Zürich Versicherung: MIS kam Schadentyp auf die Spur

07.02.2003 von Heinrich Scholl
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Versicherungsunternehmen stehen unter Kostendruck. Daher versuchen sie auch mit Hilfe der IT die “Combined Ratio“ im Bereich der Schadenregulierung unter 100 Prozent zu drücken. Diese Kennzahl definiert das Verhältnis der Beitragseinnahmen zu den entstehenden Kosten.

Im vergangenen Jahr gaben die Versicherungsunternehmen über alle Sparten hinweg etwa 158 Milliarden Euro für den Ausgleich von Schadenfällen aus, schätzt der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GVD). Das ist ein Anstieg von rund 8,2 Prozent gegenüber 2001. Die Beiträge aber wuchsen nur um 2,6 Prozent. Dadurch überstieg der Aufwand erneut die Einnahmen und die Combined Ratio bei den meisten Versicherern deutlich die 100-Prozent-Marke.

Längst haben die Unternehmen Maßnahmen eingeleitet, um ihre Schadenquote zu senken. Da zählen auch schon wenige Euro pro Schadenfall. Denn wer jährlich beispielsweise die Kosten für Tausende von Glasbrüchen an Automobilen erstatten muss, für den ergeben sich deutliche Einspareffekte. So addieren sich die kleinen Beträge schnell zu Millionen. Schon ein Prozentpunkt weniger Schadenaufwand summiert sich in Deutschland über alle Versicherungen von Sachhaftpflicht und Kraftfahrt hinweg pro Jahr auf rund 400 Millionen Euro.

Oft verbergen sich gerade in Branchen, in denen Unternehmen viele Kunden haben, wertvolle Informationen für das Management im Datendschungel und bleiben unentdeckt. Einen Weg aus diesem Dilemma könnten moderne IT-Systeme leisten. Doch in vielen Versicherungsunternehmen dominieren noch immer Lösungen, die zehn Jahre und älter sind. So verfügen etwa 70 Prozent der Versicherer über hostbasierte Systeme, die den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Die Unternehmen müssen die teilweise 20 Jahre alten Großrechnersysteme mittelfristig ersetzen oder zumindest erweitern. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Aber auch mit kleinen und schnell realisierbaren Anwendungen lassen sich Schritt für Schritt Erfolge verbuchen. Die Zürich Gruppe betreut allein in Deutschland 4,8 Millionen Kunden und hat im vergangenen Jahr rund 850 000 Schadenfälle bearbeitet. Die Daten der Schadenmeldungen aus der Kölner Zentrale, weiteren sieben deutschlandweit verteilten Service-Centern sowie aus den beiden Tochterunternehmen flossen in einer host-betriebenen Datenbank zusammen. Die Auswertungen aus diesen IT-Systemen brachten zwar viel Papier, aber die Informationen waren schlecht aufbereitet und boten keine übersichtlichen Grafiken und Tabellen. Eigene Auswertungen durch die Entscheider waren nicht möglich. Wer aber aktives Schadenmanagement betreiben will, muss auf Knopfdruck Informationen filtern und gezielt bewerten können, um daraus Managemententscheidungen abzuleiten.

Die Zürich Gruppe: Durch den Zusammenschluss der Zürich-Unternehmen mit dem Deutschen Herold ist unter dem gemeinsamen Dach der Zürich Beteiligungs-Aktiengesellschaft (Deutschland) eine der größten deutschen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsgruppen entstanden. Den neuen Verbund, in dem auch die im Sommer 2001 erworbenen Gesellschaften der Neckura Gruppe aufgehen, bilden Zürich Versicherung, Zürich Leben, Zürich Kranken, DA Deutsche Allgemeine und Patria sowie zusätzlich Deutscher Herold Allgemeine und Deutscher Herold Leben. Gemeinsam verzeichneten sie im Geschäftsjahr 2001 ein Beitragsvolumen von 5,9 Milliarden Euro; ihre Kapitalanlagen belaufen sich auf mehr als 30 Milliarden Euro. Die Gruppe mit den drei Hauptstandorten in Frankfurt am Main, Köln und Bonn beschäftigt im Innen- und Außendienst rund 7000 angestellte Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter.

Die Gruppe rangiert auf dem Lebensversicherungssektor an vierter Stelle, bei den Schaden- und Unfallversicherern auf dem achten Platz. Sie ist exklusiver Versicherungspartner der Deutschen Bank, die ihrerseits mit Vermögensverwaltungsprodukten bevorzugter Anbieter für Zürich-Kunden wird. Im Direktvertrieb von Nichtleben-Versicherungen ist die DA Deutsche Allgemeine mit mehr als 50 Prozent Marktanteil Branchenprimus.

Die Abteilung Nichtleben Schaden der Zürich Gruppe, zu der auch der Deutsche Herold und DA Direkt gehören, setzt zum Beispiel ein auf der Standardsoftware Microsoft Access basierendes Managementinformationssystem (MIS) ein. Die Anwendung nutzt dazu die Daten, die in der host-betriebenen Datenbank vorliegen. So bietet das MIS als flexible Anwendung trotz Altsystemen einen hohen Nutzen und hat sich bereits nach gut einem Jahr amortisiert. Die mehr als 800 Mitarbeiter der Schadenabteilungen erfassen die Daten weiterhin in ihren gewohnten Systemen. Die gemeinsam mit T-Systems in wenigen Monaten entwickelte Lösung liest dann die notwendigen Datensätze im Bereich Schaden nach definierten Kriterien aus. So fließen neben den Grunddaten über den Versicherungsnehmer Schadenursachen und sparten oder Aufwände für die Schadenregulierung ein. Und trotz aller Warnhinweise arbeitet das MIS auf Access-Basis selbst mit den rund zwei Millionen Datensätzen reibungslos.

Heute liegen alle Schadenfälle eines Jahres sowie alle offenen Schäden des Vorjahres auf einem Server der Zürich Gruppe und die autorisierten Mitarbeiter werten die Daten nach unterschiedlichen Kriterien aus. Wer auf Reise geht und die Zeit ausnutzen will, brennt sich die aktuellen Daten auf CDROM oder spielt sie sich auf sein Laptop und wertet sie mit wenigen Mausklicks aus. Der Zugriff auf die sensiblen Kundeninformationen ist dabei streng nach Position und Aufgabenbereich geregelt.

Das MIS soll die Daten nicht nur transparent machen, sondern auch die Kundenbindung optimieren. So zeigt sich, wie schnell, wie lange und in welchen Service-Centern die Mitarbeiter eine Schadenmeldung bearbeiten. Da Kunden eine zügige Antwort auf ihre Schadenmeldung erwarten, können die Verantwortlichen die Servicequalität kurzfristig optimieren. Und nach wenigen Monaten zeigt das MIS, ob die eingeleiteten Maßnahmen greifen.

Aber auch Kostentreiber sind zu identifizieren. Dies können überhöhte Mietwagenpreise und Reparaturkosten oder auffällige Häufungen von Schäden sein. So verursachte ein bestimmter Fahrzeugtyp in einigen Fällen den gleichen Brandschaden. Die Schadenmeldungen fielen aber in verschiedenen Service-Centern an und verteilten sich auf einen längeren Zeitraum. Aus den Medien war auch keine Rückrufaktion des Herstellers bekannt. Erst das MIS kam dem Schadentyp auf die Spur. Es führte die Daten aus dem gesamten Unternehmen zusammen und brachte direkt einen Nachweis für die Verhandlungen mit dem betroffenen Fahrzeughersteller. Dieser war bereit, einen hohen Teil der Kosten wieder an die Zürich zurückzuzahlen.

Ein weiteres Beispiel: Erst das Managementsystem machte einen Vergleich von Schadenaufwänden in verschiedenen Regionen in Deutschland möglich. So zeigte sich, dass für Glasbruchschäden in einem bestimmten Gebiet durchschnittlich 40 Euro mehr gezahlt wurden als in den anderen Regionen. Die Manager wissen heute auch, wie lange es dauert, bis ein Schaden gemeldet oder bearbeitet wird. Oder sie bilden Betrugsfälle ab und vergleichen sie miteinander.

Das MIS stellt ein Beispiel dar, wie Unternehmen auch unter dem heutigen Kostendruck kurzfristig bezahlbare Lösungen entwickeln können, die einen hohen Nutzen erzielen. Da sich der Return on Investment schon nach wenigen Jahren einstellt, überbrücken solche abgespeckten Anwendungen die Wartezeit auf moderne IT-Systeme. Besonders für kleine und mittlere Versicherungsunternehmen stellen solche Einzellösungen eine Alternative zum großen Wurf dar.