Logistik

Zementlieferung via Web 2.0

03.08.2010 von Mark Schröder
Eine eigens entwickelte Logistiklösung ersetzt bei Holcim Schweiz Excel-Tabellen und Papier. Das System spart dem Schweizer Baustoffkonzern hunderttausende Franken.
Etwa die Häfte des Zements liefert Holcim per Lkw.
Foto: Holcim

Mit "Logon" - kurz für "Logistik Online" - wickelt der in Zürich ansässige Zementhersteller Holcim heute das Verladen, Ausliefern und Verrechnen Tausender Bestellungen pro Monat ab. Das vom IT-Dienstleister AdNovum, ebenfalls aus Zürich, entwickelte System bildet die gesamte Lieferkette auf einer interaktiven Browser-Oberfläche ab.

Kunden und Transportdienstleister haben Zugriff auf Logon, wenn sie Bestellungen aufgeben, Lieferungen planen beziehungsweise nachverfolgen und den Erhalt der Ware quittieren. "Wir wollten die Voraussetzungen für unsere Kunden und Dienstleister so tief wie möglich halten", erläutet Christoph Duijts, Head of Logistics Projects von Holcim Schweiz, "deshalb wird Logon über ein Web-Interface und nicht zum Beispiel über spezielle Terminals bedient."

Vollelektronische Lieferkette

Die Besonderheit der schweizerischen Holcim-Produktion besteht im ausgeglichenen Verhältnis der Lieferwege: Jeweils die Hälfte des Baustoffs wird über die Schiene und die Strasse geliefert, sagt Transportleiter Markus Meier. Im übrigen Europa liefern Lkws 80 bis 100 Prozent des Zements. Grund sei das weit verzweigte Schweizer Bahnnetz. Dessen ungeachtet mussten die AdNovum-Entwickler für Logon beide Lieferwege elektronisch abbilden. Bereits in Betrieb ist die Anwendung für den Schienenweg.

Die Kunden können Aufträge im System selbst erfassen oder via Telefon sowie Fax an Holcim übermitteln, wobei auch diese Bestellungen in dem System erfasst werden. Später organisiert Transportleiter Meier die Lieferungen in einer Zeitstrahlansicht im Browser und teilt den Fahrern die Aufträge zu. Via GSM erhalten sie Nachricht von den Routen und der Ladung.

Ortung mit Google Maps

Via RFID-Sensor an Silos und Aufliegern steuert "Logon", welche Ware in welches Fahrzeug abgefüllt wird. Der Fahrer kontrolliert alle Vorgänge am Handheld mit Hilfe von GSM- und RFID-Sensor. Ein GPS-Empfänger ist ebenfalls in den Fahrer-PDA eingebaut. So kann das System dem Kunden und Holcim via "Google Maps" jederzeit übermitteln, wo sich die Ladung befindet.

Beim Empfänger eingetroffen, entlädt der Fahrer den Zement und lässt sich vom Kunden die Lieferung per Unterschrift auf dem PDA-Bildschirm quittieren. Ein Tastendruck auf dem Handheld löst den Datentransfer ins SAP-R/3-System von Holcim aus. Dort wird dann die Rechnung generiert. Analog zur Lkw-Lieferung funktioniert das Disponieren von Eisenbahnwagon-Transporten. Dafür besitzt Logon eine Schnittstelle zum IT-System der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB).

Kaum Widerstand aus der Belegschaft

Die Zementverladestation bei Holcim.
Foto: Holcim

Die vollelektronische Logistik mit automatischen Kontrollen und GPS-Positionierung von Lieferungen birgt allerdings Risiken für den Datenschutz. Zudem könnten sich die Fahrer durch das System gegängelt und überwacht fühlen; schließlich weiß der Transportleiter nahezu jederzeit, welcher Angestellte wo welche Arbeit erledigt. Und da auch fremde Speditionsunternehmen Zement für Holcim ausliefern, endet die Kontrolle nicht an den Firmengrenzen.

Doch auf die Frage nach Widerständen in der Belegschaft gibt Holcim-Projektleiter Duijts eine unerwartete Antwort: "Die Kollegen waren froh, dass wir das System eingeführt haben, denn sie wünschten sich einen geregelten Tagesablauf." Wie das in der Praxis aussieht, weiß Transportleiter Meier: "Mit der Planung in Logon können wir meist schon am Morgen alle Routen des Tages an den Fahrer übergeben. So weiss jeder, was auf ihn zukommt."

Bislang ungenutztes Potential

Neben besseren Planungsmöglichkeiten birgt das Logistiksystem Funktionen, die Holcim bislang noch gar nicht nutzt. Wie AdNovum-Chefentwickler Kornel Wassmer erläutert, erfasst Logon zirca 450 Daten pro Auftrag und legt sie in einer Oracle-Datenbank ab; das seien täglich zwischen 70.000 und 80.000 Events. Mit einer solchen Datenbasis ließen sich zum Beispiel Prozesse weiter optimiert, Schwachstellen identifiziert und Business-Intelligence-Anwendungen füttern.

Für Holcim steht vorerst der Return on Investment (RoI) der integrierten Logistiklösung im Vordergrund. "Durch Effizienzsteigerung bei der Administration sparen wir drei bis fünf Prozent der Kosten", beteuert Projektleiter Duijts. Das klinge nach wenig, aber die Ausgaben für Transportleistungen beliefen sich auf rund 20 Millionen Franken pro Jahr, so dass fünf Prozent davon einen stattlichen Betrag ausmachten.

Ausrollen im Herbst

Der nächste Schritt für Holcim ist Dujits zufolge das Ausrollen der Logon-Technik in den Werken in Norddeutschland. Als Termin dafür ist der kommende Herbst vorgesehen. Zuvor sind jedoch noch einige Anpassungen notwendig, unter anderem das Anbinden der neuen Wiegesysteme an die Software. Darüber hinaus arbeitet der Baustoffkonzern mit dem Zoll zusammen daran, dass das System Ein- und Ausfuhrpapiere demnächst direkt ausstellen kann.

Dieser Artikel ist mit freundlicher Genehmigung von der COMPUTERWOCHE-Schwesterpublikation "Computerworld Schweiz" übernommen.