Personaler interessiert es nicht

Zeugnisse sind von gestern

04.05.2010 von Christian Pape
Wir Deutsche sind Weltmeister im Zeugnisschreiben. Aber wer liest sie noch? Haben sich Zeugnisse überlebt?

Jahr für Jahr werden vor den deutschen Arbeitsgerichten mehr als 30.000 Verfahren wegen Streitigkeiten rund um das Arbeitszeugnis geführt - eine fürchterliche Zahl. Da müssen Heerscharen von Juristen über Formulierungen diskutieren: Darf dies rein, und wenn ja, wie ist es zu formulieren? Täglich entscheiden Gerichte hundertfach darüber, ob ein Arbeitszeugnis bei der Zustellung geknickt werden darf (übrigens: nein), ob der Mitarbeiter zur vollen, zur vollsten oder sonst einer Zufriedenheit gearbeitet hat und ob der Arbeitgeber, wie es sich gehört, am Ende des Zeugnisses "verabschiedet", das Fortgehen bedauert und dem Mitarbeiter "alles Gute" wünscht. Tut man das nicht, so wünscht man ihn nämlich zum Teufel.

(Foto: Fotolia.com/Peter Atkins)
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Wer nimmt Arbeitszeugnisse noch ernst? In vielen meiner Gesprächen mit Personalverantwortlichen bestätigt sich, dass die mit hohem Aufwand erstellten Arbeitszeugnisse oft gar nicht, oder wenn, nur flüchtig gelesen werden. Wenn also überhaupt, dann sind die darin erwähnten Tätigkeitsbeschreibungen interessant.

In den USA: Empfehlungen sind wichtiger als Zeugnisse

Arbeitszeugnisse sind im anglo-amerikanischen Wirtschaftsraum nicht halb so wichtig wie in Deutschland, oft kennt man dieses Dokument dort nicht einmal. Es heißt dementsprechend auch "letter of recommendation", "reference" oder auch "testimonial". Es gibt auch die so genannte "character reference", die vor allem auf die persönlichen Qualitäten eines Arbeitnehmers eingeht. Bei allen Zeugnisarten gilt jedoch immer: Der Beschäftigte muss wegen eines Zeugnisses aktiv auf den Arbeitgeber zugehen und ihn um ein solches bitten. Ein Recht auf ein Arbeitszeugnis hat er nicht. Man legt wesentlich mehr Wert auf Empfehlungen, und wenn man ehrlich ist, dann ist das auch die bessere Idee. Es wird doch sowieso nur noch gelogen, dass sich die Balken biegen. Aus diesem Grund legt man einem Bewerbungsschreiben in den USA niemals ein Zeugnis bei. In der Regel wird man dort angerufen und am Telefon interviewt.

Zeugniskultur ist eine Farce

Bei uns aber ist die Zeugniskultur inzwischen eine Farce, denn negativ darf nicht geschrieben werden, es sei denn, der pfiffige Personaler schafft es, über den Mitarbeiter subtil eine Botschaft zu verstecken, die dieser als solche nicht gleich erkennt. Wird die List bemerkt, dann ist es aber vorbei mit der Personalerseligkeit. Dann geht es vor Gericht, und meist muss dann das Zeugnis nachgebessert werden, denn es muss immer "wohlwollend" formuliert sein. Viele Personalentscheider wissen das und messen entsprechend diesem Bürokratenfutter nur noch "rudimentäre" Bedeutung zu.

Zeugnis: Tipps für Bewerber

Personalberater Christian Pape hält nicht viel von Zeugnissen.

Mein Tipp: Legen Sie einer Bewerbung maximal Ihr letztes Arbeitszeugnis bei und legen Sie Wert darauf, dass alle Tätigkeiten, die Sie in dem Unternehmen geleistet haben, dort erwähnt sind.

Legen Sie das Zeugnis immer einem Experten vor, damit Sie wissen: Es ist in Ordnung und hat keine versteckten Botschaften ("Er stand immer voll hinter uns"). Denn Negativformulierungen sind immer noch ein Stolperstein, vor allem, wenn man nicht weiß, dass sie im Zeugnis enthalten sind.

Legen Sie bei Ihrer Bewerbung Wert auf Referenzen und erwähnen Sie zwei bis drei Personen, die Auskünfte über Sie geben können. Informieren Sie die Personen vorher. Referenzen zeigen Selbstbewusstsein und stärken Ihre Position bei einer Bewerbung.