Datenerfassung vor Ort im Lebensmittelhandel

"Zeitraffer" mobile DE

01.08.1980

Mobile Datenerfassung erlaubt, Daten direkt dort zu erfassen, wo sie entstehen. Und sie erlaubt, sie so zu erfassen, daß sie direkt weiterverarbeitungsfähig sind. Zwischen die Datenerfassung vor Ort und die Datenverarbeitung durch die zentrale EDV sind also keine weiteren Arbeitsschritte geschaltet. Der Datenfluß gewinnt an Schnelligkeit und Sicherheit. Der Haupteinsatzbereich der mobilen Datenerfassung Im Lebensmittelhandel liegt vorläufig noch im Bestellwesen. Damit sind die Grenzen aber lange nicht abgesteckt. Weitere Einsatzmöglichkeiten ergeben sich bei der Inventur, bei der Wareneingangskontrolle und Kommissionierung.

Mobile Datenerfassung kann bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten besonders in Kombination mit der Warenauszeichnung duch EAN-Strichcodes - zum wichtigsten Grundstein für den Aufbau geschlossener Warenwirtschafts-Systeme werden. Zu den wagefreudigen Interessenten der ersten Stunde, die die fortschrittliche Technik auch durch ihren Testeinsatz markt- und praxisreif machen gehört das süddeutsche Unternehmen Lidl & Schwarz. Der folgende interne Bericht zeigt, wie die Neckarsulmer Pioniere mit Hilfe mobiler Datenerfassung ihre Unternehmensorganisation auf den aktuellsten rationellen Stand brachte.

Ein guter Teil der ständig steigenden Kostenbelastungen, die den Handel trifft, hat externe Ursachen und ist unternehmensintern nur geringfügig zu beeinflussen. Dieser Satz gilt vor allem für den Personal- und seit einigen Jahren auch für den Energiekostenbereich. Hier bleibt dem Handel nur der Schritt nach vorne: Das stetige Bemühen, die jährlich mit deprimierender Zwangsläufigkeit anfallenden Mehrbelastungen durch höhere Produktivität der Leistungsfaktoren auszugleichen.

Um das Ziel einer verbesserten Produktivität auch mittelfristig zu erreichen, verfolgt die Neckarsulmer Lidl & Schwarz KG eine konsequente Doppelstrategie. Leistungssteigerung der Mitarbeiter über verstärkte Aus- und Weiterbildung wird unterstützt und in der Wirkung vervielfacht durch den Einsatz rationeller Organisationsverfahren und -mittel. Eine dieser Methoden, durch welche noch Rationalisierungsreserven ausgeschöpft werden können, ist die mobile und automatische Datenerfassung.

Was bedeutet mobile Datenerfassung? Die Betriebsdaten werden direkt am Entstehungsort so erfaßt, daß eine weitere Übertragung oder Erfassung, mittels zusätzlicher Belege oder Datenträger an anderen Arbeitsplätzen, zum Beispiel in der Zentralverwaltung, überflüssig wird. Was bedeutet automatische Datenerfassung? Die für die Weiterverarbeitung der Betriebsdaten notwendigen Schlüsselbegriffe - zum Beispiel die Artikelnummer - werden maschinell in die EDV eingespeist. Elektronisch lesbare Codes (OCR A, EAN) machen eine schnellere und zudem sicherere Identifizierung und Weiterverarbeitung der Daten möglich.

Warenerfassung betrieblich integriert

Um solche Rationalisierungsmomente fruchtbar werden zu lassen, entschied sich die Unternehmensführung von Lidl & Schwarz für den Einsatz mobiler Datenerfassungsgeräte der Telxon mde GmbH & Co. KG, Hamburg. Die Möglichkeit des EAN-Strichcodes werden ausgeschöpft. Im C & C-Bereich kommen für eine Übergangszeit ICL-Abrechnungsterminals mit OCR A-Erfassung zur Anwendung.

Interessant an diesem so groß skizzierten Konzept ist vor allem, daß die Datenerfassung nicht auf die Warenausgangsorganisation beschränkt bleibt, auch der innerbetriebliche Ablauf ist an den Datenkreislauf angeschlossen. Zur besseren Verdeutlichung sollen die einzelnen Elemente des Konzepts ausführlicher dargestellt werden.

Seit April 1978 läuft die Bestellabwicklung des Liefergroßhandels über mobile Datenerfassungsgeräte. Die etwa 450 Zustellkunden werden durch etwa zehn Außendienstmitarbeiter betreut. Jeder sucht im Durchschnitt täglich drei bis vier Kunden auf. Die Außendienstmitarbeiter tasten anhand der von den Einzelhändlern in den Ordersatz eingetragenen Bestellungen die Kundennummer Blattnummer, Seiten-/Zeilennummer sowie die Bestellmenge in das Telxongerät ein.

Nach Erfassung der Bestellungen aus maximal 40 Ordersätzen übertragen sie von einem beliebigen Telefonapparat aus mittels Akustikmuff die gespeicherten Bestellungen automatisch an die Zentral-EDV nach Neckarsulm. Übertragungsfehler werden geprüft und akustisch zurückgemeldet.

Quasitelefonische Bestellung

Pro Einzelhändler werden im Durchschnitt etwa 100 Bestellpositionen vom Außendienst aufgenommen - ein Vorgang, der kaum mehr als sechs Minuten benötigt. Die Bestellungen werden in Neckarsulm vorfakturiert und per Datenfernübertragung an das Zentrallager in Freiburg vermittelt. Dort werden die Lieferungen zusammengestellt und gehen mit Rechnungen, Lieferschein und Etiketten an den Kunden.

1980 soll dieses Verfahren nochmals verbessert werden: Im Ordersatz wird zusätzlich der EAN-Strichcode mit angedruckt. Der Außendienstmitarbeiter streicht dann nur noch Kundennummer und Artikelnummer per Strichcode ab und tastet die Menge ein - wenn, und nur wenn diese mehr als eine Colli-Einheit beträgt. Da eine hohe Zahl der Bestellungen nur aus einer Colli-Einheit besteht, ist so ein noch höherer Grad an Automation und Rationalisierung gewährleistet.

Anfang 1980 wird diese Bestellorganisation auch bei allen firmeneigenen Einzelhandelsmärkten eingesetzt. Wesentliche Nachteile des bisherigen Bestellverfahrens sollen ausgeschaltet werden: Durch die automatisierte Bestellerfassung und Übertragung wird die Durchlaufzeit von der Bestellung bis zur Auslieferung wesentlich verkürzt, eine genauere Disposition und damit Bestandshaltung erreicht.

Seit Herbst 1979 erfaßt man auch die Wareneingänge des SB-Warenhauses in Backnang sowie des C & C Marktes in Neckarsulm mit mobiler Datenerfassung unter Einsatz von Strichcodes. Im Ergebnis wird eine aktuelle Marktbelastung zu EK- und VK-Preisen erreicht und eine konsequente Prüfung der mit den Lieferanten vereinbarten Preise und Konditionen gewährleistet.

Ein weiteres Einsatzgebiet für die mobile Datenerfassung mit EAN-Strichcode ist die Inventurabwicklung in firmeneigenen Einzelhandels-Märkten. Im Lidl-Discountbereich wird die Zentral-EDV deshalb über jede Neuaufnahme sowie Artikeländerung ein Regalhefteetikett über Matrixdrucker ausdrucken, auf welchen neben der Artikelnummer im EAN-Strichcode in unterschiedlicher Schriftgröße Artikelinformationen für den Kunden stehen. Bei der Inventurbestandsaufnahme kann der Mitarbeiter die EAN-Artikelnummer abstreichen und die gezählte Menge manuell eintasten. Die telefonisch übertragenen Daten werden anschließend vom Zentralrechner ausgewertet.

Unreifezeugnis für Scanner

Sorgfältig verfolgt man bei Lidl & Schwarz den Grad der EAN-Vorauszeichnung von seiten der Lieferanten, denn das Organisationskonzept ist darauf abgestellt, auch die Checkout-Erfassung im SB-Warenhausbereich sowie im C & C-Bereich zu gegebener Zeit automatisiert abzuwickeln. Noch ist nach Ansicht von Lidl & Schwarz die Zeit der Einsatzreife für Scanning aber nicht gekommen, und so erfaßt man wie seit 1975 schon im C & C-Bereich die OCR A-ausgezeichneten Waren automatisch am Checkout über Lesepistolen. Zum Vorteil von Markt und Kunden: Neben einer kundenfreundlichen, artikelweisen Klartextrechnung wird eine genauere Marktabrechnung und -transparenz erreicht.

Die von Lidl & Schwarz erprobten Erfassungsverfahren sind auch für andere Handelsunternehmen so interessant, daß die Selex-Zentrale und Telxon gemeinsam mit Lidl & Schwarz Anfang Februar ein Erfahrungsseminar hierüber in Neckarsulm durchgeführt hat.

Aus der "Lebensmittel Zeitung" Nr 6 vom 8. Februar 1980 mit freundlicher Genehmigung entnommen.