Compliance

Zehn Tipps zu Basel II

19.01.2006 von Christoph Lixenfeld
In vielen Unternehmen ist Basel II ein Schreckgespenst. Hier zehn Tipps, die helfen können, die Ängste abzubauen.

Basel II zwingt die Unternehmen zu mehr bürokratischem Aufwand, um ihnen anschließend dennoch den Zugang zu bezahlbaren Krediten zu versperren, so die Befürchtung vieler Firmenchefs. Diese Ängste sind nicht unbegründet, doch wer die Regeln kennt, kann sie besser für sich interpretieren. Sich von der eigenen Bank bewerten - "raten" - zu lassen ist nicht immer eine gute Idee. Aber fit zu sein für ein solches Rating bedeutet auch, Stärken und Schwächen der eigenen Firma genau zu kennen.

Fit für ein Rating und damit fit für Basel II werden Unternehmen vor allem mit Hilfe des richtigen Einsatzes von IT. Aber es kommt nicht nur auf die geeignete Technik an. Computerwoche Mittelstand zeigt Schritt für Schritt auf, wie Mittelständler mit dem gesamten Thema Basel II umgehen sollten.

1. Ohne Controlling geht nichts mehr

Gerade für Mittelständler ist dieses Thema noch immer ein Buch mit sieben Siegeln. Das wurde durch eine aktuelle Studie erneut bestätigt: Im Auftrag des Softwareanbieters Sage befragte das Beratungsunternehmen TechConsult mehr als 220 Entscheider aus Firmen mit bis zu 200 Mitarbeitern. Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Befragten setzt gar keine professionelle Software für das Controlling ein oder beschäftigt sich noch nicht mal mit diesem Thema. Doch Mittelständler, die einen Kredit von ihrer Bank haben wollen, werden in Zukunft nicht mehr drum herum kommen. Denn ohne Controlling ist kaum eine Basel-II-konforme betriebswirtschaftliche Planung, Steuerung und Kontrolle möglich. Und ohne die dabei ermittelten Zahlen kann weder die Bank noch ein externer Berater ein seriöses Rating durchführen.

Außerdem hilft ein systematisches Controlling dabei, genau zu wissen, wo man steht. Gerade wenn es dem eigenen Unternehmen - subjektiv - nicht so gut geht, kann das lebenswichtig sein, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Das noch immer gerne in diesem Zusammenhang verwendete Microsoft Excel stößt allerdings bei der detaillierten Analyse von Unternehmenszahlen schnell an seine Grenzen.

2. Ohne intelligentes Datenarchiv droht Gefahr

Fit sein für Basel II bedeutet auch, rechtlich auf der sicheren Seite zu stehen, und das gilt vor allem für die Verwaltung und Aufbewahrung von Firmendaten. Das Finanzamt verlangt von jedem Unternehmen, das einen PC benutzt, elektronische Dokumente im Zusammenhang mit seiner Buchführung ebenso lange und sorgfältig aufzubewahren wie das Papier in den Aktenordnern. Dazu gehören sämtliche Daten aus Buchhaltungs-, Warenwirtschafts- und Lohnprogrammen, ferner E-Mails, wenn diese steuerrelevante Informationen enthalten. Erhält ein Kunde etwa per Mail ein Angebot in einem Word-Anhang, dann muss dieses Schreiben zusammen mit jener Mail aufbewahrt werden, an der es hing. Schließlich könnten in der Mail selber Rabatte zugesagt worden sein, die im Word-Dokument nicht auftauchen. All das muss ein Unternehmen auf Wunsch dem Finanzamt auch in elektronischer Form zur Verfügung stellen können. "Wenn sich eine Firma nicht daran hält, können Geschäftsführer und Vorstände persönlich haftbar gemacht werden", so Eric Heinereich, Verkaufsdirektor bei der Morse GmbH, einem Spezialisten für Archivierungssysteme. Grundsätzlich sollten Firmen eher zu viel aufbewahren als zu wenig. Hilfreich und quasi unerlässlich ist dabei die Verwendung einer Software, die entlang vordefinierter Routinen systematisch (auch) die Dokumente aus dem elektronischen Briefverkehr sortiert und archiviert. Solche Programme bietet zum Beispiel das Unternehmen Mobius Management Systems aus Hallbergmoos an: Die Software "ViewDirect Email" erlaubt es Unternehmen, E-Mails über deren gesamte "Lebensdauer" zu managen, zu verwalten und zu archivieren.

3. Kompetenzen prüfen und klar definieren

Für die Banken spielt bei der Bewertung der Bonität eines Unternehmens auch eine Rolle, wie dieses gemanagt ist. Besonders wichtig dabei ist die Frage, ob die Kompetenzen klar definiert und gegeneinander abgegrenzt sind: Wer entscheidet über IT-Investitionen? Wer kontrolliert Zahlungseingänge und Außenstände? Gibt es - bei größeren Mittelständlern - ein Gremium, das die Entwicklung des Unternehmens regelmäßig mit den strategischen Zielen abgleicht? Werden Konsequenzen aus den dabei gewonnenen Erkenntnissen gezogen? Die Antworten auf solche und ähnliche Fragen zeigen den Banken, ob eine Firma transparent geführt wird und organisatorisch optimal aufgestellt ist. Und ein Manager, der etwa ein Organigramm aufzeichnet, kommt manchmal zu wirtschaftlich wertvollen Erkenntnissen.

4. Aufrichtigkeit in Maßen

Sich intensiv mit den Punkten eins bis drei zu befassen ist für jedes Unternehmen hilfreich. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass die dabei gewonnenen Einsichten und Zahlen sofort der Bank mitgeteilt werden müssen. Zwar werben sämtliche Kreditinstitute im Zusammenhang mit den gesetzlichen Regelungen zu Basel II für maximale Transparenz und für das rechtzeitige und kontinuierliche Offenlegen aller Zahlen. Nützlich ist dieses Vorgehen in der Tat - in erster Linie jedoch für die Bank.

Dagegen gilt gerade für Kreditnehmer, die wirtschaftliche Probleme haben: Je offener die - nicht so guten - Zahlen auf den Tisch kommen, desto schwieriger und aufwändiger kann sich die vielleicht dringend benötigte Bankenfinanzierung gestalten. Darauf weist zum Beispiel Wolfgang Sturz hin, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Wissensmanagement & Kommunikation.

Die Annahme, dass in diesem Zusammenhang Ehrlichkeit belohnt wird, kann sich als fataler Irrtum erweisen. Denn wenn das Rating negativ ausfällt, kann der betreffende Bankmitarbeiter den gewünschten Kredit gar nicht gewähren, selbst wenn er wollte. Offenheit gegenüber dem Kreditinstitut ist dagegen dann geboten, wenn die Lage so schlecht ist, dass eine Insolvenz droht: Weil die Bank das bisher an das betreffende Unternehmen verliehene Geld nicht ganz verlieren will, wird sie meist kooperativ sein.

Oliver Everling ist Chef des Rating-Beratungsunternehmens Everling Advisory Services und Geschäftsführer der Rating Evidence GmbH. Mit dem ehemaligen Abteilungsdirektor bei der Dresdner Bank sprachen wir über die Zuverlässigkeit von Ratings.

5. Zahlen von unabhängiger Seite prüfen lassen

Banken möchten das Rating und die Bewertung aller (potenziellen) Kunden selbst in der Hand behalten. Dabei hat es auch für gesunde Firmen handfeste Vorteile, sich von unabhängiger Seite raten zu lassen. Gute Noten sind schließlich ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt. Hat die eigene Hausbank diese Noten ermittelt, dann muss sie die Details dieses Ratings dem potenziellen Kreditnehmer keineswegs mitteilen. Und viele Banken wollen das auch gar nicht. Schließlich könnte ein solventer Kreditnehmer mit der positiven Bewertung versuchen, bei einem anderen Institut bessere Konditionen zu erhalten, als sie die eigene Hausbank anbietet. Hält der Chef aber eine positive Bewertung von unabhängiger Seite in den Händen, dann sollte er genau so vorgehen. Unabhängige Ratings bieten zum Beispiel Euler Hermes oder die Creditreform Rating AG an. Preiswert und schnell ist das vor allem für Mittelständler geeignete @rating von Cofacerating, einer Firma, die zu dem großen Kreditversicherer Coface gehört.

6. Ratingpreise vergleichen

Die Kosten des Ratings sollten in einer vernünftigen Relation sowohl zum Umsatz als auch zum Kreditbedarf stehen. Kleine Unternehmen brauchen keine teuren Ratings. Ebenso wenig sollten sie sich im Zusammenhang mit Basel II teure Hard- und Softwarelösungen aufschwatzen lassen. Immer dann, wenn ein hoch erscheinender Preis mit dem Hinweis auf "Basel-II-Sicherheit" gerechtfertigt wird, ist Misstrauen angebracht. Unternehmen sollten Investitionen tätigen, die die Effizienz der Firma verbessern. Dass man damit dann auch die Basel-II-Kriterien leichter erfüllen kann, kann ein willkommener Nebeneffekt sein - mehr nicht.

7. Erst nachbessern, dann Karten aufdecken

Wer durch ein erstes, preiswertes Rating Schwächen entdeckt hat, die die gewünschten Kredite mit hoher Wahrscheinlichkeit verteuern würden, sollte nicht sofort zu seiner Bank gehen. Besser ist es, erst mal nachzubessern. Und zwar zunächst dort, wo man mit vergleichsweise geringem Aufwand große Wirkung erzielen kann, etwa bei den Organisationsstrukturen oder beim Controlling. Erst wenn die gröbsten Schwächen ausgeräumt sind, empfiehlt sich der Gang zur Hausbank (vorausgesetzt, der Kreditwunsch kann so lange auf Erfüllung warten ...).

8. Selbstbewusst gegenüber der Bank auftreten

Im Zusammenhang mit Basel II versuchen die Banken viele Informationen abzufragen, die sie für das Rating gar nicht brauchen. Das ist ihnen zwar nicht verboten, aber der potenzielle Kreditnehmer braucht nicht unbedingt jede dieser Fragen zu beantworten. Vor allem, wenn eine langjährige Geschäftsbeziehung zwischen beiden besteht, sollte der Chef des mittelständischen Unternehmens selbstbewusst auftreten und zu Fragen, die ihm allzu indiskret erscheinen, eine Begründung verlangen.

9. Fit für Basel II sollte auch sein, wer wenig Geld braucht

Gerade bei Investitionen für Hard- und Software, aber auch in vielen anderen Bereichen gibt es mittlerweile unzählige Alternativen zum Bankkredit. Leasing zum Beispiel hat bei der Anschaffung von Hardware einen entscheidenden Vorteil: Sorgt der Anbieter selbst für die Finanzierung, so verbilligt der kalkulierte Restwert die Raten. Bei mit einem Bankkredit gekauften Computern dagegen muss sich der Käufer selbst um die Verwertung der Geräte kümmern, wenn die Abschreibungsfrist abgelaufen ist. Seine Hausbank hat daran weder Interesse, noch hat sie die erforderlichen Kontakte. Darüber hinaus lässt sich heute nicht nur die dazu passende Software mieten; sogar umfangreiche IT-Projekte können über den Anbieter der Leistungen finanziert werden.

10. Kein Grund zur Panik

Basel II tratt offiziell zum 1.1.2007 in Kraft. Die damaligen Aufrufe der Banken, die Unternehmen müssten sich jetzt sofort und umfangreich fit machen für diesen Zeitpunkt, erfolgten in erster Linie im Eigeninteresse. Was zudem viele Kreditnehmer nicht wissen: Die meisten Institute wenden seit Jahren Ratingverfahren bei der Kreditvergabe an. Deshalb brauchen sie keineswegs jetzt sofort sämtliche Daten einer Firma, um diese "endlich" raten zu können. Die beste Strategie ist, als Erstes und in aller Ruhe das eigene Unternehmen zu optimieren und dann mit der Bank zu sprechen.

"30 Prozent aller Ratings sind falsch"

CW: Im Zusammenhang mit Basel II plagt viele Mittelständler die Sorge, ihre Hausbank würde das Rating dazu benutzen, viel mehr Daten über den Kunden zu sammeln, als eigentlich notwendig wäre.

Everling: Diese Gefahr besteht in der Tat, und die Versuchung ist für die Banken sehr groß. Schließlich müssen sie sich zwar die Kriterien, nach denen sie raten, von der Bankenaufsicht genehmigen lassen, aber nicht die Fragen, die sie in diesem Zusammenhang stellen. In den USA zum Beispiel ist das ganz anders: Dort gibt es den Fair Credit Reporting Act, der besagt, dass bestimmte Informationen gar nicht abgefragt werden dürfen. Auch ist es dort verboten, potenzielle Kreditnehmer von vornherein zu diskriminieren, etwa weil sie ihr Geschäft in einem verrufenen Stadtviertel betreiben. In Deutschland dagegen hindert die Banken niemand an einer solchen Diskriminierung.

CW: Helfen die vielen Fragen den Banken denn nicht auch dabei, den Bedarf eines Kunden möglichst individuell zu ermitteln?

Everling: In der Praxis ist das eher nicht der Fall. Denn für das eigentliche Rating und damit für die Entscheidung über die Kreditvergabe verwenden die Banken immer nur einen Teil der Antworten. Und weil die meisten Institute im Zusammenhang mit Basel II dieselben Beratungshäuser engagiert hatten, verwenden auch die meisten dieselben Kriterien. Wer bei Bank A keinen Kredit mehr bekommt, wird bei Bank B in aller Regel auch nichts mehr kriegen.

CW: Wie zuverlässig sind insgesamt die Ergebnisse von Ratings in Bezug auf die Kreditwürdigkeit und die Zukunftsaussichten eines Unternehmens?

Everling: Die Banken selber gehen intern von einem so genannten Beta-Fehler in Höhe von 30 Prozent aus. Das bedeutet: 30 Prozent aller Kandidaten werden falsch geratet, also entweder zu gut oder zu schlecht bewertet.

CW: Woran liegt das?

Everling: An der Standardisierung des ganzen Verfahrens. Die Kreditsachbearbeiter entscheiden fast nichts mehr, sondern prüfen nur Kriterien ab. Und hier spielen handelsübliche Sicherheiten wie private Immobilien in Zukunft eine noch größere Rolle als bisher schon. Das diskriminiert aber zum Beispiel Gründer, die nichts oder wenig haben außer einer guten Idee. Für die wird es durch Basel II sicher nicht leichter werden, eine Finanzierung hinzubekommen.

Das Interview führte Christoph Lixenfeld, freier Journalist, im Auftrag von CW Mittelstand