution. (dpa/ajf)