Sparen bei der Beschaffung

Zehn Schritte ins E-Procurement

07.03.2003 von von Lars
Ein Unternehmen, das schwarze Zahlen schreiben will, muss billig einkaufen - egal, ob es um Roh- und Produktionsmaterial geht oder um Dinge, die Tag für Tag im Büro gebraucht werden. Die digitale Beschaffung von Waren und Leistungen aller Art hilft, hier Kosten zu sparen. Im günstigsten Fall ist der Einstieg ins E-Procurement sogar der Auslöser, um die eigenen Beschaffungsprozesse zu vereinheitlichen.

1. Das Internet als Warenhaus

Um online etwas zu beschaffen, was im eigenen Unternehmen gebraucht wird, muss man kein Computerexperte sein. Wer einen PC an das Internet anschließt, hat den ersten Schritt ins EProcurement schon gemacht. Um entsprechende Online-Shops zu finden, genügt es meist, Suchbegriffe in eine Suchmaschine einzugeben. Schon dieser erste Schritt ins E-Procurement kann sich lohnen, wenn man sich die Zeit nimmt, Preise zu vergleichen, und nicht vertraglich an angestammte Zulieferer gebunden ist. Sparen lässt sich dabei nicht nur beim Einkaufspreis, sondern auch bei der Geschwindigkeit. Im Vergleich zu den meist langwierigen traditionellen Lieferanten-Beziehungen per Fax und Telefon geht das Einkaufen via Web wesentlich schneller.

Für den E-Procurement-Neuling empfiehlt sich aber, zunächst keine unternehmenskritischen Güter elektronisch einzukaufen, sondern mit austauschbaren Bedarfsmaterialien, den so genannten C-Gütern, Netz-Erfahrung zu sammeln. Ein Beispiel ist der Einkauf von Druckerpatronen, die bei spezialisierten Netz- Shops wie Tintenpalast oder EDV-Detektiv um bis zu 50 Prozent günstiger als im stationären Handel sind. Doch sollte man nicht nur auf den Preis schauen: Nicht die billigste, sondern die pünktlich in der richtigen Qualität und gegen Rechnung gelieferte Druckerpatrone hilft einem Unternehmen weiter.

2. C-Güter: Bürobedarf vom Marktplatz

Wer häufig und viele verschiedene Produkte online einkauft, stellt fest, dass die Suche nach guten Angeboten und Anbietern auch im Internet Zeit verschlingt. Eine Alternative zur Einzelsuche ist die Nutzung von elektronischen Marktplätzen. Diese Internet-Unternehmen fassen wie ein Warenhaus die Angebote verschiedener Lieferanten zusammen. In digitalen Warenkatalogen bieten sie neben Bürobedarf auch Hard- und Software, Werkzeuge oder andere Produkte an. Für jeden Beschaffungsvorgang braucht man also nur eine Anlaufadresse im Internet. Zusatzkosten sollten nicht anfallen, die an den Markt angeschlossenen Verkäufer übernehmen in der Regel etwaige Gebühren. Auswahlkriterien für einen guten Marktplatz sind Warenangebot, Liefertreue und die Erreichbarkeit über das Internet mit Hilfe des eigenen Browsers ohne Zusatzsoftware. Es ist kein Problem, von einem C-Güter-Marktplatz zum nächsten zu wechseln. Wichtige Fragen sind hier: Wie lange ist ein Unternehmen am Markt? Wer sind die Gesellschafter? Wie viele Kunden, wie viele Lieferanten sind angeschlossen, wie hoch ist das derzeitige Bestell- und Transaktionsvolumen? Testbestellungen und Anfragen bei Wirtschaftsauskunftsteien wie beispielsweise der Schufa helfen, die künftigen Partner einzuschätzen.

3. Einheitliche Bestellprozesse: pro Produkt nur ein Kanal

 Mit E-Procurement eröffnet sich das Unternehmen neben dem persönlichen Kontakt, dem Brief-, Fax- und Telefonverkehr einen weiteren Beschaffungskanal. Nachdem man erste entsprechende Erfahrungen gesammelt hat, empfiehlt es sich, zentral und für alle Mitarbeiter bindend zu definieren, welche Dienste und Güter auf diese Weise eingekauft werden. Ziel ist es, firmenintern für jedes Produkt verbindlich festzulegen, über welchen Kanal es eingekauft wird. Je mehr Lieferanten es gibt und je standardisierter die gesuchten Produkte sind, desto leichter lassen sich althergebrachte Kanäle durch den elektronischen Einkauf ersetzen.

Die Herausforderung für die Unternehmensführung besteht dabei darin, die Prozesse im gesamten Einkaufswesen darzustellen, sie zu evaluieren und sie gegebenenfalls neu zu definieren. Der Einsatz externer Berater kann dabei sinnvoll sein. Diese Standardisierung der Abläufe hilft schon heute, Geld zu sparen, weil Redundanzen vermieden und Prozesse optimiert werden.

4. Umdenken: Das ganze Unternehmen kauft online ein

Bevor eine Firma nach ersten positiv verlaufenen E-Procurement- Experimenten in Technologie investiert, müssen alle Mitarbeiter mit Einkaufsverantwortung an den neuen Beschaffungskanal herangeführt werden. Unternehmen können nur dann effektiv ins E-Procurement einsteigen, wenn alle Betroffenen den neuen Beschaffungskanal akzeptieren. Andernfalls werden die Sparpotenziale nur punktuell ausgeschöpft - ein Computer mit Netzzugang ist nicht mehr als ein teurer Briefbeschwerer, wenn ihn keiner benutzt.

Damit die Einkäufer von ihren Gepflogenheiten Abstand nehmen, muss man sie von den Vorteilen des digitalen Einkaufs überzeugen. An erster Stelle auf der Argumentationsliste stehen die positiven Erfahrungen - Einsparungen von Zeit und/oder Geld - aus ersten Beschaffungsprojekten. Berührungsängste werden abgebaut, wenn der Einkäufer persönlich erlebt, dass das neue System dem Blättern in gedruckten Katalogen und dem Telefonieren mit Anbietern deutlich in Transparenz und Schnelligkeit überlegen ist.

5. Software für das E-Procurement: Hilfe für den Großeinkauf

Wenn Güter und Leistungen auf der Grundlage klar definierter und standardisierter Beschaffungsprozesse im großen Stil über das Internet eingekauft werden sollen, ist es sinnvoll, die Abläufe zu systematisieren.

E-Procurement-Software liefert die technische Basis dafür. Katalogsysteme bilden das Herzstück dieser Lösungen. Die Einkäufer greifen damit direkt auf die digitalen Warenkataloge der Lieferanten zu, die bereits an einen Marktplatz angebunden sind. In die meisten Systeme können Unternehmen auch Kataloge neuer, eigener Lieferanten einbinden, die noch nicht an Marktplätze angeschlossen sind. Genehmigungsstufen, Kostenstellen und Kostenarten einer Bestellung lassen sich mit der Software abbilden - der Systematik folgend, die Unternehmen nach ihren ersten Erfahrungen als bindend definiert haben. (Siehe Schritt 3)

Bei solchen weitgehend automatisierten Abläufen genügt ein Mausklick, um bestimmte Artikel ohne den Versand von Faxen oder Briefen und auch ohne den Umweg über eine Warenkorb-Funktion im Internet zu bestellen. Die Wareneingangsbuchung erfolgt nicht mehr manuell, und die digitale Rechnung kommt ebenfalls automatisch.

Vergleicht man die Einführung einer E-Procurement-Software mit der Implementierung eines Warenwirtschaftssystems, handelt es sich um ein vergleichsweise kleines Projekt. Dennoch ist es sinnvoll, kleinen, überschaubaren Systemen den Vorrang vor großen Softwarepaketen mit vielen Funktionen zu geben. Allerdings sollte sich die Software problemlos um neue Funktionen erweitern lassen. Eine Möglichkeit, hohe Anfangsinvestitionen zu umgehen, ist die Miete von E-Procurement-Software und Service von einem externen Dienstleister, einem Application Service Provider (ASP). Um die Investitionssicherheit zu gewährleisten, muss eine derartige Lösung Schnittstellen zum eigenen und zu allen gängigen Warenwirtschaftssystemen beinhalten, auch wenn eine derartige Anbindung im Unternehmen noch nicht benötigt wird. Wichtig ist auch, dass sie die in der eigenen Branche genutzten Standards unterstützt. In der Regel sind es auf XML basierende Formate für den Austausch von Geschäftsdokumenten, die sich je nach Branche geringfügig voneinander unterscheiden. Als Standard zum Austausch von Katalogdaten hat sich das Format BMEcat etabliert. Auch die Überlebensfähigkeit des Lösungsanbieters spielt mit Blick auf die Zukunftssicherheit der Technik eine wichtige Rolle. (Siehe Schritt 2).

 6. Anbindung an die Warenwirtschaft: Transparenz, die sparen hilft

 Unternehmen, die bereits über Warenwirtschafts- oder Kunden- Management-Systeme verfügen, können die im E-Procurement anfallenden Daten auch in ihren internen Systemen weiterverarbeiten. Voraussetzung dafür sind Schnittstellen zur Beschaffungssoftware. Die reine Integration einer Marktplatzanbindung in das eigene Warenwirtschaftssystem bei Standardsystemen sollte zwei bis fünf Manntage dauern. Bei proprietären Lösungen fällt dieser Vorgang naturgemäß teurer aus. Wenn diese Phase abgeschlossen ist, entfällt das fehlerträchtige Eintippen von Bestellvorgängen in Unternehmenssysteme per Hand. Leichter als bisher lassen sich tatsächliche Einkaufsvolumen erfassen, nach Warengruppen oder Organisationseinheiten aufschlüsseln und unternehmensweit bündeln. Soll ein selten benötigter Artikel beschafft werden, findet man heraus, ob und wo er schon einmal bestellt wurde.

7. Ausschreibungen und Auktionen: die Suche nach Lieferanten

Wer große Volumen einkauft, kann auf Rabatt hoffen. Insofern liegt es nahe, digitale Beschaffungsplattformen wie Marktplätze auch für Ausschreibungen zu nutzen, wenn es um Verträge mit langer Laufzeit geht. Wer große Aufträge kostengünstig vergeben will, kann durch umgekehrte - revers genannte - Auktionen Geld sparen. Hier unterbieten sich die Interessenten bei dem Preis, für den sie einen bestimmten Auftrag übernehmen. Ausschreibungen und reverse Auktionen lassen sich auch von Unternehmen ohne besonders „durchdigitalisierte“ Prozesse initiieren. Viele Marktplatzbetreiber bieten die dafür erforderlichen Systeme als Dienstleistung an. Der Aufwand ist mit ihrer Hilfe häufig sogar geringer als bei der herkömmlichen Vergabe von großen Etats. Die entsprechenden Anforderungen lassen sich in Spezifikationssysteme eintragen, die interessierte Anbieter online abrufen können.

Je genauer die Spezifikationen sind, desto leichter fällt es potenziellen Lieferanten abzuschätzen, ob sie die Anforderungen erfüllen können. Normierte Schrauben beispielsweise lassen sich natürlich leichter spezifizieren als ein Dienstleistungsauftrag wie der Entwurf eines Gebäudes oder das Ausarbeiten eines Firmenprospekts.

Für den Anfang ist es ratsam, mit Pilotausschreibungen und -auktionen Erfahrungen zu sammeln. Letztere erfordern beispielsweise kontinuierliche Betreuung, um auf Rückfragen sofort reagieren zu können und so das Vertrauen der Anbieter in die Online-Systeme zu festigen.

8. A- und B-Güter: strategische Einkaufsprojekte im Netz

Anforderungsspezifikationen lassen sich fast beliebig detailliert definieren. So ist es möglich, komplexe Produkte wie Produktionsmaschinen oder fertige Bauteile - Bedienkonsolen für ein Waschmaschinenmodell, Plastikbausteine für zu fertigende Bürosessel oder die Verschalung für das Armaturenbrett eines Pkw - über das Internet auszuschreiben. Gegebenenfalls werden die Katalogdaten mit zusätzlichen Informationen wie digitalisierten Bildern oder Bauplänen angereichert. Allerdings ist diese Art der Beschaffung wegen der besonders komplexen Erarbeitung der Spezifikationen teuer. Bei Produkten, die nur selten oder in geringer Menge bestellt werden, fällt die Kosten-Nutzen- Rechnung oft negativ aus.

9. Das Lieferanten-Netzwerk: Datenaustausch mit vielen Partnern

Im Laufe der Zeit entsteht durch die unterschiedlichen E-Procurement- Beziehungen eines Unternehmens zu seinen Zulieferern - und verkaufsseitig zu den Abnehmern - ein komplexes Netzwerk. Zunächst sind es nur wenige ausgewählte Lieferanten, doch nach und nach werden weitere in das bereits produktiv eingesetzte EProcurement- System integriert.

Nicht nur die technische Anbindung einer großen Zahl von Lieferanten mit unterschiedlichen Voraussetzungen stellt dabei Anforderungen an das eigene Unternehmen und etwaige Technologiepartner. Es geht auch um juristische Fragen: Schon im Vorfeld muss Klarheit darüber bestehen, wie mit auftretenden Problemen umgegangen wird. Hierzu gehört, die zuständigen Personen zu definieren und Reaktionszeiten sowie Eskalationsstufen zu vereinbaren. Auch die Verteilung der entstehenden Kosten und Einsparungen fällt darunter.

Es empfiehlt sich, definierte Prozesse und Verantwortlichkeiten wie auch die Verteilung anfallender Kosten stets vertraglich festzuhalten. Auch Aspekte der Sicherheit und der Risikoübernahme sowie die Gültigkeit und Anerkennung der auf elektronischem Wege ausgetauschten Geschäftsdokumente müssen juristisch abgesichert werden.

10. Unternehmen als Teile der Lieferkette: Lieferung bei Bedarf

Die Vereinheitlichung der internen Beschaffungsprozesse ist ein sinnvoller erster Schritt für Unternehmen, in die digitalisierte Wirtschaft einzusteigen. Zwar ist die idealtypische Lieferkette (Supply Chain) vom Rohstofferzeuger über die Veredler, Zulieferer, Produzenten, Logistiker und Verkäufer bis hin zum Endkunden in den meisten Branchen noch Zukunftsmusik. Doch die Entwicklung hin zur Kettenstruktur ist eindeutig. Ein sorgfältiger und strategischer Einstieg in digitale Beschaffungsprojekte hilft der Integration der eigenen Systeme in externe Netzwerke. Er schafft so die Voraussetzung, um mittelfristig an diesen Ketten produktiv teilhaben zu können - und das kann sich schon kurzfristig auszahlen.

Schließlich lässt sich im Zuge dieser Entwicklung das eigene Einkaufswesen effizienter aufstellen und so bereits jetzt Geld sparen. (uk) * Lars Reppesgaard ist freier Journalist in Hamburg.