Yahoo sucht seinen Platz im Web

24.02.2006
Mit dem Konzept eines "Social Search" will das Unternehmen von Community-Entwicklungen im Web profitieren und die eigene Plattform aufwerten. Doch die Umsetzung wird erst ansatzweise sichtbar.

Die nächste Evolutionsstufe bei der Informationssuche im Internet heißt "Social Search". Dies zumindest propagiert seit einigen Monaten Yahoo. Der Begriff steht für ein Konzept, das Suchfunktionen und Dienste des eigenen Portals mit dem sozialen Umfeld, dem Wissen und den Interessen der Nutzer verschmelzen möchte. Die Relevanz von Inhalten wird dabei nicht mehr allein von Suchalgorithmen und der Verlinkung einer Website bestimmt, sondern durch die Vorlieben und Interessen des Einzelnen. "Bookmarks, Bewertungen der Sites, Kommentare, Blog-Einträge oder Tags sind seine Instrumente", erklärte jetzt Bradley Horowitz, Director Media und Desktop Search bei Yahoo gegenüber der COMPUTERWOCHE.

Bradley Horowitz, Director Media und Desktop Search bei Yahoo: 'Relevanz wird durch den Nutzer bestimmt.'

Eine Suchanfrage würde nicht mehr nur das Web, sondern auch das in den Yahoo-Diensten befindliche Wissen des Freundes- und Bekanntenkreises des Benutzers durchsuchen, die sich aber zuvor auf der Site anmelden müssen. Dieser auch unter dem Namen "Trusted Web" beworbene Ansatz will somit wie im wirklichen Leben Ergebnisse auf Basis des Wissens von Vertrauten anbieten.

Mit der Umsetzung von Social Search hat Yahoo laut Horowitz bereits begonnen. Hierzu wurde in den letzten zwei Jahren zunächst eine moderne Suchmaschine aufgebaut, die auf Technik zugekaufter Firmen wie Altavista, Overture und Inktomi basiert. Im letzten Jahr präsentierte das Unternehmen ferner mit "My Web 1.0" eine personalisierte Suche. Deren nächste Generation, "My Web 2.0", ist im Betatest und soll dem Social-Search-Konzept stärker Rechnung tragen. So wird sie neben der bereits gebotenen "Search History" beispielsweise auch die Technik "MyRank" in andere Yahoo-Dienste integrieren. Mit ihr entscheiden Yahoo-Nutzer selbst, welche Seiten sie speichern, taggen oder anderen zur Verfügung stellen wollen.

Flickr und Deli.cio.us helfen aus

Parallel dazu erwirbt das Unternehmen seit Monaten innovative Community-Sites, zu denen populäre Auftritte wie Flikr, Delicious oder Upcoming.org gehörten (siehe Kasten "Übernahmemarathon"). Während Marktbeobachter hinter diesen Aufkäufen eine klare Strategie vermissen, sind sie laut Horowitz Ausdruck der Social-Search-Vision. Motive für die Zukäufe sind dabei entweder die verwendete Technik und das Know-how jener Site-Betreiber oder auch die Hoffnung auf neue Benutzerkreise. Zudem arbeitet Yahoo an Diensten wie "Instant Search", der bei der Sucheingabe bereits Ergebnisse vorschlägt, "Podcast", der nach entsprechenden Sendungen suchen hilft, oder "Yahoo Answers". Mit letzteren beispielsweise können Nutzer ausformulierte Fragen an andere Yahoo-Anwendern stellen, die diese ihrerseits anhand eines Punktesystems bewerten können. Dies soll einen Hinweis auf die Glaubwürdigkeit der Antworten geben.

Mehr Stickyness

Trotz dieser Anstrengungen sei Yahoo derzeit noch mehr mit einem Portal mit vielen einzelnen Services vergleichbar als mit der angestrebten Plattform für Suche quer durch organisiertes Wissen, räumte der Manager ein. Das Problem sei, dass die internen Produktgruppen im Unternehmen nicht genug zusammenarbeiten, um zu einem durchgängigen Auftritt aus Suche und Inhalten zu gelangen. In der Folge verweilen viele Besucher oft nur kurz auf der Site, nutzen nur einzelne Angebote und springen über die Suche zu anderen Web-Sites. Ziel müsse es daher sein, die internen Funktionen und Dienste von Yahoo über eine Oberfläche zu vereinen. Das Angebot müsse dann nicht nur über den Browser, sondern auch über andere Kanäle wie mobile Clients oder Set-top-Boxen erreichbar sein.

Übernahmemarathon

Allein in den letzten zwölf Monaten erwarb Yahoo:

- Flickr (März 2005): beliebte Photo-Community;

- Terespondo (April 2005): Content-Werbedienst in Südamerika;

- Blo.gs ( Juni 2005): Dienst zum Erstellen von Blogrolls;

- Konfabulator (Juli 2005): Anwendung für Mac und Windows, um Widgets und Gadgets am Desktop anzuzeigen;

- Whereonearth (Oktober 2005): Standortabhängiger Werbedienst;

- Upcoming.org (Oktober 2005): Veranstaltungskalender mit RSS-Feed;

- Del.icio.us (Dezember 2005): beliebter Book-mark-Manager;

- Webjay (Januar 2006): Site zum Streamen und Zusammenstellen von Musik.

Geld oder Freiheit?

Eine der Herausforderungen von Social Search wird es sein, autonom organisierte Dienste und Inhalte wie Flickr mit den Marketingaktivitäten von Yahoo so zu kombinieren, dass Benuzter sich nicht gegängelt fühlen. "Solche Dienste müssen aber organisch wachsen", mahnte Horowitz. Doch ist der Manager überzeugt, dass sich Geschäft und Soziales vereinbaren lassen: " Flickr war auch nicht werbefrei wie Wikipedia.org, sondern hatte durchaus Anzeigen und kostenpflichtige Abos." Um die Attraktivität der Plattform zusätzlich zu steigern, will Yahoo zudem Entwicklern die Möglichkeit geben, die vorhandene Infrastruktur um Dienste zu erweitern - ein Konzept, dass auch Anbieter wie Amazon, Google oder Ebay verfolgen. Das Unternehmen verweist diesbezüglich auf ein Projekt namens TAP. (as)