Der Termin für die Eurosig-Einführung ist quasi ein Moving Target. Die neue Kernbankensoftware der HVB sollte ursprünglich schon 2008 in Dienst gestellt werden. Der nächste angepeilte Termin war der Herbst 2009, es folgte der Jahreswechsel 2009/2010. Zuletzt war die Umstellung für das vergangene Wochenende geplant. Aber sie hat nicht stattgefunden.
Eurosig wurde etwa zwei Jahre nach der 2005 erfolgten Fusion der HVB mit der italienischen Unicredit in Angriff genommen. Ziel des Projekts war es, die europäischen Unicredit-Töchter sukzessive auf eine einheitliche Softwareplattform zu bringen. Offenbar hat die HVB das Vorhaben stets mit Priorität eins bewertet. Einer der COMPUTERWOCHE zuspielten Insider-Analyse zufolge hat es bereits mehr als eine Milliarde Euro verschlungen. Trotzdem läuft die Software im Test immer noch nicht problemlos.
Sechs Ursachen für die Probleme
Die Analyse, deren Urheber aus nachvollziehbaren Gründen nicht genannt werden will, führt das vor allem auf sechs Ursachen zurück:
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Die Programme gehen in Teilen an den Bedürfnissen der Fachbereiche vorbei. Als Grund dafür sieht der HVB-Insider vor allem die Tatsache, dass die Budgetverantwortung nicht beim Business, sondern bei der IT liege.
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Das Eurosig-Projekt folgt dem mittlerweile als überholt geltenden Wasserfallmodell: Erst entstand der gesamte Softwarecode, dann wurde getestet. Die Fachbereiche wurden zu spät einbezogen, um ihre teilweise heftige Kritik noch in die Softwareentwicklung einfließen zu lassen. Die Anwender hätten die uneinheitliche Benutzerführung moniert sowie die "zu vielen Klicks, um zum Ziel zu gelangen", so der interne Kritiker. Eine zeitgemäße Alternative wäre eine agile Softwareentwicklung gewesen. Mit kleinen Modulen, die sich schnell einführen lassen, hätten sich Fehlentwicklungen unkomplizierter revidieren lassen.
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Als dritten Grund für die massiven Projektverzögerungen nennte der HVB-Kenner die zentrale Struktur der Software. Die gesamte Geschäftslogik laufe auf dem Host, und die Programme würden in "unverhältnismäßig teuren" italienischen Rechenzentren gehostet.
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Der vierte Grund betrifft die Benutzerschnittstelle. Sie läuft als Intranet-Anwendung im Browser. Vorgesehen sei ein bankweiter Intranet-Login ohne SSL-Verschlüsselung, weiß der HVB-Insider. Damit wären die Passwörter aber nicht mehr gegen Angreifer von innen geschützt. Folglich bestehe das Risiko, dass sich Banktransaktionen nicht nachvollziehen und/oder korrekt zuordnen lassen. Darüber hinaus tadelte der interne Kritiker die HVB-Entwickler wegen der Verwendung des veralteten Web-Framework "Struts 1.1". Es ziehe eine umständliche Programmierung nach sich.
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Zudem seien lange bekannte Bugs nicht behoben worden. Weil Eurosig "mit aller Gewalt" eingeführt werden soll, habe man lieber Workarounds definiert. Damit wurde die Fehlerbehebung allerdings nur auf die Zeit nach dem "Going live" verschoben. So konnte die HVB der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) aber nicht den reibungslosen Ablauf der Anwendungen garantieren, den diese nach Presseberichten forderte.
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Im Zuge all dieser Widrigkeiten büßte das Projektteam seine Motivation und den offenen Umgang mit den Problemen ein - getreu dem Motto: "Das ist Eurosig, da darf nicht nach dem Warum fragen." Am Ende hätten nicht einmal mehr die Führungskräfte den vollständigen Überblick über den Projektstand, so die COMPUTERWOCHE-Quelle.
Der Betriebsrat hat die Nase voll
Mittlerweile stelle sich auch der Betriebsrat gegen das Projekt, berichtet der Insider. Er genehmige keine Überstunden mehr, die im Zusammenhang mit Eurosig stünden. Insofern ist es fraglich, ob die Software überhaupt noch in diesem Jahr eingeführt werden kann - zumal die Umstellung nach Angaben des für IT zuständigen Vorstandsmitglieds Heinz Laber nur möglich ist, wenn der Letzte des Monats auf ein Wochenende fällt. Damit kämen heuer nur noch Anfang September oder Anfang Dezember in Frage.
Last, but not least wurde das ursprüngliche Ziel des Projekts offenbar bereits verfehlt. Wie der anonyme Experte berichtet, waren derart viele nationale Anpassungen notwendig, "dass gemeinsam nur noch die Frameworks und der Name sind".
IT-Vorstand Laber gibt sich nach wie vor optimistisch: Im HVB-Intranet und gegenüber der Presse beteuerte er, das Projekt "bis zum erfolgreichen Abschluss" durchziehen zu wollen. Doch intern munkelt man, dass sein Stuhl wackle - und damit auch Eurosig.