Karriere machen

Zum Coaching - aber zu welchem?

26.03.2013 von Michael Schweizer
Das Angebot reicht von der Stellensuche bis zum autogenen Training. Methoden, Qualität und Preise unterscheiden sich stark.
Im Coaching geht es immer um ein konkretes Problem, das der Klient eingangs benennt.
Foto: Gabriel Blaj - Fotolia.com

Heinz K. (Name geändert) begann nach dem Studium als Junior Controller bei einem IT-Mittelständler. Er stieg auf, wechselte in ein internationales IT-Unternehmen und arbeitete dort auch im Ausland. Als er sich noch einmal verändern wollte, hatte er mit seinen Bewerbungen keinen Erfolg. Sein Coach Wolfgang Wagner von Bewerber Consult in Frankfurt am Main entdeckte den möglichen Grund im Zeugnis: K. war auf seiner vorletzten Position als Finanzchef tätig gewesen, in dieser Rolle aber nur interimistisch eingesetzt worden. Wagner und K. berieten nun, wo dieser Nachteil - in Relation zu K.s Stärken - weniger ins Gewicht fallen würde, und kamen auf die Autoindustrie. Nach fünf Wochen hatte K. dort sein erstes Vorstellungsgespräch.

"Wir bieten kein psychologisches Coaching an, bei dem die Klienten auf Phantasiereisen geschickt werden oder autogenes Training lernen", sagt Birgit Zimmer-Wagner, die Mitbetreiberin von Bewerber Consult. "Bei uns geht es immer konkret um den nächsten Schritt." Für die Bewerber recherchiere man im verdeckten Stellenmarkt und denke mit ihnen auch über ungewöhnliche Wege nach. Nach drei Gesprächsterminen seien die Bewerbungen an der richtigen Adresse, der vierte Termin sei dann oft dem Videotraining gewidmet, in dem das anstehende Bewerbungsgespräch simuliert werde. Birgit Zimmer-Wagner: "Ich sage immer: Wenn der Klient mitmacht, gibt es einen neuen Job nach einem Coaching für 1000 bis 1500 Euro, je nach angestrebter Position."

Jobwechsel
Mehr Mobilität?
Überdenken Sie Ihre Flexibilität. Längere Anfahrtswege oder geringeres Gehalt können trotzdem zielführend sein.
Keine Katastrophe
Ist die Kündigung bereits ausgesprochen, bewahren Sie die Ruhe.
Der Flurfunk
Reagieren Sie möglichst frühzeitig auf die Zeichen des Marktes. Nehmen Sie die Gerüchteküche ernst. Agieren Sie selbst.
Absichern?
Verlassen Sie sich nicht auf vermeintliche Sicherheiten. Manch einer steht schneller auf der Straße, als er meint.
Haltung bewahren
Hängen Sie Ihren Frust nicht an die große Glocke – weder vor noch nach einer Kündigung.
Außen vor
Informieren Sie Kollegen oder gar den Vorgesetzten auf keinen Fall zu früh, denn von da an sind Sie von allen wichtigen Informationen abgeschnitten.
Präsenz zeigen
Stellen Sie Ihr Profil in die relevanten Online-Portale ein. Tun Sie dies frühzeitig. Erste Erfolge zeigen sich frühestens nach vier bis sechs Monaten.
Externe Unterstützung
Nehmen Sie Kontakt mit ausgewählten Personalberatern Ihrer Branche auf. Signalisieren Sie Ihr Interesse an neuen Herausforderungen in allen relevanten Netzwerken, aber werden Sie nicht zu deutlich, ehe die Kündigung tatsächlich ausgesprochen ist.
Profilieren Sie sich
Wenn noch nicht absehbar ist, ob und wann Sie wechseln werden, nutzen Sie bereits die Zeit, um sich zunächst im eigenen Haus zu profilieren. Beteiligen Sie sich an Projekten, die für die Zukunft relevant sind, schlagen Sie sinnvolle Sparmöglichkeiten vor. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Engagement auch extern publik wird. Netzwerke und Arbeitskreise bieten dafür gute Möglichkeiten.
Eine gute Bewerbung
... ist immer noch sehr wichtig. Überarbeiten und vervollständigen Sie Ihre Bewerbungsunterlagen.
Eigenwerbung stinkt?
Das war einmal. Kümmern Sie sich um Ihr Selbstmarketing. Erarbeiten Sie Ihr eigenes Stärkenprofil. Besonders in der Krise geht es um Effizienz. Im Bewerbungsgespräch müssen Sie kurz und knapp darlegen können, worin Ihre Stärken liegen. Unterstützung bieten Karriereberater.
Bereit sein
Besorgen Sie sich ein Zwischenzeugnis.
Ups, zu spät ...
Wenn Sie selbst gehen, bereiten Sie die Trennung sorgfältig vor. Beachten Sie die Fristen.
Viele Wege führen zum neuen Job
Nutzen Sie alle Bewerbungswege: Print, online, persönlich.
Hilfreich: ein langer Atem
Befassen Sie sich mit der Psychologie des Vorstellungsgespräches, und zwar nicht nur in der ersten Runde.
Falsche Kompromisse?
Bei potenziellen Stellenangeboten: Bleiben Sie kritisch, sich selbst und Ihrem Können gegenüber – aber auch dem suchenden Unternehmen.
Im Guten trennen
Ist die Entscheidung zum Wechsel gefallen, nutzen Sie auch Ihren Abgang zur Profilierung.
Es ist soweit
Wenn Sie dann tatsächlich gehen: Hinterlassen Sie einen bestellten Acker.
Neu ankommen
Agieren Sie im neuen Unternehmen besonnen. Lernen Sie, hören Sie gut zu.
Los gehts!
Nehmen Sie die eigenen Gefühle ernst – auch wenn sie negativ sind. Bei Zweifeln: Starten Sie neu!

Im Coaching geht es immer um ein konkretes Problem, das der Klient eingangs benennt. Benachbarte Ansätze, von denen sich viele Coachs aber abgrenzen wollen, sind Training und Beratung. Der Trainer muss es besser wissen, der Coach strebt dagegen zum Klienten eine Beziehung auf Augenhöhe an und hilft zur Selbsthilfe. Die Lösung des Problems soll aus der Persönlichkeit des Klienten heraus gelingen. Das ist der Unterschied zur unmittelbar betriebswirtschaftlichen Beratung.

Geparde brauchen Pausen

Gudrun Happich, die in Köln das Galileo Institut für Human Excellence betreibt, blickt auf 15.000 Coaching-Stunden mit 800 Klienten zurück. Sie coacht vor allem Führungskräfte, meist im Auftrag ihrer Unternehmen. Oft geht es um die Mühen des Aufstiegs: "Wenn jemand als Fachkraft zum ersten Mal zur Führungskraft befördert wird, dann ändert sich die Welt. Weniger bekannt ist, dass sie sich beim Übergang vom mittleren Management zur Spitze noch einmal ändert." Um hier einfühlsam unterstützen zu können - "Nicht ich löse das Problem, sondern mein Klient" -, brauche der Coach selbst umfangreiche Führungserfahrung.

Gudrun Happich, Galileo Institut: "Wenn eine Fachkraft zur Führungskraft befördert wird, ändert sich die Welt."
Foto: Privat

Stolz ist die Diplombiologin auf ihre "Biosystemik": "Dieses Konzept soll Klienten helfen, etwas, was in der Natur erfolgreich ist, in ihr eigenes Handeln zu übernehmen." Der Gepard zum Beispiel ist das schnellste Lebewesen der Erde, aber nur auf 800 bis 1000 Meter. Hat er seine Beute gerissen, ist er so erschöpft, dass er zunächst nicht einmal fressen kann. Nutzanwendung: Wer zu punktuellen Höchstleistungen neigt, muss sich Pausen gönnen, sonst bricht er zusammen.

Für ein themen- und anlassbezogenes Coaching schlägt Happich oft fünf bis sechs Termine vor. In einem Drittel der Fälle wird es verlängert. Unbefristet sind "Sparringspartnerschaften" mit Führungskräften aus der obersten Ebene, die sich auf Dauer einen unabhängigen Gesprächspartner wünschen. Ihre Honorare vergleicht Happich mit denen "eines sehr guten Anwalts".

Qualitätsprobleme

Coachs sind eloquente Leute, die unterhaltsam über Kollegen zu schimpfen wissen. Manchmal fallen dabei bekannte Namen. Vier Vorwürfe hört man immer wieder: Viele Coachs haben zu wenig Erfahrung in anderen anspruchsvollen Berufen; sie haben wenige Klienten, also wenig Praxis; sie haben keine gute Ausbildung als Coach; sie haben zu wenig professionelle Selbsterfahrung gesammelt, sich also nicht ausführlich gegenüber einem Ausbilder in die Rolle des Klienten begeben. Coach ist kein geschützter Begriff, jeder darf sich so nennen.

Zahlreiche Fachverbände versprechen Abhilfe. Die meisten Mitglieder, darunter viele bekannte, hat der Deutsche Bundesverband Coaching (DBVC). Die Aufnahme als Associate Coach, Coach oder Senior Coach kostet einmalig 1500 Euro, der Jahresbeitrag beträgt 660 Euro.

Der Deutsche Coaching Verband (DCV) ist der zweitgrößte Verband. Er vergibt die Zertifikate Coach (DCV), Senior Coach (DCV) und Lehrcoach (DCV). Die Gebühren betragen 300, 500 und 1000 Euro, die Mitgliedschaft kostet im Jahr 300 Euro. Die Kriterien für die Zertifikate ähneln den Mitgliedschaftsbedingungen des DBVC, sind aber teilweise genauer und strenger. Wer Coach (DCV) werden will, muss unter anderem fünf Jahre passende Berufserfahrung, 200 Präsenzstunden Coaching-Ausbildung, 50 Stunden professionelle Selbsterfahrung nachweisen, drei Referenzen und ein schriftliches Konzept vorlegen sowie ein Aufnahmegespräch bestehen.

Anja Mumm, Coach: "Ich gehe alle vier bis sechs Wochen zur Supervision. Manche älteren Kollegen glauben, sie hätten das nicht mehr nötig."
Foto: Privat

"Wenn alle, die sich Coach nennen und unser Coaching-Verständnis ungefähr teilen, sich nach unseren Richtlinien zertifizieren lassen müssten, kämen wir auf eine Ablehnungsquote von 40 Prozent, wenn nicht sogar höher", schätzt Anja Mumm, Sprecherin der Zertifizierungskommission und Coach ("Training und Coaching mit System") in München. "Vielen fehlt es zum Beispiel an der von uns verlangten Selbsterfahrung. Ich gehe alle vier bis sechs Wochen zur Supervision. Manche Neulinge können sich das nicht leisten, manche älteren Kollegen glauben, sie hätten es nicht mehr nötig."

Jeder Euro gut angelegt

Das Münchner Unternehmen Gruendungszuschuss.de hat sich auf Beratung und Coaching von Gründern spezialisiert. Andreas Lutz, einer der Betreiber, nennt als typischen Stundensatz 75 bis 90 Euro für eine Einzelberatung, auch Gruppencoachings sind möglich. Lutz kennt das Szenario auch von der anderen Seite: "Mein erstes Coaching habe ich vor 15 Jahren in Anspruch genommen. Ich hatte eine neue Anstellung gesucht, aber auf meine Bewerbungen keine Einladungen erhalten. Nach wenigen Sitzungen mit einem sehr guten Coach haben mir die Unternehmen hinterher telefoniert." Auch später ließ er sich wiederholt coachen: "Jeder Euro, den ich dafür ausgegeben habe, war gut investiert." (am)

Ein guter Coach ...

... verspricht nichts Unrealistisches. Persönlichkeit lässt sich in den Grundzügen nicht verändern, nicht vorhandene Talente lassen sich nicht entwickeln. Trainierbar sind Verhaltensweisen (Ärger ansprechen statt schmollen), Techniken (Präsentieren, Verhandeln) und Reflexion (Was will ich wirklich? Was verspreche ich mir davon? Was kann ich dafür tun?).

... informiert offen und präzise über sein berufliches Vorleben (Unternehmen, Branchen, Positionen) und seine Erfahrungen als Coach (Zahl der bisherigen Klienten und Coaching-Stunden, Ausbildung, Methode).

... übernimmt nur Aufträge, denen er gewachsen ist. Wenn nötig, verweist er auf anders spezialisierte Coachs, Therapeuten oder Ärzte.

... trifft klare Vereinbarungen über Ziel, Dauer, Methoden und Kosten des Coachings. Wünscht der Klient ein zeitlich unbegrenztes Coaching (Sparringspartnerschaft), sollte auch das explizit geregelt sein.

... kann mit dem Klienten eine empatische Beziehung aufbauen.

... manipuliert nicht, sondern orientiert sich strikt am Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe.

... passt zu Ihnen: Sie finden es angenehm, offen zu ihm zu sein.

"Werden Sie doch Pilot"

Nicht alles, was als Coaching angeboten wird, ist seriös. Die Münchner Karriereberaterin Madeleine Leitner empfiehlt beharrliches Fragen.

CW: Frau Leitner, Sie beraten Menschen, die ihr Berufsleben ändern wollen. Warum sehen Sie sich nicht als Coach?

Madeleine Leitner: "Viele selbst ernannte Coachs haben zu große eigene Probleme, um anderen helfen zu können."
Foto: Madeleine Leitner

LEITNER: Ein Beispiel: Einer meiner Klienten hatte sich vorher an eine Dame gewandt, die in der Coaching-Szene bekannt ist. Er hatte hochkarätige Ausbildungen abgeschlossen, zu denen es aber kein klares Berufsbild gab. Zudem litt er, familiär bedingt, an einer schweren Depression. Die Dame sagte ihm: Werden Sie doch Pilot. Das hat ihn 800 Euro gekostet.

CW: Aber es gibt doch auch gute Coachs?

LEITNER: Ja, manche Coachs beraten seriös. Viele selbst ernannte Coachs haben aber zu große Probleme, um anderen helfen zu können.

CW: Probleme hat jeder.

LEITNER: Wenn man die eigenen nicht verstanden hat, verwechselt man sie mit denen des Klienten. Wer Psychotherapeut werden will, wird vor der Zulassung zu einer langwierigen Ausbildung geprüft, ob er sich überhaupt dafür eignet und nicht eher selbst in die Rolle des Patienten gehört. Die Leute, die Coaching-Ausbildungen anbieten, lehnen dagegen niemanden ab. Diese Ausbildungen sind ja ein Geschäft.

CW: Ist auch Coaching ein Geschäft?

LEITNER: Nur für wenige. Auch das sagen die Ausbildungsanbieter ihren Schülern nicht. Vom Coaching oder von Einzelberatung können nur wenige leben. Für die meisten ist es bestenfalls ein Nebenverdienst.

CW: Wenn ich mir trotzdem einen Coach suchen möchte, worauf soll ich achten?

LEITNER: Erstens auf eine beraterische Ausbildung, in der der Coach so viel professionelle Selbsterfahrung gesammelt hat, dass er anderen helfen kann. Fragen Sie immer weiter, Coachs, die hier nichts zu bieten haben, winden sich wie die Aale. Das gilt auch für das zweite Kriterium: berufliche Erfahrung, die für Ihr Thema hilfreich ist. Ein bestimmter, medial sehr präsenter Coach hat nach seinem Studium nie in abhängiger Position gearbeitet. Wie will er jemandem helfen, der sich in den Machtstrukturen eines Unternehmens aufreibt? Drittens: Ob der Coach zu Ihnen passt. Da können Sie sich auf Ihr Gefühl verlassen.

Coaching-Varianten

  1. Coaching für Wechselwillige: Stellensuche, Bewerbungshilfe, Strategiefindung in schwierigen Situationen (Umstrukturierung, Mobbing, Kündigung), Standortbestimmung, Suche nach neuen Ideen. Klienten vom Mitarbeiter bis zum hohen Manager, auch Gründer und Selbständige. Der Klient kommt oft aus eigenem Antrieb und bezahlt selbst. Das Coaching kann aber auch zu einem vom Unternehmen bezahlten Outplacement gehören.

  2. Coaching im Unternehmensauftrag: Führungskräfte-Themen für Manager aus den obersten Ebenen (Das erste Mal ganz oben, Mitarbeiter richtig platzieren) oder mittlere Manager (Delegieren, Projekt-Management). Meist vom Unternehmen bezahlt.

  3. Systemisches Coaching: Leitsatz: Immer mehrere sind schuld. Vorgesetzter und Mitarbeiter treiben sich gegenseitig in ungute Rollen. Der Klient soll seine Lage verbessern, indem er auch die anderen besser versteht. Auch das außerberufliche Umfeld kann als Teil des Systems analysiert werden.

  4. Sparringspartnerschaft: Der Klient, meist unter starkem beruflichem Druck, wünscht sich dauerhaft einen unabhängigen Gesprächspartner. Für Topmanager nicht selten vom Unternehmen bezahlt.