Wenn es um Beweiskraft geht, die Methode der Wahl

WORMs: Nicht zu löschen und auch nicht zu fälschen

24.08.1990

Manfred L. Schuermann ist Fachjournalist.

Das WORM-Laufwerk (Write Once - Read Many, also einmal beschreiben, vielfach lesen) wird häufig nur unter rein technischen Gesichtspunkten betrachtet. Oft wird es als eine Art CD zum Selbermachen dargestellt. Kritisiert wird immer wieder die angeblich zu lange Zugriffszeit, gelobt fast nur das immenss Speichervolumen.

Die WORM gilt mehr oder weniger als reines Archivierungsmedium. In vielen technischen Bereichen (etwa Konstruktions-, Wartungs- oder Dokumentationswesen mit häufig hohem Grafik-Anteil und speicherfressenden Bitmuster-Darstellungen) wird die WORM als individuelle Alternative zur CD empfunden. Eine CD setzt die industrielle Verfielfältigung voraus und damit das Interesse eines größeren Abnehmerkreises. Dagegen ermöglicht die WORM die dauerhafte Ablage von internen Daten eines kleinen Benutzerkreises in einem ähnlich üppigen Mengenspielraum.

Das WORMs vergleichsweise sehr teuer sind, rührt in der Hauptsache von der Tatsache her, daß Hersteller und Vertreiber die Kosten bei Speichermedien gern in Preis je Byte oder Megabyte vorrechnen. Setzt man eine 20-MB-Harddisk ohne Netzteil mit 150 Dollar an, dürfte eine 600-MB-Platte rund 4500 Dollar kosten, wobei der Vorteil, nicht von einer Platte auf die andere schalten zu müssen, noch gratis wäre. Tatsächlich sind WORMs da etwas billiger, aber in der Preisgestaltung trotzdem nicht zu verstehen.

Nur noch 6 Mark je Megabyte

Eine 470-MB-WORM kostet je nach Quelle etwas über 6000 bis 8000 Mark. Sie kann mit einseitig beschreibbaren 200-MB-Wechselkassetten ebenso wie mit doppelseitig beschreibbaren Wende-Cartridges arbeiten, die insgesamt 940 MB fassen. Rund 500 Mark kostet eine doppelseitig beschreibbare 470(x 2)-Kassette. Rechnet man nun ein solches WORM-Laufwerk plus zwei Kassetten gegen eine 20-MB-Harddisk, kommt man auf sage und schreibe nur noch rund 6 Mark je Megabyte. Das entspricht einer glatten Halbierung. Ja, noch toller: Auf 1,60 Mark käme man beim Einsatz von zehn doppelseitigen Wechselcasetten, also auf ungefähr ein Achtel.

Es wird in der Tat so gerechnet und argumentiert. Die Praxis erweist - jedoch, daß der eine trotz jahrelanger Aktivitäten mit all seinen Daten kaum eine 470-MB-Kassette füllen kann, während der andere (etwa die Lufthansa mit der Dokumentation ihrer Flotte) nicht nur eine WORM, sondern eine ganze Batterie davon und die sogar als Juke-Box mit Karussels oder Aufzügen zur Fütterung mit Kassetten auslasten kann. Es bleibt der Happen für die Grundausstattung, den der Konzern leicht schlucken kann, während ein Kleingewerbler daran erstickt.

Neuerdings werden WORMs gegenüber den lösch- und wieder beschreibbaren optischen Datenträgern gelegentlich als technisch überholt und überflüssig hingestellt. Die Laufwerke für wiederbeschreibbare Kassetten sind noch einmal teurer. Der Preisunterschied wird hier mit den Einsparungen bei Datenträgern wegargumentiert, obgleich nicht einzusehen ist, wie eingesparte Hunderter bei Kassetten die Mehrausgabe von Tausenden von Mark wettmachen können. Erklärt wird auch nicht, warum für änderbare Daten ein langsames optisches Laufwerk anstelle einer blitzschnell reagierenden magnetischen Harddisk gewählt werden soll, die bei gleicher Datensicherheit nur noch von der Semicon-Disk mit RAM-Bausteinen übertroffen wird. Allein schon wegen der Arbeitsgeschwindigkeit bietet sich auch die wiederbeschreibbare Kassette eher für langfristige Archivierung an, wird hier jedoch von der WORM vorweg ausgestochen. Denn die WORM brennt mit ihrem Laserstrahl einfach die Daten auf die Oberfläche, während die wiederbeschreibbare Laserplatte erst ihre Löschrunden abfahren muß.

Restlos überprüfbare Speicherbuchführung

So liegen eigentlicher Wert und Denkansatz bei der WORM auf Gebieten, die völlig unabhängig von der Kapazität und von Zugriffsgeschwindigkeiten, nur selten ausreichend argumentiert und demonstriert werden. Die spontane Antwort auf die Frage, welchen Wert es haben kann, daß einmal geschriebene Daten nicht mehr zu löschen sind, kann nur lauten, daß man sie dann auch nicht fälschen kann! Insofern sind WORMs die einzigen Datenträger, die tatsächlich und nicht nur auf dem Umweg über verschlungene juristische Interpretationen sämtliche Anforderungen beispielsweise an eine restlos überprüfbare Speicherbuchführung erfüllen.

Das mag am Beispiel einer WORM von Reflection Systems in England, die auch hierzulande für MD/DOS- und Macintosh-Rechner angeboten wird, verdeutlicht werden. Grundsätzlich gilt, daß alles, was die Platte einmal vereinnahmt hat, entsprechend der Herstellergarantie (meist 30 Jahre!) auf ihr verewigt ist. Natürlich kann man Dokumente (Files) auf dieser WORM auch löschen und überschreiben, jedoch nur dadurch, daß in einer Art Tagebuch (History Marker) eine Abspeicherung als gültig oder ungültig für das Gesamt-Inhaltsverzeichnis rnarkiert wird.

Diese Liste erlaubt es, den sogenannten History Marker auch zurückzustellen, etwa auf ein Datum, von dem man weiß, daß ein bestimmes Dokument auf der WORM noch nicht als gelöscht oder geändert galt. Aktiviert man also im History Marker ein zurückliegendes Datum, wird die WORM automatisch schreibgeschützt, und alle Files (Programme und Daten), die zu diesem Datum als ungelöscht galten, befinden sich wieder im Zugriff, auch wenn sie später ausdrücklich gelöscht wurden. Weil die WORM in diesem Zustand nicht weiß, welche Files nach dem gewählten Datum wann und wo auf die Kassette geschrieben wurden, läßt sie nur ein Auslesen und Kopieren auf andere Datenträger zu. Erst wenn der History Marker wieder auf das letzte Datum hochgestellt wird, kann man die Kassette weiter beschreiben.

Eine Aussage zu einem bestimmten Zeitpunkt

Für Programmierer, die sich restlos verzettelt haben, ist es mithin ohne Schwierigkeiten möglich, wieder zu einer älteren Version zurückzukehren, auch wenn sie bedienungstechnisch ein vorhandenes Programm unter gleichem Namen überschrieben hatten. Bei Disketten oder Festplatten hätte ein Überschreiben unrettbar zum Verlust jeder Vorversion geführt. Höchst interessant ist dieses Procedere auch für rechtlich relevante Abspeicherungen, etwa für den notwendigen Nachweis, daß eine Aussage zu einem bestimmten Datum in einer bestimmten Form festgelegt und als Dokument abgespeichert, danach aber inhaltlich nicht mehr verändert wurde. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Dokument in der typisch verschlüsselten Art eines Textverarbeitungsprogramms, in reinem und unformatiertem Klartext (ASCII) oder in der Form einer Grafiksprache oder eines Bit-Images (Punktmuster) etwa bei der Abspeicherung von elektronisch gelesenen Abbildungen (Text- oder Bilddokumenten einschließlich Fax) handelt.

Wer etwa eine 200-MB-Kassette formatiert und nach Füllung mit 100 MB Daten reformatiert, wird sich wundern, daß er wiederum 200 MB für die Abspeicherung zur Verfügung hat. Das hängt damit zusammen, daß die WORM den History Marker auf Null zurücksetzt und den bislang genutzten Platz völlig ignoriert, jedoch entsprechend der physikalischen Größe der Kassette (bis 470 MB) den anderweitig vorhandenen Raum logisch bereitstellt. Dieser Raum kann dann jeweils bis zu jener Kapazität genutzt werden, die vom Kassetten-Hersteller unauslöschbar eingeprägt wurde und vom Controller beachtet wird.

Dialog beweiskräftig festgehalten

Solchen Raum sinnvoll und beweiskräfitg zu füllen, kann sich auch im Online-Betrieb mit Datenbanken oder Mailboxen anbieten, wenn von vornherein feststeht, daß der Dialog mit der Gegenstation nach Datum, Uhrzeit und Inhalt beweiskräftig festgehalten werden muß. Ein Jurist, dem vorgeworfen wird, er habe sich nicht rechtzeitig und ausreichend zu einem bestimmten Sachgebiet kundig gemacht, könnte im geeigneten Fall mittels WORM nachweisen, daß er sehr wohl in einer juristischen Datenbank nachgesehen und einschlägige Informationen abgespeichert hat. Ihm würde keine Maus zu Unrecht einen Faden abbeißen können.

Ähnlich beweiskräftig könnten Nachrichten wirken, die mit Online-Protokoll abgespeichert und als EB-Nachrichten (Einschreiben) versandt werden. Hierbei könnten die elektronisch erteilten Empfangsbestätigungen (... gelesen am ... ) ebenfalls von Bedeutung sein, selbst wenn in dem jeweiligen Mailboxsystem die entsprechenden Nachrichten längst gelöscht sind. Ein Fuchs wird während der Verbindung mehrfach die Zeit-Funktion aufrufen, die mit Wochentag, Datum und Uhrzeit antwortet. Benutzt er für die Verbindung Datex, kann ein Protokoll der Post zusätzlich belegen, daß er zu einem bestimmten Zeitpunkt mit der NUA (Gegenstations-Rufnummer) verbunden war.

Urkunden im Sinne des Gesetzes?

Diese Art Aspekte sind eingebunden in die permanente Diskussion, inwieweit elektronisch übermittelte Nachrichten überhaupt Urkunden im Sinne des Gesetzes sein können und entsprechende Beweiskraft besitzen. Diese Diskussion umfaßt letztlich auch die Datenträger und deren Aussagefähigkeit, wobei den rein magnetischen Festplatten von vornherein höchstes Mißtrauen entgegenschlägt, weil sie bei entsprechend ausgeprägter (krimineller) Energie unter Umständen auch für Experten unmerklich verändert werden können. Mit einem Dateneditor, der direkt auf bestimmte Sektoren und Bytes eines Datenfiles zugreifen kann, und mit dem nötigen Fachwissen können Daten auf einem magnetischem Datenträger ohne weiteres verfälscht werden, ohne daß darüber im Inhaltsverzeichnis der Festplatte Vermerke auftauchen (die ebfalls veränderbar sein können).

Der History Marke ist auf der Hut

Die WORM ist also gegenüber sämtlichen anderen Datenträgern die Methode der Wahl, elektronische Dokumentationen mit ausreichender Beweiskraft vornehmen zu können. Selbst wenn man mit einem Disk- oder Platteneditor direkt auf bestimmte Teile von Dokumenten zugreift und deren Inhalt verändert, ist der History Marker auf der Hut. Die vorgenommenen und nachprüfbaren Veränderungen werden protokolliert und auch beim Inhaltsverzeichnis als Veränderung eingetragen. Nach Rücksetzen des History Markers erscheint ein Ursprungsdokument völlig unverändert.

Keinesfalls empfehlenswert ist es, auf eine WORM als Betriebslaufwerk umzuschalten und von der WORM Programme direkt zu starten und dazu auch noch Dokumente mit diesen Programmen auf der WORM anzulegen oder aufzugreifen. Viele Programme erzeugen sogenannte Scratch-Files, in denen sie Daten zwischenspeichern. Diese Files werden später schon während des Programmlaufes wieder gelöscht und können sehr umfangreich sein. Dann kann es geschehen, daß man an bestimmten Dokumenten arbeitet, sie nicht einmal wieder zurückspeichert und trotzdem mit rasender Geschwindigkeit Megabyte um Megabyte auf der Worm verliert. Die unerkannt auf der WORM nur zwischenzeitlich angelegten Files werden nämlich vom verfügbaren Speicherplatz gnadenlos abgezogen. Bei einem Test waren es innerhalb kürzester Zeit 70 MB, die sich auf immer verabschiedeten, als die physikalische Reserve der WORM verbraucht war und dieser Platz dem Platzbedarf tatsächlich nutzbarer Files zugerechnet werden mußte. Geht man bis an die äußerste Grenze, schaltet die WORM softwaregesteuert automatisch auf aktiven Schreibschutz um, so daß man niemals ins Leere Speicherung und Daten verlieren kann.