Organisation ist alles

Zeitgleich Lernen und Arbeiten

17.05.2011 von Ludwig Heinz
Vorteil Praxisbezug: Von einem dualen Studium profitieren Studenten wie Unternehmen. Allerdings lässt der straffe Zeitplan den Lernenden wenig Freiraum.

Einst nur an Berufsakademien (BA) in Baden-Württemberg angeboten, ist das duale Studium, das die theoretische Ausbildung mit praktischer Erfahrung in Unternehmen verbindet, mittlerweile ein bundesweites Modell für alle Hochschulformen. In Zeiten, in denen Fachkräfte knapp werden, ist es für Arbeitgeber ein Weg, um früh mit Studenten zusammenzuarbeiten und diese an sich zu binden. 2010 waren laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) knapp 51.000 Studierende in einem der 776 dualen Studiengänge eingeschrieben. Auch die Zahl der kooperierenden Firmen stieg auf über 2200. Heute rekrutieren knapp 38 Prozent der Unternehmen Fachkräfte aus dualen Studiengängen. Je nach Hochschule ist das duale Studium unterschiedlich gestaltet. Etwa beim Abschluss: Im Gegensatz zum Hochschul-examen berechtigt der BA-Abschluss nicht zum Master-Studium oder zur Promotion.

Schwierige Bewerbung

Berufsakademien und Hochschulen wählen ihre Bewerber per Numerus clausus, in persönlichen Gesprächen oder Assessment-Centern aus. Während des Einstellungsprozesses scheitern schon viele. Sind die Anforderungen jedoch erfüllt, können die Studenten aus einer Vielzahl an freien Stellen wählen, die sich aus Kooperationsverträgen der BAs mit langjährigen Partnerunternehmen ergeben. Die Hochschulen verweisen die neuen Studenten auch gezielt auf Vakanzen, die besetzt werden müssen. Den Partnerunternehmen wird so ein Teil der Bewerbersuche abgenommen. Sie nehmen die Kandidaten aber trotzdem in einem eigenen Bewerbungsverfahren noch einmal unter die Lupe. Manche Unternehmen, etwa der Bayer-Konzern oder die Deutsche Vermögensberatung AG, werben ihre künftigen Mitarbeiter selber für das Studium an und bieten ihnen an privaten Fachhochschulen Kurse mit eigenen Mitarbeitern als Dozenten an, um die neuen Führungskräfte gezielt auf ihren künftigen Berufsalltag vorzubereiten.

Stundenplan wie in der Schule

Da sich Theorie- und Praxisphasen im dualen Studium abwechseln und inhaltlich ergänzen, ist der Praxisbezug überdurchschnittlich stark. Die Studenten lernen in kleinen Arbeitsgruppen von oft deutlich unter 30 Personen, wodurch die Vorlesungen einen individuellen Charakter bekommen. Der Vorlesungsplan ist mit dem Stundenplan einer Schule vergleichbar, der Student kann nicht selbst entscheiden, welche Vorträge er gern hören möchte. Honorardozenten aus der Wirtschaft können die Theorie mit Beispielen aus dem Arbeitsleben veranschaulichen: Videokonferenzen, an denen eingeweihte Kunden teilnehmen, Vertragsverhandlungen via Handy oder Bewerbungsgespräche mit potenziellen Mitarbeitern vor der versammelten Studentenschaft sind keine Seltenheit. Allerdings kann in den dualen Studiengängen keine echte wissenschaftliche Tiefe erreicht werden. Das ist wohl einer der Hauptgründe dafür, weshalb Universitäten eher selten duale Studiengänge anbieten.

Vorteile für Arbeitgeber

Die Unternehmen investieren drei bis fünf Jahre in die akademische Ausbildung der Studenten und können dabei auf eine günstige und erfolgshungrige Arbeitskraft bauen, die sich für die Zeit nach dem Studium empfehlen will. Da die Arbeitgeber oft mehrere zehntausend Euro in die Ausbildung der Studenten investieren, versuchen sie, diese an sich zu binden. In vielen Fällen ist daher bereits vertraglich geregelt, dass der Student nach erfolgreichem Studienabschluss mindestens für weitere ein bis drei Jahre im Unternehmen bleibt. Dadurch rechnen sich selbst Studiengebühren von bis zu 1000 Euro monatlich, wie sie von einigen privaten Fachhochschulen erhoben werden.

Arbeiten statt Semesterferien

Viele Firmen leisten den Studenten noch zusätzliche Zahlungen, damit sie ihren Lebensunterhalt sichern können. Denn für das Jobben während des Studiums fehlt die Zeit, da der Studienplan durch die kompakten Lerneinheiten während der Vorlesungszeit dem eines Arbeitstags von acht bis zehn Stunden entspricht. Semesterferien gibt es nicht, an die Stelle der Freizeit rückt der praktische Teil des dualen Studiums im Unternehmen. Selbst am Wochenende bleibt nur wenig Freizeit, da an den verbleibenden freien Stunden für Hausarbeiten, Präsentationen oder die nächsten Klausuren gearbeitet werden muss. Ohne Unterstützung aus der eigenen Familie ist ein solch straffer Zeit- und Studienplan oft nur schwer zu bewältigen.

Die besseren Trainees

Früh an den intensiven Arbeitsalltag gewöhnt, sind die nach diesem Konzept ausgebildeten (Werk-)Studenten mehr als nur Praktikanten oder Trainees, da die Unternehmen für die erbrachten finanziellen Leistungen eine gewisse Einsatzbereitschaft einkalkulieren und im Berufsalltag auch einfordern. Viele Firmen vertrauen den Studenten bereits zu Beginn der ersten Praxisphase die nötige Verantwortung und erforderlichen Befugnisse an, um sie an selbständiges und eigenverantwortliches Handeln zu gewöhnen.

Bereits nach wenigen Wochen stehen Kundentermine, Präsentationen, Schulungen als Referent oder Workshops auf dem Programm. Die Unterschiede zwischen echten Berufsanfängern mit Hochschulabschluss und Werkstudenten sind meist nicht erkennbar. So können sich die Studenten früh in die Unternehmensstruktur integrieren und sich einen Namen erarbeiten, der den weiteren Verbleib auch nach dem Studium erleichtert.

Ob mit dieser Art der Ausbildung am Ende auch eine fertige Arbeitskraft zur Verfügung steht, geformt nach den Vorstellungen des Unternehmens, ist nicht immer sicherzustellen. Die Erfolgsquote misst sich unter anderem an unbefristeten Arbeitsverträgen nach Ende des Studiums. Sie liegt teilweise bei 90 Prozent. (am)