Open Innovation FAQ

Zehn Fragen und Antworten zu Open Innovation

05.08.2013 von Serhan Ili
Open Innovation ist in aller Munde. Doch was hat es mit der Öffnung des Innovationsprozesses über die Unternehmensgrenzen hinaus wirklich auf sich? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

1. Was ist Open Innovation?

Im Mittelpunkt steht die Zusammenarbeit von unternehmenseigenen Mitarbeitern und externen Wissensträgern wie Experten, Kunden, Lieferanten, Forschungsinstituten, Wettbewerbern etc., um gemeinsam Werte zu schaffen. Open Innovation kann für inkrementelle Neuerungen, radikale Erfindungen und Informationsvorsprünge sorgen.

Für Unternehmen gibt es zwei Strategierichtungen: Outside-in und Inside-out. Bei der ersten Variante geht es darum, Lösungsansätze von Dritten auf eigene Fragestellungen zu übertragen und anzuwenden. Das findet beispielsweise statt, wenn Unternehmen mit wissenschaftlichen Einrichtungen zusammenarbeiten, die über viel fachliches Know-how verfügen.

Inside-out hingegen bedeutet, eine bestehende unternehmenseigene Entwicklung (Idee, Technologie, Invention, Patent), die im Rahmen des eigenen Portfolios unzureichend oder gar nicht genutzt wird, zu externalisieren und dadurch zu einer wirtschaftlich erfolgreichen Innovation zu machen. Die breiteste Anwendung findet der Inside-out-Ansatz bei Patenten, die zum Beispiel auf Internet-Plattformen zum Kauf oder zur Lizenzierung angeboten werden. Ferner bietet Inside-out die Möglichkeit, eigene Technologien und Wissen über Industriegrenzen hinaus in neue Kooperationen und Innovationsprojekte einzubringen. Dadurch lassen sich neue Geschäftsgebiete erschließen und neue strategische Partner finden.

Die meisten Unternehmen, die Open Innovation nutzen, setzen Mischformen von Outside-in und Inside-out ein. Sie wollen sich das Potenzial in beiden Richtungen erschließen.

Die FAQ ist dem soeben erschienenen Fachbuch „Open Innovation 100 Fragen – 100 Antworten“ von Serhan Ili entnommen. Sein Buch ist im symposion Verlag erschienen.
Foto: Symposion Verlag

... mehr Informationen zum Buch finden Sie hier.

2. Welche Bedeutung hat der Open-Innovation-Ansatz für das Innovationsmanagement?

Der Innovationsprozess von Unternehmen ist dadurch gekennzeichnet, dass Kunden, Lieferanten und strategische Partner immer stärker untereinander vernetzt sind. Zudem streben sie eine möglichst effiziente Verwertung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen, Ideen und Technologien über die Gründung von Spin-offs, Joint Ventures oder die Lizenzierung von Patenten an. Die Hinwendung zu Open Innovation erfolgt je nach Unternehmen, Branche und Wertschöpfungskette unter anderem aus folgenden Beweggründen:

3. Nutzen deutsche Unternehmen Open Innovation?

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Vielfach ja. Der Ansatz ist keine bloße Modeerscheinung, wie noch vor einigen Jahren befürchtet. Derzeit liegt der Fokus vermehrt auf der Öffnung der ersten Phasen des Innovationsprozesses, weniger bei der zusätzlichen externen Verwertung eigener (ungenutzter) Ideen/Technologien. Das ist zunächst auch richtig so, um Open Innovation überhaupt umsetzen und nachhaltig im Unternehmen weiterentwickeln zu können.

Nur wenige Unternehmen schaffen es, sich auch den nächsten, reiferen Stufen von Open Innovation zu widmen. Ein Grund dafür ist, dass sie bei der Einführung und Umsetzung zu viele Fehler machen, sodass erste Erfolge zu spät einsetzen und dadurch die Akzeptanz beziehungsweise Effektivität von Open Innovation schnell infrage gestellt wird. Zusammenfassend kann man sagen, dass Unternehmen Open Innovation als probate Strategie sehen, um die Innovationsproduktivität zu steigern. Allerdings nehmen sie die organisatorischen Veränderungen, die damit verbunden sind, oft nicht in Angriff. Warum?

Die Hürden sind unbequem für Unternehmen, um erforderliche organisatorische Veränderungen umzusetzen. Noch ein Aspekt: Forscher und Entwickler müssen sich auch an die neuen Rahmenbedingungen anpassen. Daher bedarf es einer Due-Diligence-Kompetenz zur Bewertung externer Technologien und einer gewissen Offenheit.

4. Welche Vorurteile und Missverständnisse im Zusammenhang mit Open Innovation gibt es?

Sie beginnen oft bei der Fehleinschätzung von Managern, dass Open Innovation letztlich nur eine Methode sei, um die Ausgaben der eigenen Forschung und Entwicklung zu senken oder die interne Forschungsabteilung überflüssig zu machen. Eher das Gegenteil ist der Fall: Es braucht immer noch genügend hervorragende Expertise im Unternehmen selbst, um Open-Innovation-Prozesse zu planen, durchzuführen und zu steuern. Insofern zielt Open Innovation auch weniger auf Kosteneinsparung ab als auf den Mehrwert, der sich etwa in einer verkürzten Time-to-Market, einer stärkeren Kundenorientierung oder einer Lösung bislang offener Probleme durch frische Impulse von außen zeigt.

5. Welche rechtlichen Risiken bestehen bei der Anwendung von Open Innovation?

Eine offene Lizenzierungspolitik kann bei Patentstreitigkeiten vor Gericht negative Auswirkungen haben. Versucht ein Unternehmen, die Nutzung seiner Technologie gerichtlich zu unterbinden, könnte es bei einer vorangegangenen großzügigen Lizenzierungspolitik im Rahmen von Open-Innovation-Maßnahmen Schwierigkeiten bekommen, das Gericht von der Rechtmäßigkeit seines Anliegens zu überzeugen. Auch die Aktionäre könnten eine großzügige Lizenzierung an andere Unternehmen falsch auffassen.

Einen Sonderfall stellen überdies Crowdsourding-Maßnahmen dar, bei denen eine Innovationsaufgabe an eine Vielzahl von Personen ausgelagert wird, meist durch Aufruf zur Beteiligung auf entsprechenden Internet-Plattformen. Hier zeigen sich eine Reihe von rechtlichen Risiken, die von urheber- und vertragsrechtlichen Fragen zur Verwertung nutzergenerierter Lösungen, über das Haftungsrisiko für den Verwerter, bis hin zu Fragen der adäquaten Honorierung der Teilnehmer reichen. Auch Fragen des Datenschutzes und Urheberpersönlichkeitsrechts können hier eine erhebliche Rolle spielen.

6. Welche Fehler werden am häufigsten bei der Einführung von Open Innovation gemacht?

Einer der häufigsten Fehler besteht darin, dass es vonseiten des Topmanagements an Commitment und Einbindung mangelt. Bekennt sich die oberste Führung nicht oder nur unzureichend zu externer Ideensuche und -verwertung, führt das im Unternehmen allenfalls zu einer lokalen Akzeptanz von Open Innovation, mehr noch zu einer Ausbreitung einer "Not-Invented-here"- Einstellung bei den Mitarbeitern. Abhilfe kann nur die nachhaltige Förderung von Open Innovation durch das Topmanagement schaffen.

Die Öffnung des Unternehmens nach außen muss in der Strategie verankert sein und im Innovationsprozess selbst berücksichtigt werden. Ein häufig gemachter Fehler zeigt sich darin, dass im operativen Bereich keine Quick Wins realisiert werden. Das führt rasch zu Akzeptanzproblemen, da sich nach einer Investition in Open Innovation nicht schnell genug Erfolge einstellen. Hier kann zum Beispiel eine Innovationskampagne eine probate Vorgehensweise sein, um neue Suchwege für externen Input zu erschließen.

Ferner wird oftmals die neue Art und Weise der Organisation von Innovation unterschätzt. Prozesse, Methoden, Systeme und Kultur werden zu wenig angepasst, so dass Unternehmen nicht wissen, wie sie die organisatorischen Veränderungen adressieren sollen. Last, but not least werden manchmal zu wenige externe Experten eingebunden, die die erfolgreiche Einführung und Umsetzung beschleunigen und sicherstellen können.

7. Kann Open Innovation Entwicklungszeiten und -kosten reduzieren?

Vor dem Hintergrund verkürzter Innovationszyklen sind viele Unternehmen gezwungen, Entwicklungskosten und -zeiten zu senken. Sie müssen ihre Entwicklung flexibilisieren und neu gestalten. Ein Weg hierfür kann in Open-Innovation-Maßnahmen liegen, denn technologisches Wissen in der eigenen Forschung und Entwicklung zu generieren, kann aufwendiger und langsamer von statten gehen als dessen externe Beschaffung.

Daher lassen sich durch die Integration externen Wissens in den Entwicklungsprozess - insbesondere wenn es sich um eine bereits funktionierende Technologie handelt - die Vorteile einer verkürzten Entwicklungszeit (Time-to-market) erwarten, ebenso Kostensenkungen durch eine kürzere Ressourcenbelegung, eine Reduzierung der Risiken sowie eine höhere Marktakzeptanz des neuen Produkts (Fit-to-Market).

Beispielsweise hat Procter & Gamble eine neue Zahnbürste in Kooperation mit einer japanischen Firma entwickelt, wodurch sich die Entwicklungszeit im Vergleich zu einem internen Projekt um die Hälfte verringerte. Derartige Partnerschaften reduzieren die Stückkosten und steigern die Erfolgswahrscheinlichkeit der Einführung von Markt- und Sortimentsneuheiten. Darüber hinaus können Unternehmen schneller und flexibler auf neue Technologien und Marktanforderungen reagieren.

Immer häufiger kommen dabei auch sogenannte Innovationsnetzwerke zum Tragen. Daher verschiebt sich der Fokus der Unternehmen auch zunehmend von der Koordination interner Prozesse hin zur engen Einbindung externer Partner. Die Grenzen der Unternehmen werden fließend.

8. Lassen sich neue Geschäftsfelder durch Open Innovation erschließen?

Durch eine strukturierte und systematische Prüfung, wo und wie sich bestehende Technologien und Innovationen verwerten lassen, können neue Geschäftsfelder identifiziert werden. Hierzu ist es erforderlich, die Funktionen und Eigenschaften der Technologie zu abstrahieren, nach Handlungsfedern in anderen Märkten und Branchen zu suchen und schließlich dann zu adaptieren.

Im Hinblick auf die strategische Stoßrichtung für Innovationen stehen Unternehmen vor der Frage, ob Innovationen eng bei den gegenwärtigen Geschäftsfeldern liegen sollen oder ob mit ihnen der Einstieg in neue beziehungsweise weit entfernte Marktsegmente möglich werden soll. Oder soll im bestehenden Geschäftsbereich ein Innovationssprung durch die Nutzung neuer Technologien erzielt werden?

Die Integration externer Kompetenzen kann intern vorhandenes Know-how ergänzen oder erweitern - oder eine ganz neue Wissensbasis schaffen. Die Herausforderung, um sich neue Geschäftsfelder durch Open Innovation überhaupt erschließen zu können, besteht allerdings darin, externe Erkenntnisse - im Extremfall aus bisher fachfremden Disziplinen - so zu transformieren, dass ihre Anwendung in den Kernkompetenzbereichen des eigenen Unternehmens zu einer echten Wertschöpfung führt.

Ob und inwiefern es dabei gelingt, eigenes und/oder transferiertes Wissen in neuen Geschäftsfeldern strukturiert und strategisch anzuwenden, hängt zu einem wesentlichen Teil davon ab, wie intensiv ein Unternehmen in der Lage ist, einen Innovations- und Technologietransfer zum Beispiel aus Forschung und Wissenschaft in das Unternehmen hinein zu betreiben.

9. Warum begünstigt ein Führen durch Loslassen eine erfolgreiche Öffnung des Innovationsprozesses?

Führen durch Loslassen thematisiert eine grundlegende Diskrepanz zwischen traditionellen vertikalen Führungsansätzen und den Bedürfnissen der Wissensarbeiter im Unternehmen. Letztere neigen häufig dazu, Hierarchien eher zu ignorieren und autonom zu arbeiten, um produktiver, innovativer und engagierter handeln zu können. Führung durch Loslassen bedeutet daher:

Vor diesem Hintergrund lassen sich die Bedingungen für mehr Innovation schaffen, indem die Mitarbeiter dazu ermutigt werden, sich untereinander auszutauschen, Communitys zu bilden, mehr Verantwortung zu übernehmen und mit neuen Ideen zu experimentieren. Im Gegenzug können sich die Führungskräfte stärker auf strategische Aspekte konzentrieren und fungieren mehr als Befähiger denn als anordnende Spitze.

10. Was sind die Voraussetzungen, damit ein Unternehmen seinen Innovationsprozess erfolgreich öffnen kann?

Zunächst muss sich das Unternehmen Klarheit darüber verschafft, was es unter Open Innovation verstehen will und die Rahmenbedingungen für etwaige Aktivitäten prüft. "Open" bedeutet nicht zwangsläufig eine völlige Transparenz und Offenheit des Informationsflusses, sondern zunächst einmal eine Öffnung des bisher angewandten Entwicklungsprozesses von der Idee bis hin zum fertigen Produkt.

Dabei bietet es sich an, bereits eingesetzte beziehungsweise laufende Innovationsmaßnahmen und -prozesse nach ihrer Nähe zu Open Innovation zu prüfen. Darauf aufbauend lassen sich dann weitere Anforderungen an entsprechende Open-Innovation-Maßnahmen in Betracht ziehen, so dass es zu einem Re-Engineering bestehender Prozesse kommt - mit der Chance, dass vorherige Schwierigkeiten erkannt und gelöst werden.

Sich derart zu öffnen heißt vor allem, zusätzlich interne und, eher selektiv, auch externe Quellen einzubeziehen. Das können beispielsweise strategisch relevante Zulieferer, Entwicklungs- oder Wissenschaftspartner sein. Am einfachsten lässt sich das im Rahmen von ersten Pilotprojekten mit bewusst ausgesuchten Teilnehmern innerhalb und außerhalb des Unternehmens realisieren. Das Vorhaben kann sich aber auch bis zu einer öffentlichen Entwicklung unter intensiver Einbindung von Endkunden ausweiten. In jedem Fall muss das Initialprojekt klar definiert werden im Hinblick auf Umfang, Verantwortlichkeiten, Beteiligte, Zielsetzungen und erwartete Resultate. (hv)