Nocens Executor

Woran man einen schlechten CIO erkennt

29.02.2008
Wir schalten nun um zu einer Sonderaussendung von "Professor Grzimeks Platz für Tiere". Das heutige Thema lautet: "CIOs im Nebel".
Die Spezies des schlechten CIO kann sich optimal an ihre Umgebung anpassen. Aber ein paar typische Charakterzüge und Verhaltensweisen enttarnen den Nocens Executor.
Foto: Pixelio/Dreher

Meine Damen und Herren, wir befassen uns heute mit den unterschiedlichen Ausprägungen der Spezies Nocens Executor, besser bekannt als "schlechter CIO". Vielen Beobachtern bleibt der Nocens Executor zeitlebens ein Rätsel. Er weist keine eindeutigen physischen Merkmale auf. Wie ein Chamäleon kann er sich rasch an neue Umgebungen anpassen. Das erschwert seine Identifikation für Headhunter, Personal-Manager, CEOs, CFOs und Vorstände. Der Nocens Executor (vulgo: schlechter CIO) wechselt ständig den Lebensraum. Er hinterlässt eine Menge Abfall im Business und im Informations-Ökosystem. Er zerstört die Stammesmoral, plündert Budgets und gefährdet den Shareholder Value. Seine destruktiven Aktionen können mehrere Monate lang unentdeckt bleiben – manchmal noch lange, nachdem er das zuletzt eroberte Terrain verlassen hat.

Nichtsdestoweniger kann ein erfahrener Beobachter einen schlechten CIO genauso leicht erkennen, wie er das durchdringende Aroma von Nilpferd-Dung erschnüffelt - wenn er seine typischen Verhaltensmerkmale kennt. Meridith Levinson, Redakteurin bei der US-amerikanischen COMPUTERWOCHEWOCHE-Schwesterpublikation "CIO", hat mit Unterstützung von Recruitment-Spezialisten, Beratern und Teilnehmern diverser Online-Foren eine Liste dieser Merkmale zusammengetragen. Mit ihrer Hilfe lässt sich Nocens Executor idealerweise schon beim Vorstellungsgespräch enttarnen.

Das Wandern ist des Nocens' Lust

Foto: Pixelio/Cornerstone

Der Lebenslauf des schlechten CIO weist meist häufige Jobwechsel aus. Dazu Shawn Banerji, Recruitment-Spezialist bei Russell Reynolds Associates in New York: "Wenn Sie feststellen, das jemand nach 18 oder 24 Monaten oder überhaupt nach weniger als drei Jahren seinen Job hinwirft, sollten Sie sich am Kopf kratzen und folgende Frage stellen: War er oder sie eigentlich lang genug dort, um irgendeinen Erfolg vorweisen zu können - wo es doch in der IT seine Zeit dauert, bis ein Projekt beendet ist und Ergebnisse zeigt?" Bei den Job-Hoppers handle es sich möglicherweise um Schaumschläger, die nichts wirklich auf die Reihe bekommen. Der Personalchef sollte den Bewerber fragen, warum er es nicht länger in seinen Positionen ausgehalten hat und ob er Referenzen vorweisen kann, empfiehlt Banerji. Der Einwand, dass die Amtszeit eines CIO in den USA bei nur zwei bis drei Jahren liege, lässt sich mit der "State-of-the-CIO"-Studie entkräften. Demnach bleiben die IT-Chefs mittlerweile durchschnittlich vier Jahre und vier Monate in den Unternehmen.

Selektive Amnesie

Vorsicht ist laut Banerji auch geboten, wenn sich der CIO-Bewerber nicht mehr so recht erinnern kann, an wen er eigentlich in seinen früheren Positionen berichtet hat. Meistens möchte er nur vermeiden, dass jemand seinen Vorgesetzten kontaktiert. Möglicherweise hat er ja gar nicht geleistet, was geleistet zu haben er behauptet. Oder er ist mit seinem Boss aneinandergeraten. Jedenfalls gibt es da mit einiger Sicherheit etwas, wovon er nicht möchte, dass sein nächster Arbeitgeber es erfährt.

Mit harten Bandagen

Foto: S. Hofschlaeger

Ein schlechter CIO tendiert dazu, sich mit jedem anzulegen, denn er begreift sein Gegenüber stets als seinen Feind. Gleichzeitig greift er zu extremen Mitteln, um zu beweisen, dass er der Richtige für den Job sei. Diese beiden Verhaltensweisen hat Rich Ness beobachtet. Ness ist Präsident von Embanet, einem Unternehmen, das Online-Ausbildungsprogramme entwickelt. Wie er berichtet, wurde er eines Tages von einem Kandidaten für einen CIO-Job direkt kontaktiert, den der beauftragte Personalberater eigentlich schon aussortiert hatte: "Der Bewerber war überzeugt, er wäre aus politischen Gründen abgelehnt worden", berichtet Ness, "und nun wollte er politischen Einfluss geltend machen, um doch noch in meine engere Wahl zu kommen." Ungeschickterweise versuchte er dafür, die Glaubwürdigkeit der Personalberatung zu erschüttern - ohne zu wissen, dass Embanet mit dieser Firma schon seit Jahren zusammengearbeitet hatte. Und um seiner Aufdringlichkeit die Krone aufzusehen, griff er zu unverhohlenen Drohungen: Er deutete an, dass es höchst schädlich für das Unternehmen wäre, ihn nicht einzustellen, denn er könne Embanet mit Leuten zusammenbringen, die nützlich für das Geschäft seien.

Nur die Größe zählt

Der Umfang des Budgets und die Anzahl der Mitarbeiter - wenn der Bewerber für den CIO-Posten bei der Aufzählung seiner Erfolge nur auf diesen Punkten herumreitet, sollten beim Personalchef die Alarmglocken schrillen, sagt der Recruitment-Profi Banerji. Denn häufig bedeutet das: Der Kandidat hat nicht allzu viel geleistet. Andernfalls würde er ja von Ergebnissen sprechen. Zudem sollte das Unternehmen die Daten, die der Möchte-gern-CIO nennt, ein bisschen genauer unter die Lupe nehmen. Manch einer behauptet, für 300 Leute verantwortlich gewesen zu sein, während in Wirklichkeit zwei Drittel davon bei einem Outsourcing-Partner angestellt waren. Soll er dann tatsächlich eine mehrere hundert Köpfe starke IT-Abteilung führen, ist er hoffnungslos überfordert.

Referenzen, die keine sind

Sam Gordon, der für CIOs zuständige Direktor von Harvey Nash Executive Search, nennt ein weiteres Anzeichen, das auf einen IT-Chef von fragwürdiger Qualität hinweist: Verdächtig sei es, wenn ein designierter Referenzgeber plötzlich Entschuldigungen für das Verhalten des CIO vorbringt. "Fragen Sie ihn, ob er die betreffende Person gern noch einmal einstellen würde", rät Gordon, "wenn sie daraufhin nicht in enthusiastisches Lob ausbricht, würde sie es wohl kaum tun." Sicherheitshalber sollten mindestens vier Referenzgeber kontaktiert werden, empfiehlt der Headhunter. Falls einer von ihnen es an Begeisterung fehlen lassen sollte, muss das den künftigen Arbeitgeber noch nicht allzu sehr beunruhigen.

Name-Dropping

Ein Windbeutel ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch der chronische Name-Dropper. Das ist jemand, der in einer Stunde mehr als ein Dutzend Leute erwähnt, aber auf den Vorschlag, sie zu kontaktieren, antwortet: "Ich habe keine Ahnung, wo Bill gerade ist." Oder: "Ich weiß nicht, ob Sally sich an mich erinnert." Nicht nur der Personalberater Banerji fragt sich, welchen Sinn die Erwähnung eines Namens hat, wenn sein Träger keine Auskunft geben kann.

Umgeben von Jasagern

Foto: Pixelio/Hofschlaeger

Manche Verhaltensweisen legt der Nocens Executor erst an den Tag, wenn er sich bereits in seinem neuen Lebensraum niedergelassen hat. Nach ihrem Amtsantritt verpflichten viele Manager gern Leute, mit denen sie in der Vergangenheit bereits zusammengearbeitet haben. Das muss nicht unbedingt schlecht sein. Zumindest dann nicht, wenn das Team erfolgreich war. Zu einem Problem wächst es sich aber in drei Fällen aus: Wenn der Platz für die neuen Mitarbeiter durch weitgehend grundlose Kündigung der alten geschaffen wird, wenn daraus eine Vetternwirtschaft entsteht, und wenn sich die neuen Mitarbeiter als lauter Jasager entpuppen. Auf jeden Fall steckt in einer solchen Personalentwicklung einiges an Zündstoff, weiß der IT-Berater John Miano. Es bestehe die Gefahr, dass innerhalb der IT-Organisation zwei "Kasten" entstünden: hier die Auserwählten des CIO und dort der Rest. Darüber hinaus fühlten sich die neuen Leute möglicherweise mehr dem CIO als dem Unternehmen verpflichtet.

Ströme von Flüchtlingen

Löst die Ankunft des neuen CIO eine Welle von Kündigungen aus, so heißt das wohl, dass der Kandidat seine künftigen Mitarbeiter nicht überzeugen konnte. In den meisten Fällen taugt er dann auch nichts, so die Überzeugung des Harvey-Nash-Direktors Gordon. IT-Berater Miano ergänzt: "Wenn ein schlechter CIO kommt, gehen die guten Leute weg." Noch schlimmer als der Verlust einiger High Potentials sei jedoch der langfristige Schaden, den die Reputation der jeweiligen IT-Abteilung nehme. Die Firmen machten sich kaum eine Vorstellung davon, wie sich der Ruf ihres CIO auf ihre Suche nach guten IT-Mitarbeitern auswirke.

Liebkind beim Chef

Für einen schlechten CIO ist es ein Leichtes, seinen Vorgesetzten hinters Licht zu führen und seine Fehler zu vertuschen, solange er sich dabei politisch klug verhält. "IT ist und bleibt für die meisten artfremden Manager ein Rätsel", erläutert Banerji. "Hinzu kommt die Komplexität eines Milliarden Dollar schweren Geschäfts. Da kann der CFO, CEO oder an wen der CIO auch berichtet kaum noch beurteilen, ob ein Projekt drei Wochen oder drei Monaten dauern sollte und ob es 10 000 Dollar oder zehn Millionen kosten darf."

Das ganze Jahr im Winterschlaf

Ein CIO, der mehr Zeit allein in seinem Büro als mit seinen Mitarbeitern, Management-Kollegen oder externen Kunden verbringt, ist ein Paradebeispiel für einen schlechten CIO.

Furcht, Unsicherheit, Zweifel

Foto: StockXchng/woodsy

Um IT-Ausgaben zu rechtfertigen, schüren schlechte CIOs gern eine gewisse Paranoia. Sie malen beispielsweise drastische Bedrohungsszenarien an die Wand, um Geld für Security-Projekte locker zu machen - häufig mehr Geld als notwendig, wie John Bojonny, ein Anwendungs-Manager aus Phoenix, Arizona, beobachtet hat. CIOs würden dafür unzutreffende Horrorgeschichten verbreiten, nach dem Motto: "Jeder kann bei uns einbrechen und unsere Daten klauen." Allerdings sei die Schuld nicht allein dem CIO anzulasten, räumt Bojonny ein. Diejenigen, die die Investitionsentscheidungen träfen, müssten die Behauptungen des CIO so lange hinterfragen, bis er sie beweisen könne.

Exzessives Techno-Gebrabbel

Um nachzufragen, was genau der CIO eigentlich meint, sind die meisten Entscheidungsträger zu schüchtern, mutmaßt IT-Berater Miano: "Sie nehmen einfach an, dass jemand, den sie nicht verstehen, doch zumindest selbst wissen muss, wovon er redet." Der exzessive Gebrauch von Techno-Gebrabbel sei eines der Hauptmerkmale eines schlechten CIO.

Alles über einen Kamm

Schlechte CIOs sind wie das Fabeltier "Big Foot": Sie trampeln erst einmal alles mit ihren riesigen Füßen platt. Sprich: Sie verwenden dieselben Strategien und Techniken aus ihrem bevorzugten IT-Mangement-Handbuch wie in ihrem letzten Job. Ob diese Strategien und Techniken zu der neuen Organsisation passen, interessiert sie wenig. "Wenn Sie etwas in der Art hören wie 'Unsere Strategie heißt Oracle' oder 'Unsere Strategie ist SOA', dann haben Sie einen Problem-CIO", konstatiert Miano.

Unter einer Decke mit den Anbietern

Foto: Christine Braune

Wie Bojonny zu berichten weiß, zeigen schlechte CIOs bestimmten Anbietern gegenüber eine gewisse Großzügigkeit. Als Beleg dafür schildert der Applikations-Manager die obskuren Begleitumstände eines Beratervertrags. Gegenstand des Abkommens war die Entwicklung eines Disaster-Recovery-Plans: "Das Unternehmen hat eine Menge Geld dafür bezahlt, und ein Jahr später gab es immer noch keinen Plan." Vielmehr habe der beauftragte Berater jede Menge Studien und Analysen angefertigt, aber nichts Konkretes getan: "Und niemand stellte das in Frage." Skepsis ist immer dann angebracht, wenn der CIO bei einem Anbieter, den er empfiehlt, früher selbst gearbeitet hat. Um den bevorzugten Hersteller ins Haus zu holen, lassen schlechte CIOs offenbar schon mal ein ursprünglich gewähltes Alternativ-Equipment so lange detailliert austesten, bis es unweigerlich doch die eine oder andere Schwachstelle entblößt.

Wolf im Schafspelz

Zudem scheren sich schlechte CIOs wenig um die Empfehlungen und Sorgen, die ihnen aus der IT-Abteilung zugetragen werden. Sie tun zwar so, als ob sie zuhören würden, aber sie machen trotzdem, was sie wollen. Beispielsweise werden die IT-Mitarbeiter gebeten, eine bestimmte Software zu evaluieren. Sie investieren Zeit und Energie in die Entwicklung eines Fragenkatalogs, mit dem der Anbieter konfrontiert werden soll. Und der CIO empfiehlt die Anschaffung des Produkts, ohne die Antworten abzuwarten.

Lauter lose Enden

Wenn die Projekte häufiger den Marsch ins Tal antreten, als den Gipfel des Erfolgs zu erklimmen, besteht der berechtigte Verdacht, dass der Bergführer keine Ahnung von der Route hat. Einen schlechten CIO erkennt man auch daran, dass er nichts von dem, was er beginnt, zu Ende bringt. Seine Zeitpläne stimmen hinten und vorn nicht. Und wenn er dabei auf die Ignoranz seiner Vorgesetzten vertrauen kann, hat er das Revier bereits geräumt, bevor das irgendjemandem auffällt. (qua)

Indizien-Checkliste

Wie erkennen IT-Mitarbeiter, dass sie einem Nocens Executor unterstellt sind?

Sei wollen wissen, ob Ihr CIO ein Nocens oder ein Bene Executor ist? Wenn Sie auch nur jede zweite der folgenden zehn Aussagen unterschreiben können, sollten Sie entweder überlegen, wie Sie Ihren Vorgesetzten loswerden, oder sich gleich einen neuen Job suchen:

  1. Ihr CIO verspricht viel und hält wenig.

  2. Er ist außerstande, die Ziele des Unternehmens und seine Strategie während einer Liftfahrt zusammenzufassen.

  3. Verantwortung übernimmt er nicht für Probleme, sondern nur für Erfolge.

  4. Er kann seine Mitarbeiter nicht motivieren, zieht keine guten Leute an oder kann sie zumindest nicht halten.

  5. Er konzentriert sich gern auf Projekte, die sich gut im Lebenslauf machen, und vernachlässigt dafür die unternehmenskritischen Vorhaben.

  6. Beim Management schleimt er sich ein, indem er den leitenden Mitarbeitern Blackberries oder neue Laptops gibt.

  7. Projekt-Management betrachtet er als reine Zeitverschwendung. Oder aber er verwendet 90 Prozent der Projektzeit für die Planung, so dass die Implementierung zu kurz kommt.

  8. Er ist außerstande, Projekte sinnvoll zu priorisieren.

  9. Er bürdet den Mitarbeitern Projektverantwortung auf, ohne sie mit Weisungsbefugnis auszustatten und tatkräftig zu unterstützen. Im Fall eines Misserfolgs ist dann der Projektleiter schuld

  10. Er tritt jeden Monat für eine neue Management-Theorie ein. Oder er kennt nur eine Theorie und wendet sie blindlings an.