Unehrlichkeit, Besserwisser, Machtspiele

Worüber CIOs sich ärgern

26.11.2009 von Michael Schweizer
Die Technik ist nicht das Problem. Mitarbeiter, Vorgesetzte und Fachabteilungen schon eher.

"Wir haben das mit dem Controlling gemeinsam gemacht, weil wir immer gemeinsam etwas auf die Birne bekommen hatten", sagt Bernd Hilgenberg, Ressortleiter IT bei Fressnapf, über sein wichtigstes Projekt in den letzten beiden Jahren: das System for Management Analysis, Reporting & Transparency (Smart), das mit Hilfe eines neuen Data Warehouse für ein durchgängiges und transparentes Berichtswesen sorgt. Vorher hatte das Controlling der Krefelder Tiernahrungs-Fachhandelskette nicht alle anfallenden Wirtschaftsdaten verarbeiten können. Fachabteilungen betrieben eigene Buchhaltungen, Zahlen fehlten, waren falsch oder wurden angezweifelt, und als schuldig galten immer Controlling und IT.

Mit Smart wertet das Controlling nun alle Zahlen aus, entlastet dadurch die Fachabteilungen und dürfte an Einfluss gewonnen haben, weil seine Erkenntnisse nicht mehr gut bestritten werden können. Solche Neuerungen können ein Unternehmen politisch und organisatorisch stark verändern. Technisch blickt Hilgenberg auf keine einschneidenden Probleme zurück: In drei von vier Projektphasen konnten er und seine Mitarbeiter im Standard der verwendeten Produkte bleiben.

Die 74 besten CIOs

So manches IT-Vorhaben macht dem zuständigen CIO menschlich mehr zu schaffen als technisch. Die Teilnehmer des von COMPUTERWOCHE und CIO Magazin veranstalteten Wettbewerbs "CIO des Jahres" fanden in ihren Bewerbungsbögen auch die Frage "Worüber ärgern Sie sich?" Die Antworten waren frei zu formulieren und wurden nachträglich nach acht Kategorien aufgeschlüsselt (siehe Grafik "So viele CIOs ärgern sich über..."). Weitaus am meisten ärgern sich die 74 besten Kandidaten über menschliche Schwächen, Typen und Verhaltensweisen wie "Nachlässigkeit", "notorische Besserwisser" und, eine der häufigsten Nennungen, "politische Machtspiele". Einen expliziten Bezug zum eigenen Unternehmen stellen die Befragten selten her. Trotzdem gehen viele Antworten offenbar auf Erfahrungen mit Geschäftsführungen, IT-anwendenden Fachabteilungen und eigenen Mitarbeitern zurück.

Als Bereichsleiter IT und technische Dienste ist Bert Bloss bei der Heinrich-Böll-Stiftung außer für die IT auch für die komplette sonstige Technik zuständig. Als die Stiftung in Berlin eine neue Zentrale baute, führte Bloss dort Voice over IP ein und sparte Energie, indem er 14 Multifunktionsgeräte und Drucker aufstellen ließ - im alten Haus waren es 55. Zur Hälfte wird das neue Haus mit der Abwärme der Server geheizt, eine mittlerweile von anderen Bauträgern nachgeahmte "Erfolgsgeschichte, modern, aber mit ganz wenig Geld gemacht". Zu einer politischen Stiftung mit ihren Informations- und Bildungszielen gehört es, dass die IT finanziell bescheidener ausgestattet wird als ein Produktionsbetrieb vergleichbarer Größe, dabei aber mit riesigen Datenmengen hantieren muss.

Mangelnde Disziplin

Möglicherweise hat sich Bloss darüber geärgert, dass die Entscheider nicht leicht von seinem Heiz-Kühl-Konzept zu überzeugen waren. Ganz sicher ärgern ihn Spielfilme, in denen Videokonferenzen als chic und einfach dargestellt werden - weniger IT-kundige Mitarbeiter wollen sie dann gleich auch. "Der Anspruch an moderne Technik" wachse schneller als die neue Art von Disziplin, die man braucht, um sinnvoll damit zu arbeiten.

Dass seine Mitarbeiter sich anders verhalten sollten, war ein wichtiges Projektziel von Clemens Blauert, Abteilungsleiter Dienstleistungszentrum IT im Evangelischen Johannesstift Berlin, das Behinderten-, Jugend- und Altenhilfe betreibt. Mit neuer Mail, neuem Helpdesk, Server-Virtualisierung und Eingriffen in die Netzhardware baute er die IT zum Prozessintegrator und internen Dienstleister um, der der Geschäftsführung bald ein Management-Informationssystem bereitstellen soll. Von seinen Mitarbeitern verlangte er, den Anwendern bei Störfällen und Bedienungsproblemen nicht mehr nur operativ zu helfen, sondern sie auch zu beraten. Mit Erfolg: "Früher haben die Leute angerufen und gesagt: Es funktioniert nichts mehr. Jetzt stellen sie zunehmend qualifizierte Fragen. Wir bekommen auch immer wieder gesagt, dass sie jetzt viel lieber anrufen."

Vielleicht ärgert sich Blauert über sein Budget. IT wird in der Sozialwirtschaft knapp gehalten, weil man sie zum Pflegen nicht braucht. Wie dringend die Verwaltung auf sie angewiesen ist, wird unterschätzt: "Da klafft eine Riesenlücke zwischen dem, was nötig wäre, und dem, was wir uns leisten können."

Falscher Knopfdruck

"Mich ärgert vor allem Unehrlichkeit und wenn jemand nicht sorgfältig arbeitet. Wir sind in der IT, da kann ein falscher Knopfdruck großen Schaden anrichten", sagt Goy Hinrich Korn, CIO der Krone Gruppe. Für das Fahrzeugwerk Bernard Krone in Werlte hat er einen Trailer- Konfigurator eingerichtet. Kunden können ihren Lastwagen und seine containerförmigen Anhänger selbst planen, und zwar auch so, wie ihn Krone noch nie gebaut hat. Der Außendienstler gibt die Wünsche des Kunden in den Konfigurator ein, der dann automatisch Konfigurationsstückliste und CAD-Modell erstellt. Nur um die "weißen Flecken" (Korn), die davon nicht erfasst werden, muss sich dann noch ein Konstrukteur kümmern. Korn schätzt die kurzen Wege im Mittelstand. Die Geschäftsführung hat sein Projekt nach Kräften unterstützt.

Die Krone Gruppe arbeitet mit standardnaher SAP-Software. Über deren Leistungsfähigkeit und Stabilität und auch über SAPs selten nötige Problemhilfe sagt Korn nur Gutes. Nicht so über die erhöhten Wartungsgebühren: "Es ist schlimm, wie SAP das kommuniziert hat. Wir als Mittelständler können dagegen nur zusammen mit anderen etwas erreichen."

Das liebe Geld

Auch Thomas Kleemann, Leiter der Abteilung Informationstechnologie und -strategie des Klinikums Ingolstadt, ist mit seiner zugekauften Technik zufrieden. Mit Siemens unterhalte er keine klassische Kunden-Lieferanten-Beziehung mehr, sondern man lerne gegenseitig voneinander: "Wir haben mit ihnen an unserem Krankenhausinformationssystem gearbeitet, dabei konnten auch sie sich weiterentwickeln." Das KIS, Kleemanns wichtigstes Projekt der letzten zwei Jahre, verknüpft die Arbeitsabläufe von Ärzten, Krankenschwestern und -pflegern sowie Verwaltung, drei Kräften, die traditionell nicht immer harmonisch zusammenwirken. Zugleich soll es dafür sorgen, dass die Patienten möglichst gut und möglichst wirtschaftlich behandelt werden.

Mit den Ergebnissen seines Projekts kann Kleemann sehr zufrieden sein. Und er hat schon Wasser mit Server-Abwärme geheizt, als das Schlagwort Green IT noch nicht kursierte. Ein Dauerproblem ist aber das Verhältnis zwischen Aufgaben und finanzieller Ausstattung: "Das Gesundheitswesen ist ständig im Umbruch, dabei aber höchst reglementiert. Wir sollen Probleme betriebswirtschaftlich lösen, die man volkswirtschaftlich lösen müsste."

Was ist das Schönste am CIO-Job?

So viel ärgern sich CIOs gar nicht.

*Dr. Michael Schweizer ist freier Journalist und Textchef der COMPUTERWOCHE in München.