WAN im Wandel

Worauf Netz-Admins achten sollten

29.09.2009 von Björn Friedrichsen
Die traditionellen WANs stoßen angesichts neuer Anforderungen an ihre Grenzen. Die Zukunft gehört den selbstregulierenden Infrastrukturen.

Wir stehen vor einem grundlegenden Wandel in der WAN-Technologie, denn die traditionellen Netze werden die Datenlast nicht mehr lange tragen können. Die Nutzung von IP-Diensten und Web-Applikationen nimmt fast explosionsartig zu - allein für den Bereich "Software aus der Steckdose" (SaaS) hat Gartner für das Jahr 2008 ein Marktvolumen von bereits 6,4 Milliarden Dollar ermittelt, bei weiter stark steigender Tendenz. Dies stellt wachsende Anforderungen nicht nur an die Kapazitäten, sondern auch an die Qualität der Verbindungen. Beides ist nur zu gewährleisten, wenn die Weitverkehrsnetze mit intelligenten, selbstregulierenden Technologien gesteuert werden. Daraus ergeben sich für die Unternehmen einige Anforderungen, aber vor allem neue Möglichkeiten. Die Verantwortlichen im Netzwerk-Management sollten beides berücksichtigen, um den größtmöglichen Nutzen aus dem technischen Fortschritt zu ziehen.

Herausforderung Datenflut

Um die Datenflut zu bewältigen, werden "intelligente Netze" die Kommunikation sicherstellen. Dies bedeutet, dass sich die Infrastruktur selbst die Ressourcen zuweist. Die Technik dafür ist in den IP-Netzen bereits im Einsatz, doch sie muss auf die optoelektronischen Teile der Infrastruktur übertragen werden. Dies geschieht, indem die bewährte MPLS-Technik auf die mit Lichtwellen arbeitenden Teile der Kommunikationsnetze angewandt wird. Die Erweiterung zu GMPLS (Generalized Multi Protocol Label Switching) führt nicht nur zur automatisierten Steuerung des Netzes, sondern auch zur Ausweitung der IP-Methodik auf dessen gesamte Struktur. Die Auswirkungen sind vielfältig.

Elf Tipps zum WAN-Wandel

  • Möglichkeiten und Anforderungen "intelligenter Netze" (GMPLS) kennen.

  • Netznutzung als Gestaltungsmittel der Kommunikation verwenden.

  • Flexibilität von Netzstruktur und -nutzung ausschöpfen.

  • Verbindungsqualität als Steuerungsmittel nutzen.

  • Geschäftskritische Applikationen sinnvoll managen.

  • Datenverkehr für Optimierung auswerten.

  • Leistungsfähiges Administrations-Tool (Web-Frontend) einsetzen.

  • Bedarfsgerechte Dienste beziehungsweise ressourcenorientierte Nutzung steuern.

  • Passende Dienste (Verschlüsselung, VPN usw.) betreiben.

  • SLAs durch Statistiken überwachen.

  • Anbietersupport mit einem festen Ansprechpartner verlangen.

Unter dem Strich bedeutet dies die Übertragung des automatisierten Netz-Managements von der IP-Ebene (Layer 3 nach OSI-Modell) auf die Layer 0 bis 2 (Bit-Übertragung, Sicherung). Daraus folgt eine bisher unbekannte Flexibilität, und dies in mehrfacher Hinsicht. Bislang erlaubten die Layer 0/1/2 im WAN nur einfache Punkt-zu-Punkt Verbindungen. Mit der neuen Technik ist es möglich, granulare Kapazitäten flexibel zu verschalten - es entsteht ein Datenkommunikationsnetz, dessen Strukturen mit wenig Aufwand zu verändern sind, etwa zur Einbindung neuer Standorte. Da das gesamte Netz seine Ressourcen selbst steuert, wird es möglich, virtuelle Kapazitäten praktisch jederzeit zu buchen, und dies - anders als früher - zu festen Konditionen bereits bei der Bestellung. Es ist zu erwarten, dass besonders "ON Demand"-Angebote von dieser Entwicklung profitieren werden. Darüber hinaus ist der Trend vorhersehbar, dass Datenvolumina und Netznutzung auf Layer 1 und 2 zunehmen werden. Da auf den unteren Netzebenen wesentlich geringere Übertragungskosten entstehen, wird dies zu sinkenden Preisen in der Datenkommunikation führen.

Mehr Flexibilität

Leistungsfähigere Verbindungen, dabei mehr Flexibilität und schrumpfende Kosten - es lässt sich absehen, dass virtuelle Kommunikation in den Unternehmen häufiger und wichtiger wird. Um deutlich zu machen, wie die ITK-Administratoren den größten Nutzen daraus ziehen können, haben wir die Unternehmen in zwei Typen aufgeteilt. Die erste Gruppe hält Know-how und Ressourcen für die Administration des eigenen Netzwerks vor; die zweite setzt hingegen darauf, alle WAN-Dienste im Outsourcing zu nutzen

WAN in Eigenregie

Für Unternehmen, die weitgehend selbst ihre Netzinfrastruktur unterhalten, ist zunächst eine Migration von SDH-Standleitungen (Synchronous Digital Hierarchy) zum Ethernet erforderlich. Es empfiehlt sich, dies im Rahmen eines Neuaufbaus oder einer Erweiterung des Unternehmens-WAN umzusetzen. Die nötigen Investitionen werden zumindest zum Teil dadurch kompensiert, dass die Hardwarekosten sinken, weil IP-Geräte wesentlich günstiger als SDH/PDH-Schnittstellen (Plesiochronous Digital Hierarchy) verfügbar sind. Ist dies geleistet, so kann sich der Administrator darauf konzentrieren, die Vorteile in vollem Maße zu erschließen. So kann er wie vormals bei SDH ein eigenes durchgehendes IP-Routing nutzen, was weiterhin für große Flexibilität und hohes Tempo sorgt. Hinzu kommt eine stufenlose Skalierbarkeit der Übertragungskapazität, die weitgehend ad hoc verfügbar sein wird. Auch wird die Zeit hinter uns liegen, in der eine starre Netzstruktur den Unternehmen beziehungsweise deren Daten- und Informationsnutzung Beschränkungen auferlegte, die mitunter nur mit beträchtlichem Aufwand zu überwinden waren. An die Stelle der Punkt-zu-Punkt-Verbindungen der Vergangenheit tritt eine Teil- oder Vollvermaschung der Standorte, zum Beispiel über ein Layer-2-VPN, die der Administrator selbst konfigurieren kann ("Any-to-any-Struktur").

Das WAN selbst managen

Von besonderer Bedeutung für jeden Administrator in Unternehmen mit eigenen IT-Ressourcen ist die Aufgabe, die Qualität der Kommunikationsdienste jederzeit zu sichern. Besonders gilt dies im Hinblick auf geschäftskritische Applikationen. Es gibt heute Technologien, die auch im Ethernet garantierte Bandbreiten ermöglichen, wie sie früher bei SDH-Leitungen üblich waren. Das Netzwerk-Management kann dies über Parameter wie garantierte Übertragungsgeschwindigkeiten (Committed Information Rate = CIR) steuern oder möglichst kleine Schwankungen bei den Datenpaketen (Jitter) sicherstellen. Ist der Datenverkehr des Unternehmens größer als die Versorgung mit Bandbreite, dann ist es sinnvoll, wichtige Dienste zu priorisieren. Dafür werden mit einem CoS-Modell (Class of Service) die Applikationen in verschiedene Klassen eingeteilt. Dies erfordert einen gewissen Aufwand, wenn Dutzende oder gar Hunderte von Anwendungen zu erfassen sind. Ebenso kann es erforderlich sein, den Datenverkehr zu überwachen, um Spitzenbelastungen, falsch eingestufte oder gar verkappte Applikationen zu ermitteln. Auf jeden Fall wird sich die Mühe lohnen, um das Maximum für die geschäftskritischen Dienste zu erzielen.

WAN-Management im Outsourcing

Wenig Änderungen ergeben sich für die Unternehmen, die keine eigene Infrastruktur unterhalten und auf Outsourcing bauen. Allerdings sollten auch sie auf einige Punkte achten, um den Zuwachs an Leistungsfähigkeit und Flexibilität wirklich auszuschöpfen. So sollte der Anbieter ein Web-Frontend bereitstellen, über das die Komponenten des Netzes zu administrieren sowie "on Demand" virtuelle Ressourcen zu buchen oder zu modifizieren sind (Bandbreite, SLAs und so weiter). Ferner sollte ein Ansprechpartner beim Provider zur Verfügung stehen, der für den Kunden verantwortlich ist und Dienste wie die Lieferung und Wartung von WAN-Komponenten betreut - kurz alle Leistungen, die beim Outsourcing-Anbieter verbleiben. Schließlich ist es wichtig, auf ein transparentes Reporting zu achten, um überprüfen zu können, ob die SLAs und gebuchten Dienste im Sinne einer Quality of Service (QoS) eingehalten und erbracht werden.

Aus Benutzersicht sind darüber hinaus noch andere Optionen sinnvoll: etwa die Bildung standortübergreifender LAN-Segmente, ohne ein Layer-3-Routing konfigurieren zu müssen. Auf diese Weise können die Finanzbereiche aller Standorte in einem Segment zusammengefasst werden. Oder die besondere Behandlung des Datenverkehrs in kritischen Bereichen - beispielsweise durch eine Layer-2-Verschlüsselung für den Finanzsektor. Ferner sollte sich der Anwender über die "On-Demand-Dienste" informieren, die er selbst steuern kann.

Fazit

Für Unternehmen bringt die neue Technik Vorteile, wenn sie sich rechtzeitig auf die grundlegend veränderten Möglichkeiten einstellen. Die Netzinfrastruktur wird zu einem Mittel zur Gestaltung der Unternehmenskommunikation ("Next-Generation-Networks"). Der Schlüssel zu ihrer Nutzung ist das Know-how der eigenen Mitarbeiter.