Zeitgewinn statt Papierberge

13.08.2002 von Peter Viol
Bei der Bayerischen Landesbank wurde das Antragswesen immer mehr zum Bremser des allgemeinen Arbeitsprozesses. Word-Formulare und die Hauspost als Trägermedien der Anträge wurden jetzt von einem Workflow-System abgelöst.
Bayerischer Löwe statt Papiertiger: Um die Prozesswege zu verkürzen und die Papierflut einzudämmen, entschied sich die Bayerische Landesbank für ein Workflow-System.

Kleine Maßnahmen erzielen manchmal große Wirkung - dies gilt vor allem bei der Automatisierung von Prozessen. Diesen Grundsatz schrieb sich auch die Bayerische Landesbank (Bayern LB) auf ihre Fahnen. 7500 Mitarbeiter sorgen bei der Hausbank des Freistaats Bayern für einen möglichst reibungslosen Fluss von Geld und Informationen. Um die Fließgeschwindigkeit dieser Prozesse noch zu beschleunigen, investierte das Management der Landesbank in ein neues Workflow-System.

Für die Bayern LB war die Neuorganisation ihres Antragswesens keine kleine Maßnahme. Denn das Beantragen von Accounts beziehungsweise Berechtigungen für Computer-Anwendungen wie etwa Internet-Browser oder interne Host-Systeme gestaltete sich sehr langwierig. Der Mitarbeiter füllte zunächst ein Word-Formular aus und leitete es nach Abstimmung mit seinem DV-Org-Koordinator via Hauspost an seinen Vorgesetzten zur Genehmigung weiter. Dieser unterschrieb den Antrag und leitete ihn den entsprechenden Systemverantwortlichen zu. Diese prüften den Antrag und richteten die entsprechende Berechtigung ein. Abschließend musste der Antragsteller noch über die erfolgte Einrichtung per Mail oder per Telefon informiert werden.

Ein langer, komplizierter Weg für ein solche Genehmigung - aber aus Gründen der Sicherheit unumgänglich. So mancher neue Mitarbeiter wartete mehrere Tage auf einen vollständig eingerichteten Arbeitsplatz und fühlte sich an die Erlebnisse des Buchbinder Wanningers von Karl Valentin erinnert. Mit diesem Prozedere steht die Bank nicht alleine da. Alle größeren Unternehmen haben mit derartigen Problemen zu kämpfen.

Für die Verantwortlichen stand fest: Die Prozesswege sind drastisch zu verkürzen. Die Durchlaufzeiten müssen kürzer, die Effizienz der Abläufe muss größer werden. Denn sobald alle am Prozess Beteiligten die Formulare computergestützt bearbeiten, weiterleiten und archivieren können, lassen sich zeit-, personal- und kostenintensive Medienbrüche vermeiden. "Letztendlich wollten wir unsere Mitarbeiter von der alltäglichen Routine entlasten. Sie sollten ihre Zeit sinnvoller und für ihr eigentliches Aufgabengebiet einsetzen", erklärt Wolfgang Fabritius, Projektleiter Workflow bei der Bayerischen Landsbank.

Ein Workflow-System auf der Basis von E-Mails sollte das Problem lösen. Denn schon bis dahin waren Teile der Genehmigungsprozesse über Microsoft Outlook abgewickelt worden. Damit stand eine grundlegende Anforderung an das neue Tool bereits fest: die Integration in MS Outlook und MS Exchange Server. Wolfgang Fabritius: "Wir haben eine Anwendung an drei Hauptkriterien gemessen: Unterstützt sie unsere administrativen Aufgaben wirklich? Lässt sie sich schnell in unser weltweites E-Mail-System einfügen? Und: Sind die Kosten für Aufbau und Betrieb einer Workflow-Infrastruktur überschaubar, das heißt, stehen sie in einem betriebswirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zum Nutzen?"

Nach einer intensiven Testphase und gründlicher Prüfung entschied sich das Projektteam für die Software von Powerwork. Entscheidend war die gute Integration in Microsoft Exchange. Damit war garantiert, dass die Mitarbeiter alle elektronischen Formulare über MS Outlook aufrufen, bearbeiten und weiterleiten können. Jeder Mitarbeiter ist mit MS Outlook vertraut. Dies könnte für eine schnelle Akzeptanz des neuen Systems sprechen.

"Es kam gut an, dass das System sehr komfortabel und intuitiv zu bedienen ist. Schulungen für die Anwender sind deshalb nicht notwendig", erzählt Wolfgang Fabritius. Außerdem lassen sich neue Anwendungen in das Workflow-System integrieren. Auch die Datenqualität kann mit Hilfe eines elektronischen Formulars verbessert werden. Hinter dem Antrag steckt ein Automatismus, der die eingegebenen Informationen überprüft. Füllt ein Mitarbeiter die Felder nicht vollständig aus, ist es nicht möglich, das Dokument weiterzuleiten. Fehlerhafte oder unvollständig ausgefüllte Formulare kommen so erst gar nicht in Umlauf.

So lassen sich direkte Kosten einsparen, denn teure Fehler werden schon im Ansatz vermieden. Voreilige Genehmigungen oder Interimslösungen verschwinden von der Bildfläche. Noch mehr Zeit spart die programminterne Erinnerungsfunktion. Sie trägt dafür Sorge dafür, dass Terminangelegenheiten nicht liegen bleiben können. Außerdem kann der Antragsteller jederzeit nachsehen, welche Person seinen Antrag gerade bearbeitet. Lästige telefonische Nachfragen gehören damit der Vergangenheit an.

Anstelle der Papierberge im Archiv werden Formulare nun elektronisch gespeichert und bei Bedarf ausgedruckt.

Neben dem ökonomischen Aspekt ist, und das nicht nur für Banken, ein weiterer Punkt von eminenter Bedeutung: die Revisionssicherheit dieses elektronischen Verfahrens. Durch die automatische Archivierung der Flows kann auch nach Jahren nachvollzogen werden, wie der Ablauf der einzelnen Prozesse war und welche Personen an diesem Prozess beteiligt waren. Diese Dokumente können natürlich nachträglich nicht mehr verändert werden.

Mit der Automatisierung verschwindet auch der Papierberg im Archiv. Das Suchen im Keller hat damit ein Ende. Bei Bedarf lässt sich ein Formular einfach ausdrucken. Konnten Papierformulare nur nach einem Gesichtspunkt eingeordnet werden, findet sich die elektronische Kopie unter ganz unterschiedlichen Kriterien wieder - sei es die Art des Antrags oder Name und Personalnummer des Mitarbeiters.

Um die Anwendung für ungefähr 5000 Mitarbeiter zu implementieren, setzte die Bayern LB ein internes Team aus drei Mitarbeitern ein. Diese installierten und konfigurierten den Server, legten die Flows, also die Arbeitsabläufe, fest und fügten das Programm in das bestehende System ein. Nach Anfangsschwierigkeiten, die hauptsächlich auf die Performance im Bereich der Powerwork-Administration zurückzuführen waren, konnte im Mai 2001 der erste Berechtigungsantrag elektronisch bearbeitet werden. Innerhalb von zwei Monaten war die Software bereits für 4000 Clients aufgespielt.

Wolfgang Fabritius: "Vier Flows sind definiert, die Anwendungen laufen, und die Mitarbeiter nutzen sie gerne." Die Erwartung, dass aufgrund der Vertrautheit mit Outlook die Akzeptanz des neuen Systems sehr rasch erfolge, wurde erfüllt. Zudem ist die Workflow-Anwendung selbsterklärend, sodass eine Schulung nicht nötig war.

Die Antragsteller bei der Bayern LB können jetzt ihre Formulare gleich am Bildschirm ausfüllen und per Mausklick versenden. Das System benachrichtigt sie automatisch, sobald der Antrag angenommen oder abgelehnt wurde. Kenntnis über die verschachtelten Prozesse, die hinter einem Antrag stehen, ist nicht nötig. Dennoch können die Mitarbeiter am Bildschirm nachvollziehen, in welcher Bearbeitungsstufe sich ihr Vorgang gerade befindet. Das wiederum ermöglicht einen gezielten Eingriff in den Prozess, sollte ein Vorgang beispielsweise zu lange dauern.

Sind alle Mitarbeiter an das System angebunden, wollen Wolfgang Fabritius und sein Team in einem zweiten Schritt Szenarien für unterschiedliche Workflows kreieren. Denn viele IT-Anwendungen sind systembedingt voneinander abhängig. Beispielsweise benötigt ein Mitarbeiter erst eine NT-Benutzerkennung, bevor er einen Internetzugang beantragen kann. Die Aufgabe besteht nun darin, diese Verknüpfung zu erkennen und sie dem System zugänglich zu machen. Die Einzelanträge werden unter einer gemeinsamen Oberfläche liegen, sodass wiederkehrende Eingaben wie Name und Vorname des Anwenders nur einmal eingegeben werden müssen. Die Einzelformulare werden dann automatisch im Hintergrund gestartet, befüllt und in der richtigen Reihenfolge abgearbeitet, wobei möglichst viele Arbeitsschritte parallel ablaufen werden, sofern das die Abhängigkeiten zulassen. Die Workflow-Spezialisten der Bayern LB suchen nun gezielt nach solchen Abläufen und Szenarien, um sie

anschließend im System hinterlegen zu können.

Wolfgang Fabritius: "Wir haben mit dem neuen System noch viel vor. Da stecken Anwendungen drin, die wesentlich zu einer Steigerung der Wertschöpfung in der Bank beitragen können und nur darauf warten, umgesetzt zu werden, und zwar kostengünstig!"